Wien. Geht’s rein nach der Quantität, dann ist Österreich eine Nation von Biertrinkern: 850 Mio. Liter des Gerstensafts lässt man sich jährlich schmecken, von Wein und Schaumwein dagegen „nur” rund 245 Mio. Liter. Aber Herr und Frau Österreicher sind auch Traditionalisten: Für besondere Anlässe ist ihnen Bier zu profan, da muss es schon perlender Wein sein.
Laut Erhebung des Marktforschungsinstituts IWSR lässt sich jeder Österreicher pro Jahr rund fünf Flaschen Schaumwein schmecken. Ob Champagner und Crémant aus Frankreich, Cava aus Spanien, Prosecco, Frizzante und Spumante aus Italien oder Sekt aus Österreich und Deutschland – bei der Wahl des Getränks ist man international eingestellt und schaut auch gern über den eigenen Teller- bzw. Glasrand.
Für Konsumenten zählt …
Auf Made in Austria legt einer aktuellen Umfrage des Linzer Market-Instituts zufolge nur knapp ein Fünftel (18,5%) der Konsumenten sehr großen Wert – das entspricht auch etwa dem Anteil, den heimischer Sekt mit 20% am Gesamtverbrauch hat –, weiteren 37% ist die heimische Herkunft zumindest eher wichtig. Das mit Abstand wichtigste Kriterium (insg. 94,4%) ist der Geschmack; danach folgen die Sorte – trocken, halb-süß, etc. – und der Preis, der aber schon eine deutlich geringere Rolle spielt.
Das heimische Schaumweinranking, das verschiedene Faktoren wie Bekanntheit, Kaufbereitschaft, Sympathie, Qualitätseinschätzung und Image der Marke umfasst, wird dennoch von den beiden heimischen Brands Schlumberger und Hochriegl angeführt.
… vor allem der Geschmack
Allerdings stagniert Sekt in einem insgesamt leicht rückläufigen Schaumweinmarkt. Den Schuldigen glauben die heimischen Hersteller, deren Absätze in den letzten Jahren um ein Viertel eingebrochen sind, zu kennen: Vater Staat und die 2014 wieder eingeführte Schaumweinsteuer.
Einnahmen von 36 Mio. Euro (inklusive der Mehrwertsteuer aus dem Schaumweinverkauf) hatte sich der damalige Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) pro Jahr erwartet – und damit die Sektlaune seiner Landsleute kräftig überschätzt. 2017 lukrierte der Fiskus lediglich 23 Mio. Euro, was rund 31 Mio. Flaschen entspricht.
Der unliebsame Obolus betrifft nicht nur heimischen Sekt, sondern alle Schaumweine mit über drei Bar Druck, also auch Prosecco Spumante, Crémant, Champagner und Cava. Und deren Absatz leidet nicht. Das Segment Frizzante dagegen verlor zuletzt 4,2%, Prosecco Frizzante sogar 12,4% – obwohl nicht von der Steuer belastet.
„In den letzten Jahren ist ein klarer Trend zu internationalen Schaumweinen zu erkennen. Prosecco Spumante ist seit 2011 massiv gestiegen – im Vorjahr mengenmäßig um 2,2 Prozent und wertmäßig um 7,1 Prozent – und damit eine der am stärksten wachsenden Kategorien. Unsere Proseccomarke Mionetto verzeichnet sogar ein Plus von 16 Prozent ”, so Philipp Gattermayer, Österreich-Geschäftsführer von Henkell-Freixenet, dem einzigen Hersteller, unter dessen Dach alle Schaumwein-Sorten zu finden sind.
Der Trend geht zu …
Er ist zwar kein Verfechter der Schaumweinsteuer, sieht die Sache aber deutlich entspannter als die Vertreter der österreichischen Marken, die mit Inbrunst, aber bisher vergeblich ihre Abschaffung fordern: „Sie ist für uns Hersteller eine Herausforderung. Wir müssen allerdings damit leben und sehen es umso mehr als unsere Aufgabe, Konsumenten betreffend Wert, Herstellungsverfahren und Qualität der Produkte zu informieren und aufzuklären. Wir merken, dass es hier einen enormen Aufklärungsbedarf gibt. Denn der österreichische Konsument trinkt erstens mehr Wein als Schaumwein und zweitens ist er bereit, für Wein das Doppelte zu bezahlen, obwohl der Produktionsprozess für Sekt viel komplexer und kostenintensiver ist.”
… hochwertigen Marken …
Aus den Verschiebungen am heimischen Schaumweinmarkt lasse sich, so Gattermayer, aber schon erkennen, dass die Kunden verstärkt zu hochwertigen Produkten tendieren.
Bestätigt wird das auch durch die Champagner-Importe, die 2017 um fast 16% auf über 1,5 Mio. Flaschen gestiegen sind.
Zwar zeigen Verkostungen immer wieder, dass Schaumweine aus Österreich, Deutschland, Spanien oder Italien, die nach der klassischen Methode der Flaschengärung hergestellt werden, ihren Vettern aus der Champagne problemlos „das Wasser reichen können”, doch die Champagnerhäuser haben – seit sie 1728 mit dem Export ins Ausland begonnen hatten – erstklassiges Marketing betrieben und ihren „spritzigen” Wein als Luxusprodukt positioniert. Ein Image, das sich in den Köpfen der Konsumenten bis heute hartnäckig hält.
Moët & Chandon kommt den heimischen Konsumenten beim Stichwort „Champagner” am häufigsten in den Sinn, wie das Markenranking von Market zeigt – kein Wunder, handelt es sich dabei ja um das größte Champagnerhaus der Welt, das mit einer Handvoll anderer Big Brands, wie Veuve Clicquot, Dom Perignon, Pommery, Lanson oder Mumm den globalen Markt dominiert. Der Großteil der insgesamt rund 320 Champagnerhersteller sind KMU, und wie in anderen Branchen auch, steigt das Interesse an solchen kleinen, feinen Winzermarken.
2018 wurden insgesamt 302 Mio. Flaschen abgesetzt. Knapp die Hälfte, nämlich 147 Mio., werden in Frankreich konsumiert. „Champagner gilt auch in Österreich als der König der Schaumweine, wird aber trotzdem vergleichsweise selten konsumiert. Der Verbrauch in der Schweiz liegt zum Beispiel bei 5,7 Mio. Flaschen pro Jahr, das ist fast vier Mal so viel wie bei uns”, weiß Gattermayer.
… und Qualität
„Wir leben in einer disruptiven Welt, die sich an nationalen und internationalen Trends orientiert. Aus meiner Sicht gilt daher: Nicht entweder Sekt oder Champagner, sondern sowohl als auch, je nach Anlass, Speise und Laune. Der Konsument legt vor allem Wert auf Qualität und Geschmack, isst daher beispielsweise auch gern Parmesan aus Italien, Brie aus Frankreich und Bio-Gouda aus Holland und nicht nur Käse aus Österreich”, meint Gattermayer abschließend.