••• Von Christian Novacek
Der österreichische Handel ist in der Krise. Das sagen zurzeit so ziemlich alle: „Von einer Rückkehr zum Konsumverhalten wie vor Corona 2019 kann aufgrund der veränderten Kaufgewohnheiten hin zu Dienstleistungen sowie angesichts einer schmelzenden Kaufkraft keine Rede sein”, ist beispielsweise Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, überzeugt.
Branchensprecher-„Kollege” Rainer Trefelik von der Bundessparte Handel/WKÖ hatte auf der letzten Pressekonferenz zur Lage des Handels ebenfalls die Alarmglocken mit dabei und folgerte trocken: „Wir haben eine herausfordernde Situation.”
Mit 709.000 Beschäftigten ist der Handel laut Statistik Aus-tria der größte Arbeitgeber des Landes (93.200 Unternehmen), die Haushaltsausgaben im Einzelhandel belaufen sich auf 78,8 Mrd. €. Rückläufige Umsätze und explodierende Kosten sorgen für gehörig Druck in der Branche. Das Kaufverhalten ändert sich und ordnet sich neu.
Auf welche Handelssparten und Produktgruppen sich die Privatausgaben im stationären Einzelhandel sowie im Onlinehandel 2022 verteilt haben und welche Auswirkungen die Teuerung sowie die Energiekrise auf das Konsumverhalten haben – das hat nun die Studie „Österreichs Handel in Zahlen” vom Beraternetzwerk Kreutzer Fischer & Partner für den Handelsverband unter die Lupe genommen. Darüber hinaus inkludiert der Report eine erste Jahresprognose für das Gesamtjahr 2023.
Branchenunterschiede
Und diese Prognose für das Handelsjahr 2023 dünkt unerquicklich (siehe Grafik Folgeseite, re. unten). Zwar dürfte der LEH mit einem realen Minus von 2,6% mit einem blauen Auge davonkommen, Bereiche wie Haus und Garten oder Elektroartikel trifft es aber wuchtig, mit je –11,5 und –11,2%.
Will resümiert: „Insgesamt schrumpft die Nachfrage im Einzelhandel heuer signifikant um 3,9 Prozent. In manchen Handelssparten geht die Prognose sogar von einem inflationsbereinigten Rückgang von mehr als zehn Prozent aus. Auch der E-Commerce wird 2023 erneut deutlich verlieren, wir erwarten ein Minus von 9,3 Prozent.”
Ausgaben neu geordnet
Allerdings ist es nicht nur so, dass die lädierte Kaufkraft die Umsätze ins Wanken bringt. Es gibt schlichtweg auch Verschiebungen der Ausgaben – nämlich weg vom Handel hin zu Urlaub und Freizeit. Die Ausnahme (zumal eng mit dem Begriff Freizeit verwachsen) stellt hier der Sportartikelhandel dar; der konnte 2022 die Verluste von 2020 und 2021 aufholen bzw. mit einem Wachstum von +34% sogar das Vorkrisenniveau übertreffen.
„Hauptverantwortlich dafür ist der wieder angesprungene Tourismus. Das zeigt ein Blick auf die Details. So ist der Verleih von Sportgeräten mit +89 Prozent am weitaus stärksten gewachsen. Auch hier zeigt sich der Trend weg vom Warenkauf hin zu Dienstleistungen”, erklärt Studienautor Andreas Kreutzer, Geschäftsführer von Kreutzer Fischer & Partner. Laut aktuellen Daten sind die Ausgaben für Urlaub und Freizeit im Jahr 2022 um 45,5% gewachsen. Die Prolongierung für 2023 ist gewiss – Kreutzer rechnet mit einem weiteren Wachstum um 23%.
Es ist aber nicht in erster Linie die freiwillige Umschichtung der Prioritäten bei den Konsumenten, die an den Handelsumsätzen nagt; einige Präferenzen stellen sich zwangsläufig ein. „Die Wohnkosten, die bereits im Vorjahr um 16 Prozent gestiegen sind, legen heuer noch einmal um mehr als neun Prozent zu. Allein in diesem Bereich sind die Ausgaben der Österreicher somit innerhalb von zwei Jahren um sechs Milliarden Euro gestiegen”, bringt es Kreutzer auf den Punkt.
Die Herausforderungen, mit denen der Handel konfrontiert ist, sind existenziell: 27% der Händler haben noch immer nicht alle Corona-Entschädigungen in voller Höhe erhalten; fünf Prozent sind von Rückforderungen der COFAG betroffen, 51% kämpfen mit Personalmangel.
Negative Konsumstimmung
„Die allgemeine wirtschaftliche Lage ist zurzeit herausfordernd, und der Handel ist besonders stark von der negativen Kon-sumstimmung betroffen. Jeder zweite Handelsbetrieb kann sich in dieser schwierigen Marktlage keine verstärkten Investitionen in Digitalisierung, Ladenbau, Klimaschutz oder Marketing leisten, obwohl diese als notwendig erachtet werden”, bringt auch Harald Gutschi, Chef der Versandhandelsgruppe Unito, das Dilemma zur Sprache.
Die Ungerechtigkeit dazu: „Man sieht, dass unsere Händler ihren Beitrag geleistet haben, um den Preisauftrieb der Inflation für jede Geldbörse abzufedern – auch auf Kosten der eigenen Marge. Die Zahl der Insolvenzen ist im ersten Halbjahr bereits um zehn Prozent gestiegen, die Schließungen nehmen ebenso breitflächig zu”, so Will.