WIEN. Kompensieren ließe sich dieser Rückgang durch
die Rettung und Weitergabe großer Mengen direkt aus der Landwirtschaft. Doch dafür braucht es Unterstützung der öffentlichen Hand. Die Wiener Tafel fordert die Bundesregierung auf, eine Win-win-Situation für den Agrarbereich und armutsgefährdete Menschen zu ermöglichen.
Wien, 20. Jänner 2023 – Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise, Teuerung: Immer mehr Menschen in Österreich können sich selbst Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten und suchen
Hilfe bei Tafeln und Sozialmärkten. Der Bedarf an Unterstützung mit Lebensmitteln ist im letzten Jahr allein bei den Tafeln um fast ein Drittel gestiegen – doch die Warenspenden haben nicht im gleichen Ausmaß zugelegt.
Vor allem Lebensmittelspenden aus (Groß-)Handel und Produktion nehmen deutlich ab. So konnte die Wiener Tafel noch 2021 rund 110 Tonnen (von insgesamt 746 Tonnen) an geretteten Lebensmitteln aus dem Handel an Sozialeinrichtungen weitergeben. Im vergangenen Jahr
konnte zwar die Gesamtmenge in einem kollektiven Kraftakt auf 900 Tonnen gesteigert werden (ein Plus von ca. 20 %, das die um über 30 % gestiegene Nachfrage nicht abdecken konnte).
Aber: Nur rund 60 Tonnen davon stammten aus dem Handel – das entspricht im Jahresvergleich einem Rückgang von gut 45 Prozent.
Alexandra Gruber, Geschäftsführerin der Wiener Tafel: „Fakt ist: Seit unserem Beginn im Jahr 1999 arbeiten wir als Partner der ersten Stunde gut mit dem Handel zusammen – immer auf der Suche nach nachhaltigen Lösungen, die Win-win-Situationen zwischen Wirtschaft und Sozialbereich schaffen. Fakt ist aber auch, dass immer weniger Warenspenden aus dem Handel bei uns ankommen. Eine Lücke, die wir füllen müssen – denn angesichts der enormen Teuerung sind armutsbetroffene Menschen mehr denn je auf Lebensmittelspenden angewiesen. Es ist ein sozial-ethisches Gebot, gerade in Zeiten wie diesen zu schauen, dass überschüssige Lebensmittel dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Die Inflation ist ein
gesamtgesellschaftliches Problem, für das wir eine gemeinsame Lösung brauchen.“
Mehr Player sorgen nicht für mehr gerettete Lebensmittel
Ein Grund für den Abwärtstrend an Spenden aus dem Handel, den auch andere Tafeln und Sozialmärkte bestätigen, dürften App-Lösungen und Eigeninitiativen von Handelsketten sein,
wie auch die jüngste Reportage des ORF-Formats Am Schauplatz (vom 19.01.2023) nahelegt. „Grundsätzlich begrüßen wir jede Maßnahme, die zur Vermeidung von
Lebensmittelverschwendung und zur Bewusstseinsbildung beiträgt. Unsere Mission ist jedoch keine unterhaltsame Food-Challenge – als gemeinnützigem Verein geht es uns darum,
Lebensmittel zu retten und gemeinsam Armut zu bekämpfen. Marketing-Aktionen wie ,Überraschungs-Sackerl’ im Handel erhöhen die Menge an geretteten Lebensmitteln jedoch
nicht. Vielmehr enthalten sie Produkte, die zuvor an Tafeln und Sozialmärkte abgegeben wurden – und die Konsument:innen teils auch wegwerfen, weil sie die ,Überraschung’ gar nicht haben möchten“, so Gruber. (red)
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