MOBILITY BUSINESS
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09.10.2015

„Es ist zuletzt viel Bewegung in die Thematik gekommen!”

Interview: Jürgen Halasz, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Elektromobilität, sieht die Antriebsalternative auf einem guten Weg.

••• Von Jürgen Zacharias

WIEN. Von Jänner bis August wurden in Österreich laut Statistik Austria 26% mehr Elektroautos zum Verkehr zugelassen, als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Geht es nach Jürgen Halasz, soll dieser Erfolg aber nur eine Zwischenstation sein. Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Elektromobilität Österreich (BEÖ) hält auch die von der Politik als Ziel ausgegebene Zahl von 200.000 bis 250.000 Elektroautos im Jahr 2020 noch für durchaus erreichbar.

medianet:
Herr Halasz, vor einem Jahr haben sich elf Energieversorgungsunternehmen zum Bundesverband Elektromobilität Österreich zusammengeschlossen. Welches Ziel verfolgt der Verband?
Jürgen Halasz: Zweck der Übung ist es, gemeinsam am Markt aufzutreten. Wir wollen eine flächendeckende, offene und interoperable Versorgung mit Elektromobilität aus erneuerbarer Energie, und dieses Ziel ist leichter zu erreichen, wenn wir unseren Partnern gegenüber mit einer Stimme sprechen und als ein Ansprechpartner wahrgenommen werden.

medianet:
Die elf Energieversorgungsunternehmen verfolgen parallel zu diesem Kernziel aber wohl auch unabhängig voneinander eigene Ziele im Bereich Elektromobilität.
Halasz: Natürlich tun sie das, in den Kernpunkten stimmen wir uns aber ab und gehen einen gemeinsamen Weg. Dabei geht es darum, österreichweit ein einheitliches und offenes Laden zu implementieren und das trotz etwa unterschiedlicher, hinter dem System liegender Abrechnungssysteme der einzelnen Energieversorger. Dazu ist viel Abstimmungsarbeit notwendig, was auch schon Vorprojekte wie MISch (Anm.: steht für Modellübergreifendes Interoperables Schnellladen) deutlich gemacht haben.

medianet:
Im Rahmen von MISch wurden entlang der A2 vier Ladestationen errichtet, um eine Fahrt mit dem Elektroauto von Graz nach Wien zu ermöglichen.
Halasz: Genau. Die Stationen werden von unterschiedlichen Anbietern betrieben, sind jedoch für die Kunden interoperabel zugänglich. Erste Erkenntnisse aus diesem Projekt zeigen die große Nachfrage nach anbieterübergreifenden Ladestationen, aber auch die Schwierigkeiten, die sich bei der Umsetzung auftun.

medianet:
Inwiefern?
Halasz: Die beteiligten Partner agieren beispielsweise mit gleichen Hardwarekomponenten, die aber an die Abrechnungssysteme der jeweiligen Betreiber angebunden sind. Außerdem haben Nutzer die Möglichkeit, Ladestationen zu reservieren, was aber einen Eingriff ins Back End System der beteiligten Firmen erfordert, um dem Nutzer die dafür erforderliche Legitimierung zu geben und diese ans System zu übermitteln. Das kann bei in sich geschlossenen Systemen schon kompliziert werden, aber erst recht, wenn dafür vier unterschiedliche Unternehmen zusammenarbeiten und einheitliche Standards finden müssen. Und natürlich wird das Ganze nicht einfacher, wenn die Zahl der beteiligten Unternehmen steigt und entsprechende Projekte österreichweit umgesetzt oder sogar international verschränkt werden sollen.

medianet:
Der BEÖ versucht also auch international eine Interoperabilität herzustellen?
Halasz: Im Bundesverband sind schon jetzt vier Partner dabei, die internationale Schnittstellen geschaffen haben. Darauf gilt es nun aufzubauen und mit den von den Partnern gewonnenen Erfahrungen nicht nur die Lücken im nationalen Netz zu schließen, sondern natürlich auch zunehmend Schnittstellen nach Deutschland und in andere Länder zu schaffen, um das Thema Elektromobilität auch international voranzubringen.

medianet:
Welche Chancen geben Sie der Elektromobilität langfristig? Der immer wieder angekündigte Durchbruch blieb ja bislang aus.
Halasz: Ja, weil bis vor Kurzem die Technologie noch nicht ausgereift und die Fahrzeuge schlichtweg zu teuer waren. Nun ist aber ziemliche Bewegung in die Thematik gekommen, nicht nur wegen der EU-Richtlinie zum Aufbau von Ladeinfrastruktur für alternative Kraftstoffe, sondern auch weil die Technologie mittlerweile alltagstauglich wurde. Auch in der Steuerrechtsreform wurden etwa mit der Sachbezugsbefreiung für Mitarbeiter, die ihr Elektroauto auch privat verwenden, mehr Akzeptanz und Unterstützung für das Thema geschaffen.

medianet:
Die Entwicklung geht also in die aus Ihrer Sicht richtige Richtung?
Halasz: Definitiv. Natürlich würde immer noch mehr gehen, andererseits muss man auch sagen, dass zu hohe Förderungen oft auch kontraproduktiv sind. In einem ersten Schritt zieht dann zwar der Absatz an, aber kaum fällt die Förderung weg, bricht die Nachfrage ein und damit auch die Industrie dahinter. Entsprechende Initiativen müssen also mit Bedacht passieren und auch deshalb sind wir über die Sachbezugsbefreiung sehr glücklich.

medianet:
Inwieweit könnte der aktuelle VW-Dieselskandal dem Thema Elektromobilität nun zusätzlichen Schub geben?
Halasz: Da rechnen wir schon mit einem gewaltigen Auftrieb – nicht so sehr, weil sich Konsumenten nun vermehrt auf Elektromobilität stürzen, sondern weil mit Volkswagen nun einer der größten Automobilhersteller der Welt quasi gezwungen ist, seine Bemühungen in diese Richtung zu intensivieren, um sich wieder ein positives Image zu verschaffen. Und wenn dann in Zukunft im Schauraum unter 100 Autos nicht zwei oder drei Elektroautos, sondern 20 oder 30 stehen, dann ist das eine ganz andere Signalwirkung nach außen.

medianet:
Eine Signalwirkung, mit der die von der Politik angestrebte Zahl von 200.000 bis 250.000 Elektroautos auf heimischen Straßen im Jahr 2020 noch realisierbar ist?
Halasz: Warum nicht? Aus unserer Sicht ist diese Zahl absolut realistisch. Die Zulassungszahlen sind zuletzt stark gestiegen, und in Kombination mit den zuvor genannten Verbesserungen kann sich durchaus ein Schneeballeffekt ergeben, der dem Thema endgültig zum Durchbruch verhilft.

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