PRIMENEWS
04.03.2016

Es war einmal … der Mensch

Seit der Einsatz der Robotik im Mensch-Maschine-Sektor in die Livetest­phase übergeht, gewinnen die Diskussionen darüber an inhaltlicher Tiefe.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider


ROBOTERREGELN. Heute finden Sie in medianet industrial einen interessanten Bericht über den Roboter-Boom in der Industrie. Spannende Projekte im Robotikbereich befassen sich mit der Mensch-­Maschine-Kooperation – etwa mit deren Einsatz im Pflegebereich oder bei der ­Polizei. In Dubai etwa sollen ab 2017 Roboterpolizisten zum Einsatz kommen – einstweilen eher als mobile Notrufsäule denn als Robo-Cop. Dennoch wirft die Entwicklung Fragen auf, die darüber hinausgehen, ob und wie die neueste Generation von Sex-Robotern, die laut Marketingsprech mittels künstlicher Intelligenz „zu echten Partnern werden sollen”, die Familienplanung beeinflusst. Denn: Wie geht der Mensch mit Entwicklungen um, die seiner eigener Reflexionsfähigkeit ein nicht mehr schaffbares Tempo aufzwingen? Die Erforschung der juristischen, politischen und ethischen Implikationen könnte länger dauern als die Evolution diverser anthropomorpher Spielarten artifizieller Intelligenz.

Die längste Zeit machte der Mensch ja sogar dem Menschen sein Menschsein streitig: Noch bis in die 1980er-Jahre ging man davon aus, dass Säuglinge – sozusagen noch keine „richtigen” Menschen – auf Schmerz nur reflexhaft reagieren, da deren Nervenzellen nicht ausgereift genug seien. Häufig wurden sie ohne Anästhesie operiert. In der Folge musste man nicht nur anerkennen, dass die Empfindungsfähigkeit des Menschen nicht direkt proportional mit der Größe abnimmt, sondern dass auch Tiere Schmerz empfinden.
Durchaus lebhaft geriet auch die Diskussion zur Grenzziehung zwischen Mensch und Tier. Nach Jahrtausenden stiller Übereinkunft, dass es halt ist, wie es ist mit der Krone der Schöpfung, einigte man sich auf Kriterien wie die Tradierung von Wissen, Werkzeugherstellung, Sprache, Empathievermögen, moralische Entscheidungsfähigkeit und das Bewusstsein des eigenen Ichs zur Festlegung unseres Hoheitsanspruchs. Seit wir allerdings wissen, dass Schimpansen ihren Jungen die Werkzeugbenutzung beibringen und per Sprachcomputer durchaus freche Forderungen formulieren, dass Delfine vorm Spiegel Faxen machen, und Raben innerhalb der Sippe Personenbeschreibungen von gefährlichen Individuen weitergeben, rüttelt das doch schon gefährlich an unserem Exklusivitätsanspruch am Baum der Erkenntnis.
Was bliebe, ist die Moral, die den Menschen vom Tierreich trennt – und diese Unterscheidung war schon unglaubwürdig, lange bevor sich Kant und Schopenhauer damit auseinandergesetzt haben. Neuerdings ist es nicht einmal die Hirnrinde und dessen Ausbildungsgrad, der uns zumindest in biologischer Hinsicht aus dem Schlamassel helfen könnte. Vögeln fehlt der Neocortex. Dennoch sind deren kognitive Fähigkeiten jenen von Primaten ebenbürtig, berichten Wiener Forscher jetzt im Fachjournal Trends in Cognitive Sciences.
Organisationen wie das OpenAI-Institut, das von Investoren wie Tesla-Chef Elon Musk eine Milliarde Dollar Startkapital erhalten hat, befassen sich bereits mit der Frage „Wie vermeiden wir, dass sich die intelligenten Maschinen einmal gegen uns wenden?” Die Diskussion, ob diverse AI-Maschinen dem Menschen untertan sein wollen oder uns demnächst in Emanzipationsfragen unter Druck setzen werden, führen wir dann, wenn es so weit ist.

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