••• Von Britta Biron
Frauen in Führungspositionen sind einerseits längst keine Ausnahme mehr, andererseits hat die Corona-pandemie der Gleichstellung im Job neue Steine in den Weg gelegt. Bis Gender Equality nicht nur auf dem Papier, sondern im täglichen Leben der Normalfall ist, wird es Schätzungen zufolge noch Jahrzehnte dauern. Das sind trübe Aussichten, aber gleichzeitig gibt es immer mehr Unternehmen, die sich Chancengleichheit unabhängig vom Geschlecht nicht nur auf die Fahnen geschrieben haben, sondern sie längst auch sehr erfolgreich umsetzen. Zu diesen gehört die VB Services, deren Geschäftsführung mit Tanja Bamberger und Monika Nadizar-Fritz rein weiblich besetzt ist. Die VB Services steht zu 100% im Eigentum der Volksbank Wien AG.
Im Gespräch mit medianet erläutern die beiden Bankerinnen ihre Sicht auf Gender Equality, beruflichen Erfolg, Geschlechterklischees, verpflichtende Frauenquote, etc.
medianet: Ist die Bilanzdienstleistungsbranche jobmäßig ein Sektor mit Zukunft?
Tanja Bamberger: Auf jeden Fall. Die Banken sind konfrontiert mit sich stark verändernden Kundenbedürfnissen, technologischen Entwicklungen und komplexen regulatorischen Vorschriften. Dadurch bieten sich im Finanzdienstleistungssektor viele unterschiedliche und spannende Jobprofile. In der VB Services stehen wir ständig vor der Herausforderung, rechtzeitig neue Nachwuchskräfte aufzubauen.
medianet: Also besteht keine Gefahr, dass Bankberater à la longue durch KI ersetzt werden. Andererseits spielt die Digitalisierung aber sicher eine wichtige Rolle …
Bamberger: Digitalisierung geht für mich Hand in Hand mit Kundenorientierung. Digitalisierung ermöglicht uns, den steigenden Kundenansprüchen hinsichtlich Qualität und Zeit der Abwicklung gerecht zu werden. Dadurch hat sich natürlich in manchen Bereichen das Tätigkeitsprofil der Mitarbeiter verändert. Buchungen werden nicht mehr händisch durchgeführt, die Aufgaben haben sich mehr Richtung Kontrolle und Korrektur verschoben. Es entstehen neue Berufsbilder, und bestehende Berufsbilder gewinnen an Bedeutung wie z.B. IT-Entwickler, Daten- und Prozess-Analysten, Compliance-Beauftrage und viele mehr.
Monika Nadizar-Fritz: Kunden wissen es zunehmend auch in der Kreditabwicklung zu schätzen, neben den bekannten analogen Wegen auch digitale Alternativen zur Verfügung zu haben. Dies gilt selbst dann, wenn sie diese Möglichkeit gar nicht oder nicht intensiv nutzen. Vieles ist selbstverständlich geworden.
Für uns als Dienstleister ermöglicht Digitalisierung effizientere und schnellere Abwicklungen und mittlerweile auch verstärkt papierloses Arbeiten, z.B. durch die vermehrte Nutzung digitaler Signaturvarianten; allerdings können wir auch feststellen, dass unterschiedliche Digitalisierungsgrade – je nachdem, mit wem oder für wen man eine Dienstleistung erbringt – uns immer wieder vor große Herausforderungen stellen.
medianet: Immer mehr Betriebe haben Schwierigkeiten, offene Stellen zeitnah zu besetzen. Ist Fachkräftemangel im Finanzdienstleistungssektor ein Thema? Welche Schwerpunkte setzen die VB Services im Recruiting?
Nadizar-Fritz: Wie in vielen Branchen ist es auch für uns im Bereich der Finanzdienstleistungen nicht einfacher geworden, Fachkräfte zu finden – einerseits haben sich, wie es meine Kollegin schon erwähnt hat, die Jobanforderungen verändert und andererseits auch die Erwartungen von Bewerbern, insbesondere im Hinblick auf Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeit, Freizeitgestaltung. Wir setzen im Umgang mit unseren Mitarbeitern auf Begegnung auf Augenhöhe, Freiraum mit Gestaltungsmöglichkeit und Zukunftsfitness durch Flexibilität. Der Volksbanken Verbund verfügt auch über eine Akademie mit einem breiten Ausbildungsangebot für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
medianet: Welche Rolle spielt das Homeoffice, das durch die Pandemie stark in den Fokus gerückt ist?
Nadizar-Fritz: Das Arbeiten ohne Anwesenheit im Büro ist sehr positiv im Unternehmen angekommen. Remote Work erhöht die Flexibilität, spart Anfahrtswege und somit Zeit, erleichtert kleine Erledigungen des Alltags und vieles mehr. Eine Umfrage bei uns hat gezeigt, dass der Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese erhöhte Flexibilität sehr zu schätzen weiß.
medianet: Lehre oder Studium – gibt es generell Unterschiede hinsichtlich der Karriere- bzw. Aufstiegsmöglichkeiten in Ihrem Unternehmen bzw. im Finanzdienstleistungssektor generell und welche anderen Faktoren als die Ausbildung spielen für den beruflichen Aufstieg noch eine wesentliche Rolle?
Bamberger: Die VB Services beschäftigt um die 420 Mitarbeiter in allen Bereichen der Produktabwicklung von Kredit zu Anlageprodukten und Zahlungsverkehr sowie im Kundenservice-Center. Bei den Karriere-Möglichkeiten zählt nicht die Ausbildung, sondern die Leistung und der persönliche Einsatz. Wir unterstützen unsere Mitarbeiter in der persönlichen Weiterentwicklung mit vielen internen Schulungsangeboten. Für manche Experten-Funktionen in zentralen Einheiten kann ein Studium von Vorteil sein. Für eine berufliche Weiterentwicklung spielen aber neben Ausbildung und Qualifikation die sogenannten Soft Factors eine wesentliche Rolle: Empathie, Kundenorientierung, Lösungskompetenz, offen sein für Neues, die Fähigkeit zum vernetzten Denken – das ist am Ende des Tages entscheidend.
medianet: Wie hoch ist der Frauenanteil in Ihrem Unternehmen auf den verschiedenen Ebenen? Gibt es spezielle Angebote, um karrierebewusste Frauen zu motivieren und zu unterstützen?
Nadizar-Fritz: Wir haben – das ist nicht ganz untypisch für Abwicklungseinheiten – mit über 75 Prozent einen sehr hohen Frauenanteil. Was mich aber besonders freut, ist, dass mehr als 50 Prozent unserer Führungskräfte Frauen sind. Dies verteilt sich über alle Führungsebenen, beginnend bei uns Geschäftsführerinnen bis hin zur Gruppenleiterebene.
Im Volksbankenverbund gibt es seit einigen Jahren ein sehr engagiertes Frauenförderungsprogramm, welches Mitarbeiterinnen in Führungspositionen, aber auch Kolleginnen, die sich in diese Richtung entwickeln wollen, bei ihrer persönlichen und fachlichen Entwicklung unterstützt. Neben dem WoMentoring-Programm und Fachvorträgen gibt es Talentelehrgänge für Interessierte. Dies alles führt auch dazu, dass sich ein aktives Frauennetzwerk bildet.
medianet: Karriere ist für Frauen – vor allem, wenn sie Kinder haben – nach wie vor schwieriger als für Männer. Was sind die wesentlichen Gründe dafür und mit welchen Maßnahmen kann diese Ungleichheit am ehesten beseitigt werden?
Bamberger: In der Gesellschaft ist immer noch das Bild verankert: Sobald ich eine Führungsposition in einem Unternehmen anstrebe, habe ich keine Zeit mehr für meine Kinder. Dies ist jedoch primär eine Frage der Einteilung und Organisation. Ich hatte das Glück, dass ich immer ein berufliches Umfeld hatte, in dem meine Leistung und meine Ergebnisse gezählt haben, und ein privates Umfeld, in dem ich die notwendige Unterstützung erhalten habe. Flexibilität ist für mich der Schlüssel – ich nehme mir bewusste Zeiten für meine Familie und arbeite manchmal lieber am Abend.
Nadizar-Fritz: Einer der wesentlichsten Gründe liegt meiner Wahrnehmung nach immer noch darin, dass in Karrierefragen bei Frauen häufig eine Entscheidung ‚für oder gegen Familie' mitschwingt. Dieses Entweder/Oder sollte es nicht geben.
Im Volksbanken Verbund hatte ich den Vorteil, dass selbstverantwortliche Arbeitsgestaltung und auch Führen in Teilzeit mitgetragen und unterstützt wurden. Mit guter Organisation und natürlich auch Unterstützung durch die Familie ist vieles zu schaffen.
medianet: Wie stehen Sie zu einer verpflichtenden Quote?
Bamberger: Wir sind alle einem sogenannten ‚Unconscious Bias', einer unbewussten Voreingenommenheit, ausgesetzt. Das bedeutet, wenn in einer stark männerdominierten Branche eine Stelle zu besetzen ist, werden weibliche Bewerber skeptischer betrachtet. Der Einfluss solcher Stereotype wurde in unzähligen Studien bestätigt. Dies ist ein wesentlicher Faktor für den langsamen Anstieg des Anteils der weiblichen Führungskräfte.In der Volksbanken-Gruppe ist dies in den letzten Jahren bewusst verändert worden, sodass nur mehr die Qualifikation für den Job zählt. Ich erlebe tagtäglich, dass dies sehr ernst genommen und umgesetzt wird. Meiner persönlichen Meinung nach wäre die Einführung einer Quote aber durchaus ein Instrument, das den aktuellen ‚Drive' verstärken könnte.
Nadizar-Fritz: In der VB Services ist faktisch keine Quote mehr nötig, weil wir schon rund 50 Prozent Frauen unter unseren Führungskräften haben. Allgemeingesellschaftlich sind wahrscheinlich Quotenregelungen, solange es bestehende Besetzungsmuster und Rollenbilder gibt, eine hilfreiche Maßnahme, der Chancengleichheit mehr Gewicht zu geben, um am Ende dort zu landen, dass das Geschlecht einer Person keinerlei Kriterium für den beruflichen Werdegang darstellt.
medianet: Frauen sind weniger karriereorientiert als Männer, haben eine nicht so ausgeprägte Ellbogenmentalität, neigen eher dazu, sich zu unter- als zu überschätzen – die Liste der Vorurteile rund um Frauen & Karriere ist lang. Welche Klischees stimmen zumindest teilweise, welche sind gänzlich falsch?
Bamberger: Hier kommt leider wieder der ‚Unconscious Gender Bias' zum Tragen. Frauen werden eher Eigenschaften wie Kommunikationsstärke, Teamfähigkeit und generell soziale Kompetenz zugeschrieben, wohingegen Männer oft als entscheidungsfreudige, zielorientierte Macher dargestellt werden. Das sind nur Stereotype – es gibt natürlich entscheidungsstarke Frauen und auch kommunikative Männer. Ein Mix von verschiedenen Persönlichkeits-Typen erzeugt Diversität im Unternehmen, die nachgewiesen auch zu größerem wirtschaftlichem Erfolg führt. Ich habe in meiner Karriere wahrgenommen, dass Frauen nicht so schnell aufzeigen, wenn sich eine berufliche Chance oder Weiterentwicklung bietet. Männer sind da oft schneller und lauter, wohingegen man Frauen öfter motivieren und anstupsen muss, um den nächsten Karriereschritt zu machen.
Nadizar-Fritz: Was meiner Wahrnehmung nach häufig zutrifft, ist, dass Frauen sich nicht auf Jobausschreibungen bewerben, weil sie sich als nicht qualifiziert genug erachten, wenn sie nicht 100 Prozent der Anforderungen erfüllen. Frauen sind hier mitunter wenig nachsichtig mit sich selbst.
medianet: Bringen mehr Frauen in Führungspositionen generell mehr Gendergerechtigkeit in ein Unternehmen oder ist das ein Trugschluss?
Bamberger: Ja, ich bin der absoluten Überzeugung, dass dies so ist. Man tendiert dazu, sich mit Menschen zu umgeben, die ähnlich ticken und die man gut versteht. Wenn ein Team aber immer nur aus Menschen mit ähnlichen Denkmustern und Einstellungen zusammengesetzt wird, fehlt die konstruktive Reibung, und die Diskussion unterschiedlicher Perspektiven kommt zu kurz. Ich habe in meiner bisherigen Karriere beobachtet, dass der Anteil an Frauen in Führungspositionen in weiblich geführten Teams höher ist als bei männlich geführten Teams. Es gibt zum Glück immer auch Ausnahmen. Ich habe meinen bisherigen beruflichen Erfolg primär männlichen Führungskräften zu verdanken, die mir eine Chance gegeben haben.
medianet: Wie definieren Sie beruflichen Erfolg? Haben Sie einen speziellen Ratschlag für junge Frauen, die nach beruflichem Erfolg streben? ?
Bamberger: Beruflichen Erfolg hat man dann, wenn man etwas tut, woran man Spaß hat und ein Ergebnis erzielt, auf das man stolz ist. Mein Rat an Frauen ist: Eine fleißige Liesl zu sein, reicht alleine nicht aus; macht auf euch aufmerksam und bei einem Rückschlag: Krone richten, aufstehen, weitergehen und sich nicht entmutigen lassen.
Nadizar-Fritz: Beruflich Erfolg hat man dann, wenn man sich Ziele setzt und diese erreicht; das kann selbstverständlich für jeden etwas anderes sein. Wichtig dabei ist für mich ganz besonders, Freude an meiner Arbeit zu haben und mitgestalten zu können.
Was ich auf meinem Weg gelernt habe und jungen Kolleginnen empfehlen kann, ist: ‚Raus aus der eigenen Komfortzone'! Das kann mitunter anstrengend und unbequem sein, bringt dich aber jedenfalls weiter.