••• Von Reinhard Krémer
Die Geschichte des Leiterplattenherstellers Austria Technologie & Systemtechnik AG, kurz AT&S, ist eine der wenigen Erfolgsstorys im Bereich der Hochtechnologie, die man hierzulande finden kann. Sie beginnt in grauer Vorzeit, nämlich 1987 im steirischen Leoben. Sie wurde aus drei schon früher gegründeten Teilunternehmen zusammengeklöppelt – nämlich einer Betriebsstätte der Körting Elektronik in Fehring, auch bekannt für seine Hendln, wo man sich aber nicht der Mast, sondern den Leiterplatten für Fernseher widmete, einem Zweigwerk der Eumig, die einst zu den Perlen der heimischen Technologie zählte, und einer Betriebsstätte der Voest Alpine in Leoben. Die Mutter der drei war seit 1990 die E+E Leiterplattenholding. Um die Geburt zu verstehen, muss man die einst vorherrschenden Gebräuche der heimischen Wirtschaft verinnerlichen: Damals stand der Erhalt von Arbeitsplätzen im Vordergrund, und die Politik unternahm alles, um den zu gewährleisten. Freier Wettbewerb war ein Fremdwort.
Kassetten? Bitte Opa fragen!
In Hinblick auf die Arbeitsplätze war es auch – aus Sicht der Politiker – eine No-na-ned-Entscheidung, die drei strauchelnden Einzelbetriebe aufzufangen und irgendwie weiterzuführen, da sie ja auch – irgendwie – auf dem selben Feld tätig waren: Eumig, eigentlich bekannt für seine Kameras, Radios und Kassettenrekorder (alle nach 1995 Geborenen: bitte den Opa fragen, was das war), unterhielt unter anderem ein Leiterplattenwerk in Fohnsdorf. Auch der Fernsehbauer Körting Elektronik tat dies. Gemeinsam war ihnen auch, dass sie in den 1980er-Jahren des vorigen Jahrhunderts in Turbulenzen gerieten – ein Fall für die Experten aus der Politik, die das Frischgeschlüpfte flugs unter die Fittiche der staatlichen Industrieholding ÖIAG schoben.
Siegeszug beginnt 1994
Die AT&S hatte es also vom Start weg nicht leicht; ihr Siegeszug begann erst, als das Unternehmen 1994 privatisiert wurde und an ein Bieterkonsortium, bestehend aus Helmut M. Zoidl, Willi Dörflinger und Hannes Androsch, ging – ein kongeniales Team, denn Zoidl und Dörflinger waren in den Unternehmen „gewachsen”, und Androsch, den viele noch heute als einen der wenigen wirklich fähigen Finanzminister Österreichs bezeichnen, hatte, obwohl bekennender Sozialdemokrat und ebenso bekennender Lederhosenträger, wirklich Ahnung vom Umgang mit Geld. Die drei taten, was Kapitalisten so tun – und brachten AT&S an die Börse.
Deutschland und China
Damit begann der Aufstieg des Unternehmens, der noch immer anhält: Neue Werke in Deutschland, aber auch in China, wurden eröffnet und Kooperationen mit großen internationalen Unternehmen geschlossen. 1999 ging man an die Frankfurter Börse im Segment Neuer Markt, schnappte sich Indal Electronics Ltd, den größten indischen Leiterplattenhersteller in Nanjangud, und formte daraus die AT&S India Private Ltd.
2002 wurde die AT&S weltweiter Lieferant für Supertanker wie Nokia (ja, zum Anfang des Millenniums war das noch so) und Siemens – Arbeitsplätze in reicher Zahl wurden geschaffen. Im selben Jahr lief die Produktion im neuen Werk in Shanghai, einem der modernsten HDI-Werke der Welt, vom Stapel. 2003 wurde die AT&S Asia Pacific Ltd. in Hongkong gegründet, und weil Asien ein Wachstumsmarkt ist, wo man beim Absatz aber immer auch nach Westen schielt, expandierte man gleich auch noch in Korea und Indien.
Konsequenterweise wurde ab 2011 ein neues Werk in Chongqing, China, errichtet und die Kapazität in Shanghai um 30% hochgefahren. An dieser Stelle muss man darauf hinweisen, und sei es nur rein aus patriotischem Stolz, dass die AT&S unter CEO Andreas Gerstenmayer einer der globalen Technologieführer mit weltweit rund 7.500 Mitarbeitern in einem asiatisch dominierten, extrem kostenkompetitiven Umfeld ist.