TECHNOLOGY
CHRIS HADERER 24.04.2015

„Fair Trade”-Prinzipien in der Elektronik-Industrie

Südwind Die Agentur hat im Rahmen eines Fachsymposiums einige „annähernd” fair hergestellte IT-Produkte präsentiert

Vom ersten fairen Smartphone der Welt wurden mittels Crowdfunding mehr als 60.000 Stück abgesetzt.

Wien. Seit den 90er-Jahren gewinnt der Begriff „Fair Trade”, der ursprünglich auf eine Reihe von Organisationen aus dem christlichen Umfeld zurückgeht, die in den 40er-Jahren ihre Tätigkeit aufnahmen, konstant an Popularität. Er steht für fair gehandelte Produkte mit einer kontrollierbaren Lieferkette, die Entlohnung und die Arbeitsbedingungen müssen Standards entsprechen, außerdem ist eine langfristige Beziehung zwischen Fair Trade-Importeuren und Herstellern angestrebt. Mittlerweile gibt es faire Kleidung, faire Lebensmittel und sogar faire Pflastersteine.

Komplexe Aufgaben

In einem der weltweit größten Märkte ist Fair Trade allerdings ein Fremdwort, nämlich dem Elektroniksektor. Eine faire IT scheint es nicht zu geben – bis auf wenige Ausnahmen, die von der Agentur Südwind im Rahmen des Fachsymposiums „IT fair beschaffen – aber wie” vorige Woche von Andrea Ben Lassoued vorgestellt wurden: „Ich erhalte immer wieder Anfragen von Konsumenten, die ein neues Gerät anschaffen wollen und nicht wissen, was es an fair gehandelten IT-Produkten gibt”, sagt die Südwind-Redakteurin. „Ich denke, es gibt durchaus einen Bedarf dafür – vor allem im Bereich der Öffentlichen Hand.” Diese gibt laut Schätzungen in Europa jährlich etwa 95 Mio. € für IKT-Produkte aus. „Da diese von Steuern bezahlt werden, wünsche ich mir schon, dass es nachhaltige Produkte sind, die unter guten Arbeitsbedingungen entstehen”, sagt Lassoued. Für Tina Trinks, Account Managerin beim niederländischen Start-up Fairphone, ist vor allem die Beschaffungskette von Rohstoffen von Bedeutung. Fairphone stellt erfolgreich „annähernd” fair produzierte Smartphones her, von denen bislang mehr als 60.000 Stück verkauft wurden. Laut „The Next Web” gehört Fairphone zu den fünf am schnellsten wachsenden niederländischen Technikunternehmen. „Wir beziehen zwei als fair zertifizierte Rohstoffe aus dem Kongo”, sagt Trinks. „Es ist schwer, die Lieferkette zu kontrollieren, und man muss dazu auch immer wieder vor Ort sein. Aber wir sehen einen Bedarf für solche Produkte – für die zweite, weiterentwickelte Auflage unseres Smartphones gibt es schon jetzt über 35.000 Bestellungen.” Auch die Zusammenarbeit mit Mobilfunkanbietern ist geplant, um in deren Sortiment aufgenommen zu werden. „Wir leben von einer sehr aktiven Community”, sagt Tina Trinks, die einen Bewusstseinswandel bei den Konsumenten hin zu nachhaltigen Produkten ortet. In diese Richtung denkt auch Susanne Jordan, Gründerin des deutschen Vereins NagerIT, der die erste „fast faire” Computermaus herstellt. „Die Endmontage der Maus wird in einer Integrationswerkstatt in Deutschland durchgeführt”, sagt Jordan. „Für die verschiedenen Bauteile suche ich jeweils die fairste Alternative, außerdem wird die Lieferkette transparent dargestellt” – was nicht immer einfach ist. Zur Beschaffung der notwendigen Kabel mußte sie beispielsweise bis Japan reisen. „Aber es findet ein Wandel bei den Konsumenten statt”, ist sie überzeugt. „Hundertprozentig faire Produkte gibt es nicht – aber es ist notwendig, in diese Richtung zu entwickeln und zu arbeiten.”Normalerweise findet ein großer Teil der Produktherstellung in Niedriglohnländern statt, mit einer komplexen, kaum nachvollziehbaren Lieferkette. „Durch eine Reihe von Selbstmorden in Fabriken, die für große Markenfirmen produzieren, ist die Branche in den Fokus der Öffentlichkeit gekommen”, sagt Jim Cranshaw von Electronics Watch, der ersten internationalen Monitoringorganisation für Arbeitsrechte in der IT, die aus der britischen NGO People & Planet hervorgegangen ist. „Öffentliche Einrichtungen können bei ihren Ausschreibungen faire Bedingungen berücksichtigen.” Das ist das Ziel von Electronics Watch: Beteiligte Einrichtungen erhalten ständig Informationen über die Prozesse von IT-Herstellern.

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