„Nie wieder Internet“: 17 Jahre e-dialog
© Martina Berger
55 Mitarbeiter beschäftigt Siegfried Stepke mittlerweile.
MARKETING & MEDIA Redaktion 27.08.2020

„Nie wieder Internet“: 17 Jahre e-dialog

Siegfried Stepke über die Anfänge seiner Agentur, die Scheu vor datengetriebenem Marketing und neue Herausforderungen.

••• Von Laura Schott

Nach dem Platzen der Dotcom-Blase wollte Siegfried Stepke zumindest beruflich eigentlich nie wieder etwas mit dem Internet zu tun haben. „Hat super funktioniert“, schmunzelt er heute im Büro seiner datadriven FullserviceAgentur e-dialog, die er vor mittlerweile 17 Jahren gegründet hat. Stepke, der sein Geld seit 1995 mit dem Internet verdient hatte, orientierte sich nach dem prägenden 2000er-Jahr beruflich in den Bereich der systemischen Beratung um. Doch das Schicksal wollte es anders, denn immer wieder kontaktierten ihn Bekannte, die Stepkes Knowhow im Online-Bereich brauchten. Es sollte eben doch wieder das Internet sein. „Ich habe damals eines gelernt: Wenn dir das Leben solche Geschenke vor die Füße legt, dann klaube sie auf.“

Erfolgsfaktor Fokussierung
Gesagt, getan, Stepke machte sich also selbstständig. „Der Beginn war Bauchladen, so wie das viele heute immer noch machen“, erzählt er. „Wir haben dann aber schnell fokussiert, haben aufgehört, Websites anzubieten und die Kunden dann nur mehr beraten, wie sie richtig konzipieren und optimieren können.“ Der nächste wichtige Schritt war die Konzentration auf ausschließlich datengetriebene Kanäle. Stepke: „Das Internet hat ja sehr viel mehr Kanäle, aber wenn es nicht datengetrieben ist, machen wir es nicht.“

Die frühe Spezialisierung und vor allem auch die Expertise im  Bereich Analytics hat e-dialog bereits damals namhafte Kunden wie T-Mobile Österreich und in Folge die Deutsche TelekomGruppe gebracht. Die Orientierung auf ausschließlich datengetriebene Kanäle ist nach wie vor taktgebend. „Das Schöne ist, dass immer mehr Kanäle datengetrieben werden“, sagt Stepke. Denn erstens werden immer mehr Kanäle digital, wie etwa zuletzt der Audio- oder auch der OutOf-Home-Bereich, und zweitens werden davon wiederum immer mehr Kanäle tatsächlich mittels Daten programmatisch steuerbar. „Heute wissen wir einfach, dass das Datenthema aus keinem Bereich mehr rauszudenken ist“, sagt Stepke und betont, dass die Datenschutzgrundverordnung ein umso besseres Management der zur Verfügung stehenden Daten fordere.

Consent-Management-Team
„Ich muss die Daten rechtskonform erheben und verwalten, und dann muss ich sie bewirtschaften und das Beste daraus machen.“ So kümmert sich bei e-dialog ein eigenes Team ausschließlich um das Thema Consent Management, etwa für den Kunden KTM international. „Da reicht es nicht, auf einer Website einen Cookie-Banner zu integrieren, sondern es müssen in jedem einzelnen Land die spezifischen Anforderungen erfüllt werden.“ Dabei gehe es einerseits um die Rechtskonformität, andererseits aber auch darum, dass möglichst viele User ihre Zustimmung geben, denn sonst würden auch die besten Data Scientists in einem leeren Teich fischen.

Die Spezialisierungsschritte haben sich in den letzten 17 Jahren durchwegs als erfolgreich herausgestellt, sagt Stepke, und so hat sich e-dialog auch in Sachen Technologie auf einen wesentlichen Partner fokussiert: Google. „Ich habe immer gesagt, wir können nicht auf fünf Plattformen perfekt sein. Das ist illusorisch. Agenturen in unserer Größenordnung, die das behaupten, kennen sich nur oberflächlich aus. Aber dort, wo wir spielen, braucht es Detailwissen und Erfahrung.“ e-dialog war eine der ersten Agenturen, die Google Search Ads betreut haben. Simples Suchmaschinenmarketing ist heute eine Selbstverständlichkeit, zum damaligen Zeitpunkt war es jedoch revolutionär. „Damals ist Google zu den Mediaagenturen gegangen und hat gesagt: ‚Übrigens, ihr könnt jetzt bei uns Werbung schalten – ohne Bilder‘. Die haben damals nur lachend den Kopf geschüttelt.“

Daten für die Qualität
Heute weiß man, wie relevant das war. Und: wie disruptiv, denn die Tatsache, dass per Klick und nicht per Tausenderkontakt abgerechnet wird und der Klickpreis noch dazu dynamisch berechnet wird, war damals revolutionär. e-dialog wurde schließlich als erste Agentur Österreichs zertifizierter Analytics-Berater und ist heute Google Marketing Plattform- und Google-Cloud-Partner – Zertifizierungen, für die man eine Vielzahl an Prüfungen und Referenzprojekten nachweisen müsse, erklärt Stepke. Auch wenn der Marktführer in Sachen Cloud-Technologien Amazon heißt, hält Stepke die Zukunftsstrategien von Google für weit fortgeschrittener, wenn es um die Verarbeitung und Aktivierung der Daten gehe. Etwa mit Nutzung von Machine Learning – ein Thema, das bei e-dialog schon stark für Personalisierung, Optimierung und Clustering im Einsatz ist. Mittels spezifischen Trainings von Algorithmen können so Qualitätsverbesserungen auf unterschiedlichsten Gebieten des Kunden erreicht werden.

Bei länderübergreifenden Aktivitäten zum Beispiel, für die mittels Machine Learning Übersetzungen nicht nur in die jeweilige Landessprache, sondern dabei auch noch in die entsprechende Branchensprache möglich gemacht werden. Oder bei einem Kunden, dessen Produkte sich nachweislich besser verkaufen, wenn er diese mit einer Bemaßung abbildet. In diesem Fall wurde der Algorithmus so trainiert, dass er erkennt, ob eine Bemaßung vorhanden ist, und diese direkt beim Hersteller anfordert, sollte das Gegenteil der Fall sein.

Aufhebung von Grenzen
Sollte sie je vorhanden gewesen sein, hat sich e-dialog bereits sehr früh von der Trennung zwischen Werbung und anderen Unternehmensbereichen – allen voran dem Vertrieb – verabschiedet. Das soll auch bei den Kunden passieren – und zwar mithilfe von Konzepten einerseits und Cloud-Lösungen andererseits.

„Wir sind heute damit beschäftigt, bei unseren großen Kunden Verbindungen zwischen diesen sogenannten Silos zu schaffen“, erklärt Stepke. Welchen Einfluss hat die Lieferzeit auf die Conversion Rate? Welchen Einfluss hat die Bilddarstellung, die Anzahl der Zeichen in einem Text auf das Kaufverhalten der User? Wie wahrscheinlich ist es, dass ein User während seiner aktuellen Session tatsächlich etwas kauft? Fragen wie diese werden mit der Kombination von Rohdaten – also nicht aggregierten Daten – mit Methoden wie Machine Learning beantwortet.

Expansion nach DE und CH
Die operativen Geschäfte von e-dialog in Österreich hat Stepke nach 17 Jahren schließlich an Paul Stuefer abgegeben, um sich selbst strategischen Projekten wie der Expansion nach Deutschland und in die Schweiz zu widmen. Das Büro in Zürich eröffnete er bereits letztes Jahr, jenes in Düsseldorf mitten während des Lockdowns am 1. Mai – krisenbedingt vollkommen remote. Über die Motivation, e-dialog auch im restlichen D-A-CH-Raum zu etablieren, sagt Stepke: „Das war keine Notwendigkeit, sondern eine Chance. Und die haben wir ergriffen. Wir haben schon lange Kunden auf der ganzen Welt, vor allem im D-A-CH-Raum, und haben diese immer von Wien aus problemlos bedient.“ Dennoch sei das Gefühl ein anderes, besseres, wenn man nicht aus dem Nachbar-, sondern dem eigenen Land kommt, um seine Kunden zu betreuen. Wenn sich Stepke etwas zum 17. Geburtstag seiner Agentur wünschen könnte, dann wäre es, die Berührungsangst zu datengetriebenem Marketing zu reduzieren. „Aus dem klassischen Marketingdenken heraus ist es ja immer noch creepy und freaky, was wir da machen“, sagt Stepke. Unternehmen beschäftigen sich nach wie vor lieber mit dem neuen Kreationskonzept einer Kampagne, als mit der Umsetzung, zu der inzwischen außerdem ein Jurist und ein ITSpezialist benötigt werden.

Vertrauen als Schlüssel
Ein menschliches Phänomen, sagt Stepke, denn ein Entwurf auf Papier, ein Inserat oder ein YouTube-Video seien für den Menschen erfassbar und geben ihm das Gefühl, die Situation unter Kontrolle zu haben. „Und dann kommen wir und sagen ‚so, lieber Kunde, du kannst bei uns zwar ein Konzept und ein Template absegnen, aber der Inhalt und der Aufbau der Anzeige sind für jeden User individuell angepasst.“ Hier brauche es noch mehr Vertrauen, dass dieser Mechanismus den Usern bessere Botschaften liefert, die einerseits ihren Präferenzen und andererseits ihrem Status in der Customer Journey entsprechen. Das Schreckgespenst des roten Turnschuhs, der einen über alle Kanäle verfolgt, trage das Seine dazu bei, dass dieses Vertrauen noch nicht sehr ausgeprägt ist. Stepke: „Die Verfolgerwerbung gehört zwar dazu, ist aber nicht unser Anspruch. Unser Anspruch ist, die Konzepte einer Top-Kreation mit Daten zu verbinden, sodass der User am Ende des Tages gar nicht merkt, wie personalisiert die Kommunikation eigentlich ist. Das ist die Kür.“

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