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© Foto Weinwurm

WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik

Redaktion 30.08.2024

Volle Einkaufsstraßen, aber der Schein trügt

WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik bilanziert das erste Handels-Halbjahr nüchtern: Die Erholung bleibt aus.

••• Von Christian Novacek

Während sich die Rahmenbedingungen zumindest anhand der aktuellen Inflationsrate in Richtung Aufschwung zu strecken scheinen und auch in der Wiener Kärntner Straße die Handelswelt wuselig lebendig dünkt – es trügt der Schein: „Schauen Sie, wie viele davon ein Sackerl tragen, die Sackerldichte ist nicht hoch. In den Geschäften selbst ist deutlich weniger los als auf der Straße“, kommentiert das entsprechend Handelsobmann Rainer Trefelik. Die Bilanz nach dem ersten Halbjahr sehe nicht gut aus, die erhoffte Erholung sei nicht eingetreten.

Schleppende Erholung
Der Einzelhandel verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 ein reales Umsatzminus von durchschnittlich 0,8%. Im Großhandel betrug der Rückgang sogar 3,8%, wohingegen der Kfz-Handel reale Zuwächse von 3,1% erzielte. Hohe reale Umsatzeinbußen gab es vor allem für den Möbelhandel mit –12,7%. Auch der Buchhandel (–9,5%) und der Schuhhandel (–9,2%) kommen nicht wirklich in die Gänge.

Leicht positiv lief es indes im Lebensmittelhandel mit einem kleinen Plus von +0,9%. Am besten performte der Bekleidungshandel mit einem Zuwachs von +1,7%. Die Trendumkehr im zweiten Halbjahr zeichnet sich bis dato nicht ab. „Mitte August muss man sagen: Das wird sich heuer nicht mehr ganz ausgehen“, sieht Trefelik das dann doch recht nüchtern. Der Europa-Vergleich untermalt das; hier liegt Österreich im Handelszuwachs (Deflationierter Umsatzindex EU 27) auf dem schwachen 21. Platz, übrigens einen Rang hinter Deutschland.

„Die abgesetzte Menge wird bei einem Auftrieb der Kosten weniger. Da wird es betriebswirtschaftlich eng“, schätzt auch Handelsforscher Peter Voithofer die Situation mit Blick auf die sich häufenden Pleiten in der Branche kritisch ein.
Die schwache Wirtschaftslage schlägt sich auch am Arbeitsmarkt nieder. Im Handel ist die Zahl der Beschäftigten rückläufig mit –0,6% (Datenbasis: amis Arbeitsmarktinformationssystem). Von allen Handelsbranchen gab es heuer im ersten Halbjahr nur im Drogeriehandel einen leichten Zuwachs der Beschäftigten (+1,2%). Allein der Möbelhandel hat im ersten Halbjahr rund zehn Prozent seiner Mitarbeiter eingebüßt. „Wenn es keine Baukonjunktur gibt, wird nicht eingerichtet, es wird nicht renoviert“, erklärt Trefelik.

Die gebremste Konsumstimmung bekommt heute nicht nur der stationäre Handel zu spüren – sogar der Onlinehandel, dem zuletzt gerne Zuwächse zugesprochen wurden, ächzt. Leise, allerdings: Im E-Commerce gingen die Erlöse um 0,9% zurück, die Beschäftigtenzahl verringerte sich um 6,7%.
Trotz gesunkener Inflation herrscht statt der Kauf- mehr die Sparlaune. Die hohen Gehaltsabschlüsse der letzten Jahre seien somit nur zu einem Drittel in den Handel geflossen, der Rest wird gespart oder anderweitig ausgegeben, so Trefelik.
Im Hinblick auf die Herbstlohnrunde sieht der Handelsvertreter als Chefverhandler der Arbeitgeber eine „große Herausforderung“ auf die Betriebe zukommen. In den vergangenen drei Jahren hätten sie KV-Erhöhungen von über 20% stemmen müssen. „Uns rennen die Kosten auf allen Ebenen davon“, sagt Trefelik. Einfacher als vergangenes Jahr werde es trotz sinkender Inflation somit nicht.

Unflexibler Ladenschluss
Eine Maßnahme zur Belebung von Konsum und Handel wäre etwa die Senkung der Lohnnebenkosten. Aber auch das Thema Öffnungszeiten gerät wieder in den Fokus: „Über nichts wird so ideologisch, unehrlich und verlogen diskutiert wie über das. Wenn wir langfristig nach vorne schauen wollen, werden wir Veränderung ermöglichen müssen. Die Debatte wird unglaublich mühsam werden und unglaublich viele Watschen bringen, aber wir werden sie führen müssen“, sagte der Handelsobmann. Längere Öffnungszeiten am Abend und an Samstagen sowie das Offenhalten an (einigen) Sonntagen im Jahr stehen auf der Wunschliste.

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