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© Verein Leithaberger Edelkirsche

Die Leithaber Edelkirschen finden zurück ins Burgenland. Das Sortenspektrum umfasst mehr als 15 verschiedene Süßkirschensorten.

Redaktion 17.06.2016

Rettet die Vielfalt!

Slow Food setzt sich für die Rettung der dramatisch schwindenden Sorten- und Artenvielfalt in Österreich ein.

WIEN. „Slow Food ist kein Genießer-Verein”, hält Barbara van Melle (von Slow Food Wien) gestern, Donnerstag, vor versammelten Journalisten fest. „Wir sind eine eminent politische Organisation, die sich in alle aktuellen politischen Themen, die im Moment relevant sind, wie TTIP oder Glyphosat, einbringt und darauf reagiert.” Die Non-Profit-Organisation Slow Food setzt sich für die Rettung vom Aussterben bedrohter, österreichischer Getreidegattungen, Nutztierarten sowie Obst- und Gemüsesorten ein.

Notwendig sei dies nicht zuletzt dadurch, da in den vergangenen 100 Jahren weltweit etwa 75% der landwirtschaftlich genutzten Vielfalt verloren gegangen ist, so die ­Organisation.

Regionalität: wichtiges Kriterium

Innerhalb von Slow Food gibt es verschiedene Projekte, die die Einfalt bekämpfen, um so zu einer kulinarischen Vielfalt zu kommen. Zu den Projekten gehören u.a. die vor 20 Jahren gegründete Arche des Geschmacks, die Slow Food Chef Alliance und die Presidi (italienisch für Schutzräume). Erstere versteht sich als eine Art Katalog für traditionelle und vom Aussterben bedrohte Lebensmittel. Um ein Produkt in die Arche des Geschmacks aufzunehmen, muss es diverse Kriterien erfüllen. Das wichtigste ist die regionale Verankerung der Produktion und des Betriebs, außerdem muss es sich um ein nachhaltig und umweltschonend, aber vor allem handwerklich produziertes ­Lebensmittel handeln.

Stiegl Wildshut

Eine Kooperation, auf die man bei Slow Food besonders stolz zu sein scheint, ist die mit der Brauerei Stiegl, die in ihrem Wildshut, dem „ersten Biergut Österreichs”, auf die Sortenvielfalt achtet und bereits Sorten produziert, die in der Arche gelistet sind. Rund 30 km nördlich von Salzburg wird nach dem Motto „Vielfalt statt Einheitsbier” gebraut. „Mit unserem holistischen Ansatz der Kreislaufwirtschaft achten wir über die gesamte Wertschöpfungskette auf eine nachhaltige Entwicklung”, sagt Christoph Pöpperl, der anfangs skeptisch war, ob ein gutes Bier mit den gelisteten Sorten zustandekommen kann. Zudem würde man am Wildshut Biere aus Urgetreide wie das Wildshuter Sortenspiel herstellen, das auch von Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit vertragen wird. Gutsverwalter Franz Zehentner: „Wir wollen das Ziel verfolgen, dass wir in Zukunft noch mehr österreichische Sorten anbauen und noch mehr Getreidesorten anbauen.” Derzeit hat Stiegl bereits alte heimische Sorten wie die Alpine Pfauengerste zurück ins Leben geholt.

Kirschen finden zurück ins Bgld.

Neben den Getreidesorten sind auch das Waldviertler Blondvieh, eine alte robuste Rinderrasse keltischen Ursprungs, sowie das Waldstaudekorn, auch Johannisroggen genannt, auf der Arche des Geschmacks-Liste. Ebenso wie eine Edelkirschsorte aus dem Burgenland. Die Produzentin der Leithaber Edelkirsche, Rosemarie Strohmayer, hatte anfangs mit großen Herausforderungen zu kämpfen: „Es war sehr schwierig, Partner zu finden, die diese seltenen Kirschen bearbeiten, weil sich in unserer Region niemand mehr um die Kirsche gekümmert hat.” Priorität hätte damals wie heute der Weinbau gehabt. Mit der Arche hätte man gemeinsam acht Sorten gefunden, die nur im Burgenland wachsen, sonst nirgends in Österreich. Nach der Landwirtschaftsschulung in Eisenstadt wurden diese Sorten gesetzt – in jeder Ortschaft entstand ein Sortenerhaltungsgarten. Hochstammbäume erschweren das Pflücken. Die Ernte sei heuer aufgrund des Frosts auch sehr gering – statt den üblichen 500 bis 600 kg gibt es heuer nur 100 kg. „Man muss voll mit der Natur mitleben. Ich habe auch das Gefühl, dass mich die Natur geerdet hat”, sagt die ehemalige Getränkehändlerin, die mittlerweile sogar Leberpastete mit Kirschen herstellt. Auf die Frage, warum die Kirsche aus der burgenländischen Region verschwunden sind, antwortet Strohmayer: „Bis 1950/60 ist alles, was die Kirsche anbelangt, noch recht gut gegangen.” Doch danach wurde der Tenor der Regierung, man solle die Kirsche rund um den Neusiedlersee vergessen, immer lauter. „Der Weinbau wurde immer stärker gefördert”, und die großen Kirschbäume waren im Weg.

Über Slow Food

Slow Food wurde 1989 in Italien gegründet und umfasst heute ein weltweites Netzwerk von über einer Mio. Menschen, „die sich für faires, sauberes und gutes Essen einsetzen”. Darunter sind Bauern, Lebensmittelproduzenten, ­Köche sowie Aktivisten und Wissenschaftler aus mehr als 160 Ländern der Welt. (nn)

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