••• Von Ornella Luna Wächter
Mein erster Fund waren gefälschte CDs. Da war Österreich noch nicht bei der EU. 90.000 CDs haben wir da gefunden”, erinnert sich Gerhard Marosi. Dann wurde nach der Quelle gesucht. Es habe Hausdurchsuchungen gegeben und am Ende wurden Geld- und Haftstrafen verhängt. „Aber CDs und DVDs sind ja heute überhaupt kein Thema mehr”, so der Zollbeamte. Musik und Filme werden heutzutage im Internet illegal heruntergeladen. Das hat das aufwendige Schmuggeln physischer Ton-und Bildträger überflüssig gemacht. Marosi arbeitet im Bundesministerium für Finanzen und ist Leiter des Bereichs für Verbote und Beschränkungen. Sein Büro liegt im frisch sanierten Dachstuhl eines schmucken Barockpalais in der Johannesgasse in der Wiener Innenstadt.
Umbruch im Schmuggel
Seit er 1981 im Zollamt als Abfertigungsbeamter begann, hat sich nicht nur Marosis Arbeitsumgebung verändert. Auch der illegale Handel mit gefälschten Produkten in der EU und in Österreich hat sich weiterentwickelt und professionalisiert. Hauptverantwortlich ist dabei das Aufkommen des eCommerce. Dank elektronischer Marktplätze und Online-Plattformen tummeln sich immer mehr Verbraucher im Internet, als auf den Einkaufsstraßen und in den Läden. Im Netz lassen sich Schuhe, Taschen oder elektronische Geräte oft zu viel günstigeren Preisen erstehen. Fälscher machen auf ihrem mittlerweile wichtigsten Vertriebsweg auch aggressiv Werbung; laut eines Berichts des BMF gelangten mithilfe Sozialer Netzwerke (darunter Facebook) über 1.600 gefälschter „Michael Kors”-Taschen ins Land.
„Der eCommerce hat eine völlig neue Vertriebsschiene für die Fälscher erzeugt”, bestätigt auch Gerhard Marosi. Was früher an Waren umständlich nach Europa geschmuggelt werden musste, um dann auf Stränden, Straßen und Märkten verkauft zu werden, gelangt heute per Post oder über Kurierdienste an den Kunden. Das erleichtert es den Fälschern, mit ihrer Ware „an den Mann zu kommen”. Riesenladungen wie die 90.000 CDs von 1997 waren viel aufwendiger zu organisieren und sind heute sehr selten geworden. Beamte des Zolls haben es nun mit vielen kleinen Sendungen im Postverkehr zu tun.
Über 67.000 gefälschte Artikel
2016 griffen diese über 1.800 Sendungen auf, die alle online bestellte Fälschungen enthielten. Insgesamt wurden im letzten Jahr in dem Postzentrum Inzersdorf 67.535 Artikel aus dem Verkehr gezogen; der Wert der Produkte betrug dabei mehr als 2,7 Mio. € (gemessen am Originalpreis). Es ist ein Strom, der nicht abreißt – im Gegenteil, es wird immer mehr.
Marosi öffnet einen Schrank und zeigt gefälschte Fußballschuhe, Polo-Shirts und Uhren. Aus Plastiktüten wickelt er Medikamente und Cremen und ein einst sehr neues, teures Smartphone. „Unser Anschauungsmaterial”, erklärt Marosi . Auch Hörner und Stacheln von Tieren und andere exotische Trophäen sind darunter. 2016 war für die Zollbehörde ein Rekordjahr: Noch nie wurden so viele Medikamente aufgegriffen. Mehr als 50.000 Plagiate im Wert von über einer Mrd. € sind beschlagnahmt worden, die über diverse Online-Portale vertrieben wurden und dem Konsumenten Echtheit und Seriosität vortäuschen.
Leicht zu entlarven
Medikamente als Fälschung zu entlarven, sei aber nicht schwer, so Marosi. Potenzmittel und Diätpillen, welche auf der Hitliste ganz oben stehen, werden lediglich als Blister-Streifen verschickt. „Kein Beipackzettel und keine Verpackung, Originalmedikamente werden so nicht transportiert.” Die Art, wie die Ware verpackt ist, trenne schon die Spreu vom Weizen, so Marosi. Unter dem Anschauungsmaterial ist auch eine kleine Flasche mit einem weltweit sehr bekannten Logo – ein Red Bull Energy Drink. Lebensmittelfälschungen kommen in Österreich, das zeigen auch die peniblen Tabellen des BMF, allerdings so gut wie gar nicht vor, 2016 gab es keine einzige. In Italien dagegen komme das regelmäßig vor, so Marosi, mit gefälschtem Parma-Schinken, Parmesan oder Olivenöl. „Wobei, ergänzt Marosi, wenn österreichische Unternehmen von Fälschungen betroffen sind, dann eher im Ausland.” In Japan und China würden vor allem Fälschungen von steirischem Kürbiskernöl angeboten.
Zu ermitteln, woher die Sendungen gefälschter Waren stammen, wird schwierig. Fälscher schicken die Produkte über „Fulfillment Center”, um ihre Herkunft zu verschleiern. Als Absender scheint eine Adresse u.a. in Deutschland auf, obwohl die Ware ursprünglich aber aus China (47%), aus Indien (45%) oder der Türkei (1%) stammt. Angst vor rechtlichen Folgen müssen Konsumenten allerdings nicht haben. Man bekommt lediglich einen Brief des BMF mit der Aufforderung, einer Vernichtung mit zollamtlicher Überwachung zuzustimmen.