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Redaktion 11.05.2022

Modeindustrie zeigt nur wenig Fortschritt beim Klimaschutz

Gerade einmal sieben Prozent der Modehersteller recyceln regelmäßig ihre Materialien.

WIEN. Als die Managementberatung Kearney vor zwei Jahren, also 2020, den ersten Circular Fashion Index vorlegte, waren die Ergebnisse ernüchternd. Auf einer Skala von eins bis zehn zur Bewertung der Klimafreundlichkeit der Mode-Unternehmen lag der Medianwert bei nur 1,6 Prozent. Zwei Jahre später hat sich die Branche immerhin auf 2,85 Prozent hochgearbeitet. „Kein Zweifel: Die Modebranche hat sich innerhalb der vergangenen zwei Jahre auf den Weg gemacht und viel angepackt, um den Lebenszyklus ihrer Waren zu verlängern und die Umweltrisiken zu reduzieren“, kommentiert Mirko Warschun, Autor der Studie. „Sie steht indes immer noch am Anfang eines längeren Weges, der über Recycling, längere Haltbarkeit, Mietmodelle und verbesserte Pflegehinweise reicht“, so der Handelsexperte von Kearney.

Der Circular Fashion Index 2022 hat 150 globale Marken aus 20 Ländern in den sechs Kategorien Sport und Outdoor, Unterwäsche/Dessous, Luxus, Premium/erschwinglicher Luxus, Massenmarkt und Fast Fashion untersucht. Im Fokus steht die Frage, wie nachhaltig die Unternehmen arbeiten und wie sie im Sinne einer Kreislaufwirtschaft den Lebenszyklus ihrer Produkte verlängern. Die Ergebnisse werden anhand von sieben Kriterien errechnet, die sowohl den Primärmarkt mit neuen Produkten (zum Beispiel Anteil recycelten Materials, Verfügbarkeit von Reparaturdiensten und Pflegehinweisen) als auch den Sekundärmarkt (zum Beispiel Secondhand-Verkauf, Vermietung und Wiederverwendung von gebrauchter Kleidung) bewerten.

39 Prozent der Firmen recyceln überhaupt nicht
Insgesamt schneidet die Branche weiterhin schlecht ab: Nur sieben Prozent der befragten Unternehmen verwenden in glaubhaftem Maße regelmäßig recycelte Materialien, 54% nur für einige ausgewählte Artikel und 39% überhaupt nicht. Noch schlechter steht es bei den aufwendigeren Aktionen zur Langlebigkeit der Produkte: Umfassende Reparaturdienste werden von nur fünf Prozent (vor allem Luxusmarken) angeboten, Secondhand-Verkauf ist ein Angebot wiederum von nur fünf Prozent und nur zwei Prozent offerieren Miet- oder Leasingdienste. Und auch bei den Kommunikationsmaßnahmen, die einfach und schnell umzusetzen wären, ist die Modebranche überraschend zurückhaltend: 44% verzichten ganz auf eine Kommunikation zur Nachhaltigkeit, und 40% geben bei den Pflegehinweisen gerade mal die Mindestangaben an.
Die höchste Punktzahl erreichen Luxus- und Premiummarken dank ihrer ausführlichen Pflegeanleitungen und Reparaturleistungen. Fast Fashion und Unterwäsche/Lingerie haben die niedrigsten Werte, denn hier sind Secondhand- oder Mietservice schwieriger umzusetzen.

Vorreiter-Unternehmen sind hingegen wie bereits vor zwei Jahren Patagonia, Levi’s und The North Face mit Werten von 8.50, 8.20 bzw. 8.05. Die drei konnten sich sogar noch verbessern: Patagonia durch die neue Ausrüstung seines Mietprogramms und eines erhöhten Recycling-Anteils, Levi’s durch Einführung des Labels Ganni zum Mieten von Jeans und North Face dank eines erhöhten Recyling-Anteils. Starke Verbesserungen verzeichnen Esprit (von Platz acht 2020 auf Platz vier aufgestiegen), das italienische Label OVS (von ehemals Platz 17 auf fünf vorgerückt), wie auch Gucci (von Platz 15 auf sechs) und Gant (von Platz 16 auf sieben). Die stärksten Neuzugänge sind die Luxusmarke Coach (Platz 8) und die Leichtathletikmarke Lululemon (Platz 9).

Interessant sind auch die regionalen Vergleiche: Die Mehrheit der untersuchten Marken (75%) stammt aus Deutschland, Frankreich, Italien und den USA. Obwohl Frankreich keine Marken in den Top 10 hat, erzielt es mit 3.65 die höchste Punktzahl, gefolgt von Italien mit 2.95, das zwei Marken (OVS und Gucci) in den Top Ten hat. Deutschland liegt auf dem dritten Platz und zeigt ein gemischtes Bild: Esprit und adidas liegen im obersten Quartil, Hugo Boss im zweiten Quartil, doch einige Marken mit schlechter Leistung ziehen die Gesamtpunktzahl nach unten.

„Die Verabschiedung der EU-Textilstrategie bis 2030 setzt die Modefirmen stark unter Druck. Der Circular Fashion Index offenbart nicht nur ihre zögerliche Haltung, sondern macht auch deutlich, wie tief Nachhaltigkeit besonders bei Fast Fashion die bisherigen Geschäftsmodelle infrage stellt“, meint Frederic Dittmar, Co-Autor der Studie. Warschun ergänzt: „Wir können schon von einer anstehenden Revolution sprechen: Herstellung aus Monofasern, Recycling, zeitloses Design, Reparaturdienste und Secondhand- und Mietservice werden die Wertschöpfungskette nachhaltig verändern. Wer hier jetzt viel wagt, wird langfristig gewinnen.“ (red)

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