••• Von Alexander Haide
Franz Oberndorfer ist Bereichsleiter für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaftsstandort in der Magistratsdirektion der Stadt Wien. Hinter der sperrigen Berufsbezeichnung verbergen sich seit dem Jahr 2019 allerdings die gebündelten Forschungsaktivitäten, die die Stadt Wien gemeinsam mit Hochschulen und Partnern auf den Weg bringt. Zudem setzt man Initiativen, um die anstehende Pensionierungswelle durch frisches Blut zu ersetzen. Motto: Jobs bei der Stadt sind nicht langweilig.
Berufs- und Karrieremessen, die Jobmesse der Stadt Wien, Artikel in Printmedien, ein Traineeprogramm und Praktika oder auch die Plattform für Abschlussarbeiten, die angehenden Akademikern die Möglichkeit gibt, ihre Abschlussarbeiten zu urbanen Fragestellungen und Themen aus der Praxis zu verfassen – das sind nur einige der Kanäle, die die Stadt Wien bespielt, um neue Mitarbeiter an Bord zu holen.
Denn das Image des langweiligen Beamtenjobs ist längst überholt, meint Franz Oberndorfer: „Wir sind bei unseren Veranstaltungen mit jungen Akademikern in Kontakt, die die Stadt sehr spannend finden, da wir versuchen, das Klima-Thema umzusetzen, im Gesundheitsbereich sehr viel unternehmen und Daseinsleistungen für die Bevölkerung erbringen. Das kommt bei den jungen Menschen sehr gut an. Die öffentliche Hand hat vor allem die Aufgabe, Leistungen, die jeder Bewohner braucht, leistbar und in der entsprechenden Qualität zur Verfügung zu stellen. Das ist ein sehr breites Spektrum und dafür brauchen wir Mitarbeiter, die von ihrem Job überzeugt sind und ihn gerne machen.”
Experten gesucht
Konkret bemüht sich die Stadt Wien derzeit nicht nur um Kindergartenpädagogen und Pflegekräfte. „Wir nehmen Akademiker, suchen KI-Experten und Experten, die beispielsweise bei Data-Science über Erfahrung verfügen”, umreißt Oberndorfer. „Die Stadt selbst bietet in ihrer eigenen Wien-Akademie IT-Weiterbildung und spezielle E-Learning-Programme für Mitarbeiter an. Es werden in Zukunft auch neue Berufsbilder notwendig, um die aktuellen Themen möglichst gut bewältigen und Projekte umsetzen zu können.”
Die Zeit drängt, denn etwa ein Drittel der derzeit 2.800 bei der Stadt Wien angestellten Akademiker verabschiedet sich in den kommenden acht Jahren in die Pension: „Da geht es nicht nur um KI und Digitalisierung, sondern auch um Experten zur Energiewende, die sich etwa mit Wasserstoff und Geothermie beschäftigen. Dafür brauchen wir auch IT-Fachkräfte und Menschen mit technischem Background in den unterschiedlichsten Bereichen. Die Kunst wird sein, Akademiker zu finden, die über eine fachübergreifende Expertise verfügen.”
Wiener Wissensprojekte
Die Agenden von Franz Oberndorfer sind allerdings noch viel umfangreicher, denn er ist auch dafür zuständig, gemeinsam mit Hochschulen und der Stadtverwaltung Forschungsprojekte zu initiieren. „Dazu haben wir eigene Veranstaltungsformate kreiert. Weiters koordinieren wir verschiedene Themen der Wissenschaft und Forschung auch innerhalb der Stadt”, erklärt er.
So widmet sich das Projekt der FH Technikum dem Thema „AI anwenden und verstehen”. Das Forschungsprojekt wird von der Stadt Wien (MA 23) gefördert, Ziel ist es, die Vernetzung von Forschung und Praxis voranzutreiben sowie die Vermittlung von Know-how zu KI.
Bei „demogracy in progress” unterstützt die Stadt Wien (MA 7) mit einem Call Beiträge zur Stärkung des Vertrauens in demokratische Institutionen.
Die Zukunft beginnt heute
Bei dem Projekt „geoKI” ist die automatisierte Sichtung des öffentlichen Raumes unter Zuhilfenahme verorteter Bilder und 3D Informationen geplant. Der Algorithmus soll ein automatisiertes Erkennen und Klassifizieren von Objekten im öffentlichen Raum ermöglichen und die Verwaltung der Objekten in den Fachinformationssystemen unterstützen. Die so erkannten Objekte aus dem städtischen Raum sind Datengrundlage für Planungen, Wartungen, Visualisierungen und Input für weitere Verarbeitung in internen Fachinformationssystemen.
Auch im Bereich Digitaler Humanismus ist die Abteilung von Franz Oberndorfer aktiv. Die Wiener Stadtwerke haben eine intern entwickelte KI-Lösung ethisch zertifiziert. Bei dem gemeinsamen Projekt des IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers, Anm.) und der Wiener Stadtwerke können mehr als 1.000 E-Mails und Briefe täglich unter Verwendung von maschinellem Lernen effizienter abgearbeitet werden, was eine große Entlastung für das Wien Energie-Kundenservice darstellt.
Wien unterstützt KI-Nutzung
„KI ist sicher ein zentrales Thema, mit sehr großen Auswirkungen – und die Entwicklung ist lange noch nicht abgeschlossen. Die Stadt Wien unterstützt die verantwortungsvolle Nutzung der KI”, unterstreicht Oberndorfer. „Der WWTF (Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds, Anm.) hat etwa einen Call aufgelegt, bei dem die Forschung von KI und Machine Learning zum Thema ‚Understanding Biology' unterstützt wird.” Im Allgemeinen müssten die Stakeholder sich eine KI-Strategie überlegen und das auch dementsprechend dotieren.
Trotz aller Technikbegeisterung dürfe auf die Geistes- und Sozialwissenschaften nicht vergessen werden. Oberndorfer: „Sie sind zumindest genauso wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft und die kritische Auseinandersetzung. Das gilt auch für Kunst und Kultur, denn Wien ohne Kunst und Kultur ist unvorstellbar. Hier muss die Balance gehalten werden.”
Die Stadt Wien ist in der Position, mit insgesamt 26 Hochschulen kooperieren zu können und hat in fast allen Fachgebieten Experten auf Hochschulebene zur Verfügung, so Oberndorfer: „Das macht unsere Arbeit wirklich spannend. Das umfasst übrigens auch die Musik- und Kunstuniversitäten. Hier gibt es etwa in jedem Jahr ein Weihnachtskonzert, das auf Stationen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen übertragen wird. Studenten gehen zum Teil direkt in diese Einrichtungen und bringen Musik zu den Menschen. Das macht mir persönlich auch viel Spaß.”
Wien will Neugier wecken
Um der Wissenschaftsskepsis entgegenzuwirken, haben Oberndorfer und sein Team das Projekt „Entdecken Sie …” entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Veranstaltungsreihe der Stadt Wien zur Vermittlung von spannenden Wissenschaftsthemen. Dazu gehört aktuell die Veranstaltung „Entdecken Sie … das Universum!” „Das James Webb-Weltraumteleskop ist bereits zwei Jahre im Universum unterwegs”, so Oberndorfer. „Es gibt neue, spektakuläre Bilder und interessante Erkenntnisse von dieser Mission.” Aktuelle Informationen und Erkenntnisse präsentiert Manuel Güdel, Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie der Universität Wien, am 22. April von 17 bis 18.15 Uhr im Rahmen einer Online-Veranstaltung. Anmeldungen unter: https://ticket.wien.gv.at/MDS/universum/