WIEN. Der Retail von morgen ist der e-tail von heute. Für manche mag die Botschaft überraschend klingen, aber die Digitalisierung geht im Handel nicht nur einseitig in Richtung eCommerce und Künstlicher Intelligenz (KI). Vielmehr geht die Entwicklung zurück zu den Anfängen – zum Menschen selbst. Und bringt ein neues bzw. altes Konzept mit sich: Human Retail.
Künstliche Intelligenz
Der Mensch ist an hyperpersonalisierte Angebote im Netz gewöhnt, besonders die Generation der Millennials, die damit aufgewachsen sind. Aber wer nur digitale Innovationen im Blick hat, läuft Gefahr, die Gesamtstrategie aus den Augen zu verlieren, denn am Ende sollen die Menschen erreicht werden.
Und da kommt Human Retail ins Spiel. Der Begriff beschreibt den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Online-Handel und läutet damit die zweite Phase der Digitalisierung ein. Selbstlernende Maschinen und Prozesse werden auch bei Otto bereits eingesetzt: KI-Lösungen sollen bis zu zehn Wochen im Voraus - angeblich mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% - vorhersagen können, wie oft ein bestimmtes Kleidungsstück in einer bestimmten Kalenderwoche bestellt werden wird.
Nicht nur beim Kunden, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette verspricht man sich viel. Im retail report 2018, herausgegeben vom Zukunftsinstitut, werden drei Szenarien skizziert: In der Logistik kann eine KI-Prognose bei der Transport-Planung helfen, die Daten können in der Preisgestaltung herangezogen werden (Dynamic Pricing), die sich je nach Warenverfügbarkeit bzw. Kaufkraft ändert. Zudem sollen Kaufempfehlungen durch den Einsatz von KI noch treffsicherer sein.
Altbacken: Algorithmen
Die Digitalisierung ist also wider alle Prophezeiungen und Einschätzungen nicht das einzig große Heilsversprechen im Handel. Die Grenzen des Machbaren wurden da schon ausgekostet, um den Kunden so nah wie möglich zu sein – unter anderem mit Algorithmen, die von den Online-Händlern eingesetzt werden und aufgrund der Suchverläufe und Eingaben potenziell interessante Produktvorschläge generieren, um damit eine Art Verkaufsberatung zu imitieren. Wiederum andere versuchen, sich durch breites Omni-Channeling möglichst breit aufzustellen.
Der Versandhändler Otto zum Beispiel erreichte seine Kunden früher über telefonbuchdicke Kataloge, heute ist er ein Online-Gigant mit jährlich rd. 80 Mio. Visits in 21 Onlineshops. „Fünfzig Prozent der Onlineshopper kommen bereits aus dem Mobile- und Tabletbereich”, äußerte sich Harald Gutschi, zuständig für Marketing und Vertrieb, im März 2017 (medianet-Ausgabe vom 4. April) über die Bilanzen der Otto Group. (red)