••• Von Christian Novacek
Versandhändler gehören einer boomenden Spezies an – in Österreich ist die Unito Gruppe mit Otto, Universal und Quelle so etwas wie der Schrittmacher der Branche. Harald Gutschi, Geschäftsführer der Unito-Gruppe, erklärt den Ansatz eines Marktführers, der Kundenbegeisterung auch abseits der Verkaufspreise zu definieren mag.
medianet: Laut WKO hatten die Onlinehändler in Österreich 2017 ein Plus von sechs Prozent – wo liegt Unito?
Harald Gutschi: Unito liegt deutlich über der sechs Prozent Online-Marktsteigerung – wir wachsen sehr deutlich zweistellig und zwei bis drei Mal stärker als der Markt. Gründe sind: Ein Sortimentsausbau mit monatlich zusätzlich 30.000 Online-Artikeln, hohe Investitionen in Technologie, verstärkte Kundenorientierung mit aggressiven Preisen, schnellere Lieferung, starker Emotionsbezug. Wir begeistern unsere Kunden – menschlich und technologisch, und das kommt über vermehrte Umsätze zurück; das unglaubliche Mobilewachstum mit +70 Prozent zum Vorjahr hilft dabei.
medianet: Betrachtet man die Onlineumsätze in Österreich generell, führt kein Weg an Amazon vorbei. Was kann Unito besser als Amazon?
Gutschi: Amazon ist eine unglaublich gute und starke ‚Maschine' und wird bald der größte Händler der Welt sein. Amazon ist aber nicht österreichisch, macht alles von Deutschland aus. Viele Kunden stört es, dass die größten Internet-Konzerne der Welt über Steuerschlupflöcher keine oder kaum Steuern zahlen, nicht immer nachhaltig agieren und wirtschaftlichen Erfolg vor soziale Verantwortung stellen. Das schafft Raum für Marktnischen und Lücken und eine durchaus große Online-Welt neben Amazon. Die Unito-Marken Otto, Universal und Quelle sind in Österreich aber ganz stark, und wir sind in Summe ganz klar der zweitgrößte Online-Händler nach Amazon. Wir sind ein österreichisches Unternehmen, zahlen Steuern in Österreich, haben hier 650 Mitarbeiter und agieren sehr nachhaltig und sozial verantwortungsvoll.
medianet: Wie unterscheidet sich Unito in der Zielgruppenansprache zum Mitbewerb?
Gutschi: Unsere Marken fokussieren auf ‚female-commerce', die Frau und ihre Familie, wir verkaufen fast nur auf offene Rechnung, bieten unseren Kunden 5.000 Marken online. Die persönliche Kundenbetreuung ist auch ein wertvolles Asset. In Summe hat Unito vier Millionen Kunden in Österreich, der Schweiz und Osteuropa. Sichtlich finden diese Kunden bei Unito ausreichend differenzierte Merkmale zu Amazon, sonst würden sie nicht mit diesen hohen zweistelligen Zuwachsraten bei uns kaufen.
medianet: Viele große Onlinehändler haben Strategien für den stationären Einzelhandel entwickelt – gibt es so eine Strategie bei Unito?
Gutschi: Nein, wir haben keine Stationär-Vision. Ich bin froh, dass wir nicht die Probleme der Stationärhändler haben und ich mir darüber nicht den Kopf zerbrechen muss. Es ist viel schöner darüber nachzudenken, wie wir weiter wachsen können und bereits im nächsten Geschäftsjahr 2019 500 Mio. Euro Umsatz realisieren können. Für einen breiten Anbieter wie Unito eignet sich der Stationärhandel nicht wirklich als Vertriebskanal.
medianet: Welche neuen Märkte bergen die größten Wachstumschancen?
Gutschi: Aktuell wachsen wir in allen Märkten (AT, CH, CEE) sehr stark zweistellig. Wir fokussieren auf weiteres Wachstum in diesen Märkten, wollen aber ab 2019/2020 weitere Märkte im Adria-Raum (Italien, Slowenien, Kroatien, etc.) bearbeiten. Unser Umsatzanteil in Osteuropa ist (noch) gering, hier sehen wir hohes Wachstumspotenzial.
medianet: Welchen Anteil am Umsatz haben Aktionsartikel? Ist dieser Anteil ausbaufähig?
Gutschi: Was versteht man unter Aktionsartikel? Unsere Kunden suchen dauerhaft günstige Sortimente und nicht kurzfristig reduzierte Artikel. Deshalb ist das klassische Aktionsgeschäft keine wirkliche Alternative für uns. Wir setzen auf dauerhaft gute und reduzierte Artikel. Artikel vorher zu Mondpreisen anbieten und dann stark im Preis zu reduzieren, ist nicht unser Kundenverständnis. Dafür sind uns unsere Kunden zu wertvoll.
medianet: Inwieweit ist die Preisführerschaft für Unito wichtig? Gilt Amazon als preisliche Messlatte?
Gutschi: Preislich orientieren wir uns natürlich auch an Amazon, da Amazon bei gewissen Produktgruppen bis zu 50 Prozent Online-Marktanteil hat. Bei Technikprodukten sind die Preisvergleichsportale sehr wichtig. Neben sehr guten Preisen (es muss nicht immer der günstigste sein) bieten wir ein Rundum-Sorglos-Paket. Breite Auswahl, sehr gute Preise, aber auch tolle Serviceleistungen. So liefern wir ausgewählte Technikprodukte am nächsten Tag ohne Aufpreis in ganz Österreich aus. Wir bieten ein Mitnahmeservice für alte Produkte, montieren Möbel, bieten Zwischenfinanzierungen, stellen verlässlich und mit Terminvereinbarung zu Hause zu. In wenigen Minuten finde ich online mein passenden Produkt, organisiere mir alle Services und löse mein Kundenproblem bei Bedarfsartikeln wie Weiße Ware. Wer bei diesen Low-Involvement-Artikeln wie Waschmaschinen stationär einkauft, ist von vorgestern und den hat die Digitalisierung noch nicht erreicht. Außer Gewohnheit gibt es keinen Grund, diese Produkte stationär einzukaufen.
medianet: Wie ist das vergleichsweise im Textilbereich?
Gutschi: Bei emotionalen Produkten wie Textilien setzten wir auf Image und Sortiment. Wir bieten ein One-Stop-Shopping-Erlebnis, bei uns können Sie aus 1.000en von Textil-Marken wählen, erhalten Inspiration und Shopping-Ideen und natürlich auch gute Preise. Der Preis muss gut sein, steht hier aber nicht so im Mittelpunkt wie bei Technikprodukten.
medianet: Wie hoch ist der Anteil an Eigenmarken am Umsatz?
Gutschi: Unser Eigenmarkenanteil ist von Sortiment zu Sortiment unterschiedlich. Am höchsten ist dieser bei Möbeln mit 80 Prozent, bei Textilien ist er deutlich niedriger (die stärkste Eigenmarke ist Lascana) und am geringsten ist er bei Technikprodukten; hier haben wir mit Privileg aber einen ‚Mercedes zu Volkswagen-Preisen' im Stall. Mehr als eine Million AUT-Kunden vertrauen auf Privileg.
medianet: Wie viel investiert Unito in Shoppingtechnologien, und wie wird der Kunde das letztendlich wahrnehmen?
Gutschi: Unito investiert mehr als fünf Prozent des Umsatzes in Technologie. Gerade haben wir die 400 Mio. Euro-Umsatzgrenze übersprungen. Alle Online- und Mobileshops sind seit 2017 völlig neu. Technologie ist eine conditio sine qua non für einen Online-Händler.
medianet: Geht der Trend im Onlinehandel aus Ihrer Sicht zum Generalisten?
Gutschi: Ja, die Tendenz geht zu Generalisten oder sehr klar positionierten Spezialisten. Wir beschäftigen uns mit dem Megatrend ‚Mieten-statt-kaufen' mit ‚Otto Now' und wollen damit im zweiten Quartal 2018 starten. Ansonsten haben wir alle Hände voll zu tun, unser Wachstum und die hohe Kundennachfrage sehr gut abzuwickeln – ein echtes Luxusproblem, aber auch Wachstum muss organisiert werden. Insofern dürfen wir aufgrund unseres Wachstumskurses nicht zu viele neue Dinge gleichzeitig machen. Wir begeistern Kunden und setzen Maßstäbe, damit sind wir vollauf zufrieden.