RETAIL
© Daniel Mikkelsen/Handelsverband

Vor der Presse Norbert Scheele (C&A), Rainer Will (Handels­verband), Susanne Eidenberger (bellaflora) und Andreas Kreutzer (Kreutzer Fischer Partner).

Redaktion 31.05.2024

Mit Zweckoptimismus in das Superwahljahr

Handelsverband und Kreutzer Fischer & Partner stellen die neue Studie „Österreichs Handel in Zahlen” vor.

••• Von Paul Hafner

Fast alle Handelssparten verzeichneten 2023 ein reales Umsatzminus, parallel dazu sind die Kostenbelastungen für Betriebe „dramatisch gestiegen”. Der Anteil der E-Commerce-Ausgaben ist auf ein neues Allzeithoch von 12,1% gestiegen, doch es boomen vornehmlich die vielfach kritisierten asiatischen Billigplattformen Temu und Shein; diese sind auch hauptverantwortlich für das deutliche Wachstum der B2C-Zustellungen. Bereits mehr als vier von zehn Händlern spüren den Wettbewerbsdruck durch die beiden Marktplätze aus Fernost, fast jeder dritte Betrieb kämpft außerdem mit Personalnot – das sind die Kernaussagen der am Dienstag von Handelsverband und Kreutzer Fischer & Partner präsentierten Studie „Österreichs Handel in Zahlen 2024”.

In dessen Rahmen forderte HV-Geschäftsführer Rainer Will einmal mehr „faire Bedingungen für den Onlinehandel und gleiche Spielregeln für alle” ein – ansonsten werde „immer derjenige zuerst ins Ziel kommen, der sich nicht an die Regeln hält”, so der Handelssprecher, der die Politik „zum dringenden Handeln” aufrief.

Abschaffung der Zollfreigrenze

Eine der diesbezüglichen Kernforderungen des Handelsverbands ist die Senkung der Zollfreigrenze von 150 auf 0 € für B2C-Importe aus Drittländern – dies ist laut EU-Entwurf für 2028 vorgesehen; die Interessensvertretung des heimischen Handels pocht indes auf eine Regeländerung „sobald wie möglich, jedoch spätestens 2026” und bemängelt darüber hinaus sowohl ein „zahnloses Regulativ” wie „eklatante Vollzugsdefizite” – denen etwa mit einer „besseren digitalen Vernetzung” der europäischen Zollbehörden entgegenzutreten sei.

Die Paketlawine rollt

Vor dem Hintergrund des rasanten Wachstums von Temu und Shein, die sich bereits jetzt in den Top 10 der umsatzstärksten E-Commerce-Plattformen des Landes einfinden, ist auch die Entwicklung des heimischen Paketmarkts zu sehen: Nach weitgehender Stagnation 2022 legten die Paketmengen im B2C-Bereich 2023 um 11,4% auf fast 210 Mio. Versandpakete zu – ein Wachstum, das vom HV „ausschließlich” den beiden Onlineplattformen zugeschrieben wird.

„Hierzulande hat fast jeder zweite der unter 27-Jährigen schon bei den beiden chinesischen Onlinediskontern bestellt”, erklärt Norbert Scheele, HV-Vizepräsident und Head of European Expansion bei C&A Österreich. Man gehe davon aus, „dass die Ausgaben der Österreicherinnen und Österreicher bei chinesischen Onlineshops bis zum Jahresende auf mehr als eine Milliarde Euro ansteigen werden”.

Personalmangel hält an

Neben billigem Ramsch von weit her machen dem Handel aber auch regionale Herausforderungen zu schaffen: 31% der heimischen Händler klagen laut HV-Erhebungen nach wie vor über zu wenig verfügbare Arbeitskräfte und einen deutlichen Rückgang an Bewerbungen. Will: „Bundesweit gibt es derzeit rund 100.000 offene Stellen im Handel, die nicht zeitnah besetzt werden können.”

Um angesichts der „im Vorjahr dramatisch gestiegenen Kostenbelastung” (Will) ihre wirtschaftliche Existenz abzusichern, greifen Österreichs Händler auf unterschiedliche Einsparungsmaßnahmen zurück: 56% setzen auf bzw. planen einen Investitionsstopp, 46% reduzieren ihre Werbespendings, und 37% denken über einen Personalabbau nach. Einen Expansionsstopp müssen 22% vollziehen, Filialschließungen sind für 13% ein Thema.
Um einen „wirtschaftlichen Flächenbrand” zu verhindern, sieht der HV neben mehr Fairness im E-Commerce und einer Arbeitsmarktreform inkl. Senkung der Lohnnebenkosten (medianet berichtete in der Vorwoche) als dritte wichtige Maßnahme die Reduktion von Überregulierung und den Abbau von Bürokratie: „Wir fordern eine strukturelle Entlastung zur Stärkung der Betriebe und damit zum Erhalt der Stadt- und Ortskerne”, betont bellaflora-Geschäftsführerin Susanne Eidenberger. Ein wichtiger Punkt sei außerdem „die Senkung der Mietkosten für den Handel durch die sofortige Abschaffung der Mietvertragsgebühr”, darüber hinaus sollten „weitere unnötige Regulierungen deutlich zurückgefahren werden”.

Gemischter Ausblick

Für das Gesamtjahr 2024 erwarten 30% der Händler, das Geschäftsjahr mit einem Verlust abzuschließen. 37% kalkulieren mit einem ausgeglichenen Ergebnis, und 33% rechnen mit einem Gewinn. Zwar sei die Zuversicht angesichts der anhaltenden Herausforderungen „noch ein dünnes Pflänzchen”, doch bleibe man „zweckoptimistisch”, habe sich doch trotz der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung „zumindest die Konsumstimmung zuletzt aufgehellt, auch das Preisniveau normalisiert sich langsam wieder. Das ist der Hoffnungsschimmer, an den wir uns jetzt klammern”, so Will.

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL