••• Von Georg Sohler
Heutzutage wollen alle alles, Dumpingangebote locken und Non-Food-Diskonter schießen wie Schwammerl aus dem Boden. Die Pendants dazu im Online-Bereich heißen Shein, Temu und Co. Während Shein auf Fashion und Accessoires setzt, gibt es bei Temu so gut wie alles. Es handelt sich um einen Online-Marktplatz ohne eigenes Warenlager, einen reinen Vermittler von Waren. Das Unternehmen verfolgt dabei einen sehr offensiven Wachstumskurs und lockt mit Billigstangeboten – mit Erfolg: Den chinesischen Anbieter kennt die Hälfte der Österreicher. Temu setzt dabei vor allem auf bezahlte Werbung im Online- und Social-Media-Bereich.
Gegründet wurde das Unternehmen erst 2022 in den USA, eigentlich, um chinesische Produkte in die Vereinigten Staaten einführen zu können. Der Online-Marktplatz mit starken Gamification-Elementen ist eine Tochter der PDD Holdings mit Sitz in Shanghai. Dahinter steht Pinduoduo, eine E-Commerce-Plattform für Gruppeneinkäufe, die wiederum 2015 von Colin Huang gegründet wurde. Er gehört zu den reichsten Menschen der Welt und seine Vorarbeit bei PDD ermöglicht den Wachstumskurs von Temu.
Aggressives Wachstum
Laut einer jüngst veröffentlichten ZDF-Dokumentation lässt sich Temu das Marketing zwei Mrd. USD kosten, das Geld dafür komme eben von PDD und führt somit zu ungleichen Verhältnissen im E-Commerce. Für das Mutterunternehmen ist das eine leichte Übung: Im dritten Quartal 2023 belief sich der Umsatz auf über 9,5 Mrd. USD , der Börsenwert liegt bei weit über 100 Mrd. USD. Der Umsatz von Temu soll 2023 16 Mrd. USD betragen haben.
Dieser aggressive Kurs stößt heimischen Händlern logischerweise sauer auf. Besonders brisant ist, dass Temu ein Schlupfloch im EU-Recht ausnutzt: Sendungen mit einem Sachwert von 150 € sind zollfrei. Der Handelsverband warf Temu und Co. jüngst unter anderem Probleme mit Produktsicherheit, Produktfälschungen sowie Falschdeklarationen vor. Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will formulierte durchaus drastisch: „Plattformen wie AliExpress, Temu oder der Ultra-Fast-Fashion-Anbieter Shein ziehen eine Müllstraße quer über den Planeten bis nach Österreich; ihr Geschäftsmodell hat fatale Auswirkungen auf die Umwelt. Datenschutzvorgaben werden häufig ignoriert, vielfach Fake-Produkte verkauft” (siehe Bericht am 15.12.2023). Auf diese Aussagen hin meldete sich Temu bei medianet und äußerte sich zu einigen der Vorwürfe. Doch profitieren nicht zumindest die Konsumenten von Temu?
Gefälschte Luxusmarken
Kurz: Nein. Denn diese müssten genau aufpassen, erklärt auf Anfrage Anita Eckmaier vom Konsumentenschutz in der Arbeiterkammer Oberösterreich. „Konsumenten bekommen hier keine qualitativ hochwertige Ware. Es handelt sich um billige China-Produkte, es sind billige Fälschungen von Luxusmarken zu finden”, so die Expertin, die ausführt, dass den Konsumenten hohe Strafen drohen, wenn sie Fälschungen einführen.
Rücksendungen können, so die Konsumentenschützerin, teuer werden, da die Ware nach Asien zurückgeschickt werden muss: „Die Rücksendekosten übersteigen oft den Warenwert. Rechte von Konsumenten sind in Drittländern wie China faktisch nicht durchsetzbar. Es gibt keine Garantie, dass Temu danach das Geld auch wirklich erstattet.” Es bestehe der Verdacht des Datenhandels; weiters betreibe die App aggressive Werbung mit Push-Benachrichtigungen und Countdowns, die zu weiteren Einkäufen verleiten sollen.
Thema Datenschutz
Das Unternehmen wehrt sich gegen einige Kritikpunkte. Gegenüber medianet lässt man wissen: „Bei Temu legen wir großen Wert auf den Schutz der Privatsphäre und die Transparenz unserer Datenpraktiken.” Die Datenerfassung habe demzufolge „den Zweck der Bereitstellung und kontinuierlichen Verbesserung der Produkte und Dienstleistungen für die Nutzer in Übereinstimmung mit den üblichen Branchenpraktiken”. Temu sammle Informationen ausschließlich zum Zweck der „Verbesserung seiner E-Commerce-Dienstleistungen für die Nutzer”.
Man sei bemüht, das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen: „Im November 2023 hat Temu die Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) eingeführt und ein Bug-Bounty-Programm auf HackerOne gestartet, das dazu beitragen wird, dass die Nutzer weiterhin sicher einkaufen können.” Somit unterscheide man sich nicht vom Wettbewerb wie Amazon oder Etsy, sammle zudem weniger Nutzerdaten als Amazon und verlange auch keine Systemberechtigung für den Zugriff auf Fotos, Kontakte oder Standort. Kundeninformationen würden nicht verkauft werden, und die Zahlungsdaten nicht weitergegeben.
Letztlich verweist man im Punkt Datenschutz auf die App-Stores von Apple und Google, die „strenge Maßnahmen anwenden, um die Integrität der App und die Sicherheit der Nutzer zu gewährleisten”. Doch wie sieht es mit weiteren Vorwürfen aus, wie etwa die Einhaltung der hier geltenden Rechtslage oder beim so wichtigen Thema Nachhaltigkeit?
Und die Standards?
Temu verpflichtet sich laut eigenen Angaben zur Einhaltung der Gesetze und Vorschriften aller Länder und Regionen, in denen man tätig ist: „Als Marktplatzbetreiber erwarten wir von den Händlern auf unserer Plattform, dass sie alle relevanten Gesetze und Vorschriften strikt einhalten.”
Seit das Unternehmen in der EU tätig ist, „verfeinert” Temu die Qualitätskontrolle und will gemeinsam mit den Händlern sicherstellen, dass alle Anforderungen eingehalten werden. „Wir schätzen und begrüßen Feedback und Aufsicht aus allen Bereichen der Gesellschaft aufrichtig und sind davon überzeugt, dass dies für unser Wachstum und unsere Weiterentwicklung von entscheidender Bedeutung ist”, so Temu. Darüber hinaus betont man, dass man ja noch sehr jung sei.
Temu sei letztlich erst „am Anfang unserer Nachhaltigkeitsreise”, achte darauf, die Transportwege gering zu halten und hat in „Zusammenarbeit mit ‚Trees for the Future' bereits über drei Millionen Bäume in ganz Afrika gepflanzt”. Zu weiteren Punkten will man sich nicht äußern.
Vorteil der EU-Regelungen
Die Zukunft wird weisen, ob Temu diese Ziele und Vorhaben erfüllen kann, will und wird. Handel und Konsumenten haben letztlich einiges davon, regional zu shoppen, wie Eckmaier abschließend festhält: „Waren in der EU müssen strenge Sicherheitsmerkmale erfüllen, es gilt die DSGVO, es gibt umfassende Regelungen zur Datenverarbeitung, zum Datenschutz und zu Auskunftsrechten von Konsumenten – es gelten strenge verbraucherrechtliche Vorschriften, die auch durchgesetzt werden können.”