WIEN. Wie erwartet ist der Absatz 2023 zurückgegangen und nähert sich wieder dem Niveau von 2019 an. Von der „Krise des Fahrradmarkts“ (z.B. in der aktuellen Roland Berger Studie) zu sprechen, geben weder die Absatz- und Umsatzzahlen noch die Nachfrage im Handel her. Die ARGE Fahrrad und der VSSÖ setzen die aktuelle öffentliche Diskussion über den Fahrradmarkt in einen Kontext.
Absatzzahlen nähern sich dem Niveau von 2019 an
„Wenn Sie mich fragen, ob der Fahrradmarkt zusammenbricht, ist die Antwort ein klares Nein“, bestärkt Hans-Jürgen Schoder, Sprecher der ARGE Fahrrad. „Wenn man einen detaillierten Blick auf die Zahlen wirft, erkennt man schnell, dass wir von drei Jahren der Überproduktion sprechen und der Markt sich jetzt wieder auf einem natürlicheren Niveau einpendelt.“
2020, 2021 und 2022 wurden so viele Fahrräder von der Industrie an den österreichischen Sport- und Fahrradfachhandel verkauft wie noch nie. Mit durchschnittlich 498.000 verkauften Fahrrädern war der Markt in diesen drei Jahren auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau. Dieses überproportionale Wachstum ist insbesondere durch pandemiebedingte Nachholeffekte und verschobene Liefer- und Orderzyklen zu begründen.
2023 wurden rund 421.000 Fahrräder verkauft - damit nähern sich die Stückzahlen wieder dem Niveau von 2019 an – wie es die Fahrradbranche in Österreich auch erwartet hat. Für einige Händler:innen führen höhere Lagerstände auch zu Herausforderungen. Das gilt aber nicht pauschal für alle Sport- und Fahrradfachhändler:innen. Laut aktuellen Befragungen geben 40% der Händler:innen in Europa ihren Lagerstand für Fahrräder mit „normal“ an[1].
Hohe Nachfrage nach E-Bikes, hochwertigem Zubehör und Serviceleistungen
Eine der größten Veränderungen des Fahrradmarkts der letzten Jahre ist die hohe Nachfrage nach E-Bikes: 52% der Fahrräder, die 2023 verkauft wurden, waren E-Bikes. Der Marktanteil bei Erwachsenen-Rädern liegt sogar bei 62%. E-Bikes sind wegen ihrer Ausstattung teurer als reguläre Fahrräder. Deshalb konnte die Fahrradindustrie 2023 - mit einem 52%igen Marktanteil von E-Bikes - ihren zweithöchsten Umsatz verzeichnen, seit die ARGE Fahrrad und der VSSÖ die Verkaufszahlen für Österreich aufzeichnen. Das dritte Jahr in Folge lag der Gesamtumsatz mit Fahrrädern in Österreich über einer Milliarde EUR. Das ist nach wie vor Rekordniveau. 2019 lag der Gesamtumsatz noch bei knapp 700 Millionen EUR (E-Bike-Anteil: 39%).
Immer bedeutender werden für den Sport- und Fahrradfachhandel auch der Markt für hochwertiges Zubehör und Bekleidung sowie Serviceleistungen im stationären Handel. Die Werkstätten im Sport- und Fahrradfachhandel sind sehr gut ausgelastet und auf die Reparaturen von E-Bikes ausgelegt. Händler:innen investieren hunderttausende Euros in voll ausgestattete Werkstätten und in die Aus- und Weiterbildung von technisch spezialisiertem Fachpersonal für Reparaturen und Serviceleistungen. Förderaktionen, wie der Reparaturbonus für E-Bikes und Fahrräder, beschleunigen diesen Trend.
Im Handel werden besonders Dienstfahrräder und spezielle Fahrradtypen nachgefragt
Wie jede Handelsbranche ist auch der Fahrradmarkt damit konfrontiert, dass die Kaufkraft gesunken ist. Dass das Interesse an Fahrrädern aber vorhanden ist, sieht die Fahrradbranche z.B. an der Nachfrage nach Dienstfahrradmodellen und an der E-Mobilitätsförderung, die das BMK gemeinsam mit dem Sport- und Fahrradfachhandel anbietet. 2024 wurden bisher 5.100 Anträge zur Förderung von (E-)Fahrrädern genehmigt. Außerdem gibt es nach wie vor Fahrradtypen, die im Absatz stark steigend sind, wie beispielsweise (E-)Falträder (8.027 Stück, +105%), E-Transportfahrräder (5.060 Stück, +39%), (E-)Gravel-Bikes (15.918, +37%) und Rennräder (12.377, +10%).
Die „Krise des Fahrradmarkts“ auszurufen entspricht nicht der Marktsituation
Schoder schließt ab: „Ja, es ist richtig, dass auch die Fahrradindustrie und der Sport- und Fahrradhandel von den steigenden Produktions-, und Energiekosten sowie der sinkenden Nachfrage bei den Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund Rekordinflation betroffen sind. Die Erwartungshaltung, dass es mit den Wachstumszahlen aus den Jahren der Überproduktion 2020 bis 2022 weiter geht, ist aber einfach nicht realistisch und auch nicht abbildbar für den Markt. Die aktuelle Zuspitzung und den Alarmismus geben die Zahlen der letzten Jahre - und auch die Stimmung bei den Konsumentinnen und Konsumenten im Fahrradhandel - einfach nicht her. Den ‚Zusammenbruch des Fahrradmarkts‘ gibt es in dieser Form nicht.“