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© Manfred Werner/Tsui – CC by-sa 3.0

Redaktion 08.09.2017

„Es braucht moderne Filmförder-Strukturen”

Danny Krausz, Obmann Fachverband Film- & Musikwirtschaft Österreich, mit Wünschen an die nächste Regierung.

Am 15. Oktober 2017 wählt Österreich ein neues Parlament und damit auch eine neue Regierung. Damit werden die politischen Karten neu gemischt, und es stehen sich Parteien mit sehr unterschiedlichen Kultur- und medienpolitischen Vorstellungen gegenüber. Was heißt das für die österreichische Filmproduktion – welche Auswirkungen und welche Impulse erwartet sich die Filmwirtschaft davon? Dazu spricht Danny Krausz, Produzent der Produktionsfirma Dor-Film (u.a. „Die Blumen von gestern” von Chris Kraus, „Gipsy Queen” Hüseyin Tabak und aktuell „Baumschlager”) und Fachverbands-Obmann der Film- und Musikwirtschaft ­Österreich (Film and Music Austria, FAMA), mit medianet.


medianet:
Wie beurteilen Sie die bisherige Regierungsarbeit der letzten Periode?
Danny Krausz: Wir müssen das im Vergleich sehen, zumindest was im deutschen Sprachraum passiert. Deutschland hat seine Position eindrucksvoll klar gemacht – der DFFF wurde subs­tantiell erhöht und damit der Filmstandort gestärkt. Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender wurde umgestellt, und letztlich ist mit den Terms of Trade mit ARD und ZDF ein beachtlicher und respektabler Schritt für ein zukünftiges Regelwerk auf dem Weg.

medianet:
Und wie ist die Lage Ihrer Meinung nach in Österreich?
Krausz: In Österreich haben wir zweifelsohne ein funktionierendes Fördersystem auf Landes- und Bundesebene, Budgets stagnieren jedoch, und Strukturen sind doch deutlich spürbar in die Jahre gekommen. In immer kürzeren Legislaturperioden gelingt es scheint’s nicht, den Ressorts die akuten Notwendigkeiten klar zu machen. Es gibt vage, aber doch Zusagen des ORF hinsichtlich fairer Vertragsbedingungen und jährlicher Investments in die Produktion, die allerdings dringend erneuert werden müssten und derzeit keine belastbare oder gar planbare Zukunftsperspektive vorgeben. Das ist Stagnation auf mittlerem Niveau, und damit werden wir weder den Status als Filmproduktionsstandort noch die Wettbewerbsfähigkeit der Produktionswirtschaft in einem internationalen Umfeld erhalten können.

medianet:
Was braucht es denn in der kommenden Regierungsperiode aus Ihrer Sicht?
Krausz: Der Fachverband hat dazu ein argumentiertes Angebot an die Bundesregierung erarbeitet. Nur als Beispiel sei genannt: Seit Jahren diskutieren wir über die Ergänzung der Subventionsförderungen durch Steuerrabatt- oder Sheltermodelle, wie sie in anderen Ländern – z.B. in Belgien – äußerst erfolgreich umgesetzt wurden.

medianet:
Was würde sich dadurch ändern?
Krausz: Damit kann einerseits privates Geld für die Filmfinanzierung herangezogen werden, andererseits der Filmstandort attraktiver werden. Belegbar ist die volkswirtschaftliche Rentabilität jederzeit, bemerkenswert dabei ist die bewegliche Anwendbarkeit in kleineren europäischen Ländern. Neben Belgien hüpfen uns das ja die Iren schon lange vor. Einmal französische Basis, einmal englische Basis, wir könnten doch perfekt die deutschsprachige Basis anbieten! In Österreich haben wir nur ein Minimalbudget für die Produktionsbe- und -Anwerbung des Filmstandorts zur Verfügung. Riesenrad, Schönbrunn und der Sisi-Mythos werden uns da auf lange Sicht auch nicht ausreichend helfen können.

Warum diese Systeme nicht längst eingeführt sind, die keine Belastung für das Budget bedeuten – ganz im Gegenteil – und weltweit 100-fach bewährt sind, versteht eigentlich niemand.


medianet:
Wie war denn die bisherige Resonanz hier?
Kraus: Bis jetzt haben wir auch hier von der Politik immer schöne Resonanzen bekommen – umgesetzt wurde aber noch nichts, die effektive Dringlichkeit nicht erkannt. Das gilt auch für ein nachhaltigeres Verhältnis zwischen Produzenten und öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Mit dem Fernsehfonds Austria haben wir ja hier ein funktionierendes, leider auch unterdotiertes System, das hervorragend funktioniert und über die hauptsächliche Förderung von deutsch-österreichischen Koproduktionen eine Wertschöpfung generiert.

Hier gibt es seit 15. August eine neue Geschäftsführung, und man wird sich anschauen müssen, wie man das System weiterentwickeln und dynamisieren kann – etwa durch Einbeziehung neue Player wie Netflix u.a., deren Präsenz auf dem TV-Markt keine Zukunftsvision, sondern ein Faktum ist.


medianet:
Was erwartet sich die österreichische Filmwirtschaft? Liest man das Forderungsprogramm, entsteht das Bild einer hochgradig diversifizierten bzw. aufgesplitterten Förderlandschaft mit stark zentralistischem Touch. Ist überall mehr Budget auf alle Fördertöpfe die naheliegende Antwort?
Krausz: Zuerst einmal haben wir in unserem Forderungsprogramm einen pragmatischen Ansatz betrieben. Nachdem erfahrungsgemäß nur ein Bruchteil der Forderungen in ein Regierungsprogramm Eingang findet und die Umsetzung dahinter ohnehin fraglich ist, sind wir natürlich auf die einzelnen tatsächlich vielfältigen Förderstrukturen eingegangen. Aber ja: ‚Mehr von Allem' ist natürlich nicht die einzige Antwort.

Wir stehen vor großen medialen Umbrüchen und antworten darauf teils mit den Strukturen und Bedingungen des letzten Jahrtausends. Kino ist und bleibt der wichtigste Motor in der Filmwirtschaft; das heißt aber nicht, dass wir neue Sehgewohnheiten der Konsumenten ignorieren dürfen. Die Diskussion in Cannes hat ja die Brisanz und Emotionalität, die hinter dieser Frage steht, deutlich gezeigt.


medianet:
Und bei TV?
Krausz: Auch im TV-Bereich ist der Zug längst in Richtung non-linearen Konsums abgefahren, dem müssen sich auch alle Förderungen stellen; und: So richtig und notwendig nach langen Jahren der Stagnation Budgeterhöhungen jetzt wären: Überall eine Million dazuzugeben quasi als bedingungsloses Grundeinkommen für Film-Kreative, ist natürlich nicht die einzige Antwort, sondern es geht auch um die Diskussion eingefahrener Strukturen und hinterfragbarer Entscheidungsprozesse. Letztere sind ja wohl auch mit ein Grund für die wahrhaft unbefriedigende Verwertungssituation vor allem im Kinofilmbereich und die mangelnde Akzeptanz bei breiten Publikumsschichten.

Bei alldem darf die zentrale Rolle der Filmproduktion nicht vergessen werden. Das ist der innovative Kern – der Content-bringer für alle Plattformen und das muss sich in den Entwicklungs- und Herstellungsbudgets vom Drehbuch bis zur Verwertung und einer letztlich auch auf die Verwertung ausgerichteten Förderpolitik bemerkbar machen. Film ist weder Hobby noch Selbstbefriedigung, sondern ein hoch innovativer- Technologie-affiner, kultureller Wirtschaftszweig mit kulturellen, aber auch volkswirtschaftlichen Effekten und ein Arbeitsplatzbringer auf hohem technischem Niveau – das wird in der Diskussion zu oft vergessen.


medianet:
Österreich wird 2018 die EU-Präsidentschaft inne­haben. Große politische Vorhaben, wie das EU-Urheberrechtspaket und die SatCab-Verordnung stehen an. Bereits jetzt werden von österreichischer ­Seite klare Ansagen vermisst.
Krausz: Schrecklich, diese Unterschätzung der Brisanz! Die vorgelegten Papiere und die große EU-Lotterie, was die ­diversen EU-Parlamentarier mit ihren heterogenen Inputs noch dazufügen werden, stürzen die gesamte europäische Filmwirtschaft in große Unsicherheiten. Ohne Notwendigkeit, nicht faktenbasiert und ideologiegetrieben wird ein funktionierendes System gefährdet.

Film ist und bleibt ein aufwendiges Produkt, das in der Finanzierung, der Entwicklung, Produktion und in der Verwertung von territorial exklusiver Lizenzierung lebt. Davon profitiert auch die kulturelle Diversität.
Gerade bei der SatCab-Verordnung haben sich wichtige EU-Länder – allen voran Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien – gegen das vorgesehene Ursprungsland-Prinzip und die verpflichtende kollektive Lizenzierung bei Retransmission ausgesprochen, weil es de facto auf eine Enteignung im Online-Bereich hinausläuft.


medianet:
Welche Position nehmen wir in dieser Frage ein?
Krausz: Österreich hat hier eine abgeklärte Position vermissen lassen. Diese EU-Regelung wird wesentlich von der EBU vorgetragen. Warum gerade diese den Verlust der territorialen Exklusivität in Kauf nimmt, darüber kann man nur rätseln. On the long run werden davon nur die großen Online-Plattformen profitieren, die sich die internationale Lizenzen leisten können und die ohnehin in ihrem Portfolio auf ausschließlich weltweit verbreitbare Produkte setzen.

Keiner, der dem Vielfaltsgedanken etwas abgewinnen kann, versteht diese Selbstgeißelung. Die langjährige Forderung unsererseits, zumindest die sprachterritoriale Lizenzierung zu thematisieren, der kommt man nicht nach und dann das?


medianet:
Und für die Leser  in Kürze die Forderungen der österreichischen Filmwirtschaft an die neue Bundesregierung?
Krausz: Sicherstellung einer nachhaltigen Finanzierung speziell für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Leitmedium. Der Bedarf ist demokratiepolitisch ja nicht zu übersehen. Gleichzeitig auch ein gesetzlich verpflichtendes, quantifiziertes Investment in unabhängige TV-Film-Produktionen. In dem Zusammenhang sollten auch die Privaten ihren Förderempfang rechtfertigen müssen. Eine Modernisierung der bestehenden Filmförderungsstrukturen auch in der Entscheidungsfindung und die überfällige Ergänzung der Fördersysteme um steuerbasierte Modelle. Und als konkreten Schritt gegen den Ausverkauf unserer kreativen Kapazitäten die Schaffung der o.a. multiterritorialen Sprachraum-Lizenzierung.

medianet:
Inzwischen liegen Parteiprogramme der SPÖ, der FPÖ und der Grünen vor. Hier gibt es auch Kulturkapitel. Gibt es dazu einen Kommentar?
Krausz: Parteiprogramme im Vorfeld der Wahl sind ja mehr Literatur denn konkret einklagbare Handlungsanleitungen. Das grüne Parteiprogramm macht in seinem Kulturkapitel den Versuch von Kunstdefinitionen, scheint aber – wenn man die vagen Bemerkungen ernst nimmt – das bestehende Urheberrechtssystem eher negativ zu sehen – zum Nachteil der Kulturschaffenden übrigens.

Dass Filme mit Förderungen produziert werden, macht sie bei Weitem noch nicht zum öffentlichen Gut, sondern nach wie vor muss Verwertbarkeit ein Kriterium sein. Film ist immer im Spannungsfeld von Kunst- und Wirtschaftsförderung angesiedelt – allein schon wegen der hohen Herstellungskosten. Film darf daher den Markt oder besser die Märkte nicht ausblenden, das ist nicht vertretbar. Sie sind verdammt schwer zu erobern – keine Frage, sie in Abrede zu stellen, wäre hingegen törichte Ignoranz. Filmfördern ist kein Ponyhof und auch kein Menschenrecht. Es ist eine stets durch die Filme selbst zu rechtfertigende kulturelle wie wirtschaftliche Maßnahme.


medianet:
Und die anderen?
Krausz: Von der ÖVP wissen wir leider noch keine kultur­politischen Vorstellungen, und die FPÖ hat sich ein Kulturkapitel offensichtlich gleich erspart. Die SPÖ enthält im Parteiprogramm immerhin das Bekenntnis für eine ausreichende Dotierung des Kunstbudgets und wird im Wahlprogramm teils recht konkret – bis hin zu einer mutigen, 30%igen Quote für ­österreichische Inhalte. Ob das so auch umgesetzt wird, wird sich zeigen. Die versprochene Fernsehfondserhöhung hat bereits zwei Regierungsprogramme verschönt und ist bis heute nicht umgesetzt. (red/fej)

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