••• Von Daniela Prugger
WIEN. Möglichst viele Arbeitsplätze erhalten – vor allem darum geht es nun in der aktuellen Zielpunktpleite. Die Zukunft der 69 Zielpunkt-Lehrlinge zumindest scheint gesichert: Sie können ihre Ausbildung bei anderen Lebensmittelhändlern fortsetzen. Die Zielpunkt-Filialen selber sollen noch bis Mitte Jänner geöffnet haben. Sowohl der Masseverwalter Georg Freimüller als auch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bemühen sich, dass so viele Filialen wie möglich einen neuen Betreiber finden. Würde etwa eine Schuhhandels- oder Drogeriekette einen Standort übernehmen wollen, wäre das auch kein Problem, so Theodor Thanner, Chef der BWB.
Doch dass es auch unter den wenigen Mitbewerbern im Lebensmittelhandel Interessenten gibt, ist ein offenes Geheimnis. „Wir sind an attraktiven Standorten immer interessiert und würden das im Falle, dass es uns angeboten wird, prüfen; die Entscheidung dafür liegt aber nicht bei uns”, erklärt etwa Rewe-Sprecherin Lucia Urban. Man sei auch bereit, eine Lösung einzubringen, „die dazu dient, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten”. Mehr könne und wolle man dazu nicht sagen.
Änderung gefordert
Einfach würde sich eine Standortübernahme vonseiten Rewe oder Spar aus kartellrechtlicher Sicht derzeit nicht gestalten: „Wir als Bundeswettbewerbsbehörde schützen den Wettbewerb. Je konzentrierter der Markt, desto weniger Wettbewerb gibt es und desto schlechter ist das für die Gesellschaft. Wenn die Marktkonzentration steigt, dann steigen auch die Preise, der Konsument hat weniger Entscheidungsmöglichkeiten und die wenigen ohnehin bereits starken Handelsketten werden in ihrer Position noch weiter gestärkt”, erklärt die BWB-Pressesprecherin gegenüber medianet. Für die Konsumenten sind die momentanten Bestimmungen und Richtlinien eher von Vorteil. Doch in der Branche, von Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Handelsverbands-Chef Rainer Will werden mittlerweile Forderungen nach einer Änderung im Kartellrecht laut: Auch andere Lebensmittelhändler sollen Filialen übernehmen dürfen. Anders als in Deutschland, sei die Mitarbeitersituation im Kartellrecht derzeit kein Kriterium, dies sei eine „Zukunftsaufgabe”, so Mitterlehner laut APA.
Qualifizierung der Mitarbeiter
„Wir sind keine Befürworter von Marktkonzentration”, erklärt Will. Es folgt ein „Aber”: Dass eine Übernahme durch Non-Food-Filialisten für die Belegschaft unkompliziert verlaufen würde, zweifelt er an. Mit Sicherheit würde sich eine Zielpunkt-Kassiererin rein theoretisch auch in einem Modegeschäft zurechtfinden. „Aber in einem Lebensmittelgeschäft sind generell andere Qualifikationen gefordert als eben beispielsweise im Modehandel”, ist der Geschäftsführer des Handelsverbands überzeugt. Die Pfeiffer-Gruppe glaubt laut einem Bericht in der Tageszeitung Die Presse das Gegenteil: Die Mitarbeiter können sehr wohl auch in anderen Branchen arbeiten.
Zu den Mitgliedern des Handelsverbands gehört unter anderem auch der Lebensmittelkonzern Rewe, der mit seinen Töchtern Billa, Penny, Adeg und Merkur in Österreich einen Marktanteil von 35% im Lebensmittelhandel hat. Ein weiteres Mitglied ist der Diskonter Hofer, der auf einen Marktanteil von 18,9% kommt. Zusammen mit Spar (Marktanteil: 30,6%) erreichen Rewe und Hofer einen Marktanteil von über 80% im österreichischen Einzelhandel.
Sollten die Anteile von Zielpunkt – also 2,8 Prozent – an eben diese Händler gehen, so die Sprecherin der Bundeswettbewerbsbehörde, dann wäre das ein höchst problematischer Vorgang. Dass „die Übernahmewelle bestehender Filialen der Handelsunternehmen Konsum, Meinl oder Adeg” zu der bestehenden hohen Konzentration im österreichischen LEH geführt hat, ist laut Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie, eine Tatsache.
Eine weitere Konzentration gelte es zu verhindern. „Wir hoffen, dass nun kluge strukturpolitische Entscheidungen folgen und unsere Hersteller, die den Konsumentinnen und Konsumenten mit ihren Lebensmitteln Sicherheit, Qualität und Genuss bieten, nicht noch weiter unter Druck gesetzt werden”, so Koßdorff.
BWB bleibt „skeptisch”
„Für unsere Mitglieder würden sich lediglich minimale Vorteile ergeben”, beschwichtigt Will im medianet-Gespräch. Schließlich seien auch nicht alle Zielpunkt-Standorte so interessant, dass sie von einem anderen Unternehmen übernommen werden würden. Viel mehr plädiere man dafür, dass im geltenden Kartellgesetz eine Regulierungsanpassung bzw. eine Verordnung – etwa im Sinne einer Beschäftigungsgarantie – erfolge.
„Es gibt lobenswerterweise auch von der Politik Bestrebungen, der Zielpunkt-Belegschaft zu helfen”, so Will. Entscheidend sei jedoch, dass sich möglichst bald etwas tut. Und wenn die staatlichen Maßnahmen nicht greifen und aber Unternehmen – auch aus dem Food-Bereich – durch eine Standort- und Mitarbeiter-Übernahme helfen könnten, dann müsse man eine Marktkonzentration eben in Kauf nehmen. „Stattdessen würden sie momentan auf kartellrechtliche Grenzen stoßen”, ergänzt Will und zieht Vergleich mit der dayli-Insolvenz: 90% der dayli-Mitarbeiter haben einen Job bekommen, aber erst nach zweieinhalb Jahren. Und die aktuelle Arbeitsmarktsituation sei alles andere als rosig.
Wirtschaftsminister Mitterlehner versicherte auf alle Fälle seine Unterstützung für die Mitarbeiter. Doch, dass genau eine Änderung des Kartellrechts der Belegschaft von Zielpunkt helfen könnte, bezweifelt die Bundeswettbewerbsbehörde. Man bleibe „skeptisch”, schließlich beanspruchen Gesetzesänderungen in der Regel auch viel Zeit – Zeit, die die Arbeitnehmer nicht haben.