••• Von Paul Christian Jezek
WIEN. Die Unternehmen der heimischen Bahnindustrie erwirtschafteten zuletzt 3,1 Mrd. € Jahresumsatz, was einer Gesamtwertschöpfung von 1,53 Mrd. € und damit 0,5 Prozent des österreichischen BIP entspricht.
Laut einer vom Verband der Bahnindustrie (VBI) in Auftrag gegebenen und durch das Economica-Institut für Wirtschaftsforschung durchgeführten Studie schafft jeder Arbeitsplatz in der heimischen Bahnindustrie einen weiteren.
„Das zeigt, dass die Bedeutung dieser Branche auf den ersten Blick oft unterschätzt wird”, erklärt Christian Helmenstein vom Economica-Institut. „Die Bahnindustrie ist eine Querschnittsmaterie, die zur Erzeugung ihrer Produkte auf viele Komponenten aus anderen Branchen in Österreich zurückgreift. Sie ist ein Komplettanbieter, der alles liefert, was das System Bahn in Österreich benötigt.” Wichtige Standortfaktoren sind die heimischen Bahnen, allen voran die ÖBB, die den Erfolg der Branche wesentlich beeinflussen.
Innovation als Erfolgsfaktor
Mit einer Exportquote von 64% hat die heimische Bahnindustrie einen Anteil am Weltmarkt von mehr als fünf Prozent. „Das ist angesichts der Größe Österreichs schon sehr beachtlich”, lobt Helmenstein. „Im globalen Vergleich der Top-Exportländer für bahnrelevante Produkte liegt man damit auf dem ausgezeichneten siebten Rang. Sieht man sich die Pro-Kopf-Exporte der Bahnindustrie bei Schienenfahrzeugen und zugehöriger Ausstattung an, liegt Österreich sogar auf Platz eins weltweit.”
Zwischen zwei und drei Prozent aller Patente, die im Bereich Eisenbahn weltweit angemeldet werden, stammen aus Österreich. „Beim Gleisoberbau wird sogar jedes zweite Patent weltweit hierzulande angemeldet”, erklärt Kari Kapsch, Präsident des Verbandes der Bahnindustrie (VBI). Das hängt laut Kapsch auch mit der Erfinderdichte im Bereich Bahn zusammen; hier liegt Österreich mit 50 Erfindern pro einer Mio. Einwohner weltweit klar auf dem ersten Rang.
Dabei hat sich die Anzahl der Erfinder in Österreich im Bereich der Bahntechnologien seit dem Jahr 2012 fast verdoppelt.
Der Bahn-Druck wächst
Jedoch spürt auch die heimische Bahnindustrie zunehmend den immer härter werdenden globalen Wettbewerb. „Gerade aus China nimmt der Druck auf die Bahnindustrie zu”, sagt Kapsch. „Hier werden wir nur sehr schwer standhalten können, wenn nicht jetzt intensive Überlegungen vor allem auf europäischer Ebene stattfinden, wie wir hier in Zukunft mithalten können. Es geht schließlich darum, eine weltweit führende und innovationsgetriebene Branche Europas in dieser Position zu halten.”
Kapsch fordert die längst überfällige, noch stärkere Vereinheitlichung des europäischen Bahnsystems: Es gilt, einheitliche Standards zu definieren, die einheitliche technische Normen für ganz Europa implementieren. Lokale Spezifikationen müssen über Bord geworfen werden.
„Wir benötigen nicht nur in den lokalen, sondern auch in den europäischen Vergaberichtlinien Kriterien, um Europas Innovationsführerschaft halten zu können”, fordert Kapsch. „Es gibt heute schon genügend Beispiele, wo das nicht gelungen ist.”
Räume zum Experimentieren
Derzeit benötigen die europäischen Bahnen rund zwei bis drei Jahrzehnte, um neue Technologien zu implementieren.
Angesichts des rasanten Technologiewandels wird dies aber in Zukunft nicht mehr reichen. „Innovation muss auch erprobt und unter realen Bedingungen getestet werden können”, appelliert Kapsch. „Dafür benötigen wir Experimentierräume nahe der wichtigsten Industriezonen des Landes. Das ist essenziell, damit die Schiene gegenüber dem Verkehr auf der Straße wettbewerbsfähig belieben kann.”