LEIPZIG. Der russische Diskonter Torgservis will auf den deutschen Lebensmittelmarkt. Mit niedrigen Preisen und spärlichem Design sollen Kunden erst in Leipzig und später in ganz Ostdeutschland angelockt werden. Daran sind aber schon andere ausländische Ketten gescheitert.
Der Blick in den ersten russischen Diskonter in Deutschland erinnert an die Anfänge dieser Branche: Auf den hellen Fliesen stehen unter Neonlicht Paletten mit Warenkartons, in den Hochregalen stapeln sich Konserven und Gläser mit Lebensmitteln. Morgen, Dienstag, soll die erste Torgservis-Filiale in Leipzig eröffnen - ausgerechnet in einer alten Aldi-Filiale am nördliche Rand der Messestadt. Erstmals versucht ein russischer Diskonter auf den deutschen Einzelhandel Fuß zu fassen.
Beim Blick durch die Fensterscheibe auf die knapp 1.000 Quadratmeter große Verkaufsfläche wird die puristische Einrichtung des Marktes deutlich. Hier werden Obst und Gemüse nicht unter schmeichelndem Licht angeboten. Der Kunde greift die Ware direkt von der Palette ab. Auch die Einkaufswagen sind gebraucht. Günstig soll es eben sein. Wir arbeiten nach dem Motto "Jeden Tag nur Tiefstpreise" heißt es auf der Internetseite der deutschen Tochter von Torgservis, TS-Markt. Lebensmittel machen demnach 70 Prozent des Sortiments aus. Der Rest ist Tierbedarf Haushaltswaren, Drogerieartikel und Bekleidung.
Das 2009 gegründete Unternehmen, das nach eigene Angaben in Osteuropa und Asien 928 Filialen betreibt, gibt sich sehr diskret. Auf Nachfrage werden keine Angaben zur Strategie und den Ausbauplänen gemacht. Der Eigentümer "mag keine übermäßige Werbung", heißt es kurz und knapp.
In russischen Medien wird seit Wochen über die Erfolgsaussichten spekuliert. "Im Gegensatz zu Russland muss das Unternehmen in Deutschland die hohen Standards des Lebensmittelgesetzes und die Anforderungen an die Lebensmittelqualität erfüllen, gleichzeitig aber Produkte zu erschwinglichen Preisen verkaufen", heißt es in Berichten. "In Russland wird Torgservis als starker Diskonter bezeichnet, der in der Lage ist, auch mit mächtigen Handelsketten zu konkurrieren."
Auf der Homepage macht die deutsche Tochter TS-Markt deutlich, dass zum Ausbau des Filialnetzes weitere Standorte gesucht werden. Vornehmlich in Ostdeutschland, in Ortslage oder in der Nähe von Industriegebieten mit guter Anbindung und behindertengerechtem Zugang, heißt es. Die Böden sollen eben, flach, staubdicht, waschbar, und belastbar bis zu drei Tonnen pro Quadratmeter sein.
Für den Marketingexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf ist es kein Zufall, dass die erste Filiale des russischen Diskonters in Ostdeutschland eröffnet. "Ich glaube, dass es eine Kundschaft in manchen Regionen Deutschland für einen solchen Diskonter gibt." Die Kaufkraft sei in Ostdeutschland teils geringer und es gebe mehr günstige Flächen als im Süden oder Westen Deutschlands. Auch über die wenig anmutende Ausstattung werde der Kunde hinwegsehen, wenn die Preise günstiger sind, ist Fasnacht überzeugt.
"Das Konzept wird aber nicht erfolgreich sein, weil es sich wirtschaftlich nicht rechnet", betonte Fassnacht. Um als Diskonter in dieser Branche erfolgreich zu sein, brauche man Masse, viele Filialen und eine große Nachfrage, um auch mit den Herstellern über niedrige Preise zu verhandeln. "Selbst 100 Filialen reichen nicht aus, um erfolgreich sein zu können."
Es ist nicht der erste Anlauf eines ausländischen Einzelhändlers den anspruchsvollen deutschen Markt zu erobern. Nicht nur der US-Konzern Wal-Mart hat bei dem Versuch in Deutschland ein Debakel erlebt. Auch die französische Intermarche-Gruppe zog 2006 einen Schlussstrich unter ihr verlustreiches Deutschland-Engagement und verkaufte die Handelskette Spar an Edeka.
Ob es einen ausreichenden Markt für Ultra-Billig-Angebote in Deutschland gibt, ist durchaus zweifelhaft. Real ist jedenfalls mit dem Versuch gescheitert, eine Billigmarke "Ohne Schnickschnack. Ohne teuer" einzuführen, deren erklärtes Ziel es war, die etablierten Diskonter preislich zu unterbieten. Das Unternehmen hatte damals argumentiert, die Diskonter hätten ihre Qualität immer weiter nach oben geschraubt, so dass darunter wieder Raum sei. Doch funktioniert hat es offenbar nicht. Im vergangenen Jahr wurde das Projekt still und leise eingestellt.
Ob es nun dem russischen Diskonter Torgservis gelingt, bleibt abzuwarten. "Ich gehe davon aus, dass Aldi und Lidl den Start beobachten", sagt Matthias Queck von Retailytics, der Analystengruppe der "Lebensmittel Zeitung". Die Branchenriesen könnten akzeptieren, wenn der Konkurrent günstiger bei geringerer Qualität wäre. "Wird aber jemand günstiger bei vergleichbarer Qualität, werden die Marktführer vehement zurückschlagen", ist Queck überzeugt.
Zum Start sucht das russische Unternehmen noch Mitarbeiter für seine Leipziger Filiale. So hängt an der Fensterfront ein Zettel auf dem Verkäufer/innen für die Kasse sowie die Regalpflege und das Einräumen der Ware gesucht werden. Gleichzeitig wird auf der Homepage des Unternehmens ein Leiter für eine weitere Filiale in Zwickau gesucht. Das Unternehmen beantwortet entsprechende Anfragen aber nicht. (APA)
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