FINANCENET
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reinhard krémer 26.04.2019

Kreditnehmer haben Grund zum Jubeln

Die flachere Konjunktur lässt die Euro-Zinskurve weiter am Boden – neuerliche große Krise ist nicht in Sicht.

••• Von Reinhard Krémer

Der Höhepunkt der konjunkturellen Entwicklung ist überschritten – Gefahr droht aber nicht: Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Marktausblick der Bawag PSK.

Denn anders als zu Jahresbeginn gehen die Finanzmärkte jetzt nicht mehr von einer ausgeprägten Krise der Weltwirtschaft aus.

Trump-Sprech drückt

Die Abkühlung des Wachstums­umfelds veranlasste Wortmeldungen von Vertretern der US-Notenbank und von Präsident Trump, die auf eine erste Leitzinssenkung seit 2008 hindeuten – mit Auswirkungen auf die Eurozone: „Wenn die US-Notenbank Fed die Zinsen senkt, bringt sie die Europäische Zentralbank EZB unter Zugzwang, neue unkonventionelle Maßnahmen zu starten. Wie auch immer der Weg aus dem aktuellen Zins-Dilemma aussieht: Zinsen bleiben in Europa auf absehbare Zeit auf ihren tiefen Niveaus, und die heimischen Sparbuchsparer werden weiterhin an Kaufkraft verlieren, selbst wenn die Inflationsraten leicht zurückgehen”, erklärt Ingo Jungwirth, Volkswirt bei der Bawag PSK.

Sonderfaktoren belasten

Vor allem in Ländern mit export­orientierten Industrien wurden die Wachstumsprognosen für 2019 nach unten korrigiert.

Das Wachstumsfeld wird aktuell von Sonderfaktoren belastet, wie etwa dem Auslaufen der positiven Effekte aus der Einkommensteuersenkung in den USA, den Anhebungen von Zöllen zwischen den USA und China sowie den Unsicherheiten im Hinblick auf den Brexit.
Auch in Österreich gibt sich die Österreichische Nationalbank OeNB bei den Prognosen heuer deutlich verhaltener als noch 2018; demnach soll die heimische Wirtschaft um 2,0% wachsen. Im Vorjahr betrug das Wirtschaftswachstum noch 2,8%. Auch in den USA zeigt sich ein ähnlicher Trend: Die Fed geht 2019 von einem schwächeren Wachstum (2,1%) aus.
In den letzten Wochen hat dies laut Jungwirth zu einem Umdenken bei den Lenkern der Notenbanken geführt: „In den USA hat es seit 2015 neun Leitzinsanhebungen gegeben. Dieses Jahr ist wohl keine weitere Zinsanhebung zu erwarten – im Gegenteil. Es gibt bereits erste Notenbankmitglieder, die sich für Zinssenkungen in den USA aussprechen, um die Konjunktur anzukurbeln.”

Zinsen auf Vorkrisenniveau

Das aktuelle Zinsniveau von 2,5% befindet sich auf dem durchschnittlichen Vorkrisenniveau und lässt somit Spielraum für Zinssenkungen in den USA, so der Bawag PSK-Experte.

Eine Zinssenkung der US-Notenbank könnte Investitionstätigkeiten und damit das Wirtschaftswachstum fördern, meint der Bawag PSK-Volkswirt.

Neuer Währungskampf droht

„Wenn die Zinsen in Amerika fallen, könnte es zu einem Abwertungswettlauf zwischen Euro und US-Dollar kommen”, zeigt Ingo Jungwirth auf.

Eine Vergünstigung der US-amerikanischen Exporte im Ausland und eine Verteuerung der europäischen Importe in die USA wären als Folgen zu erwarten, was wiederum auch die Europäische Zentralbank hinsichtlich ihrer Zinspolitik unter Zugzwang setzen würde.
Da der Leitzins in Europa aber schon am Boden – nämlich bei 0,0% – liegt, wäre der Handlungsspielraum der EZB begrenzter als jener der US-Notenbank.

Die Dosis macht das Gift

„Die bisher erprobten Mittel in dieser Situation waren Strafzinsen, günstige Liquidität für Geschäftsbanken und Wertpapierzukäufe. Es gibt jedoch wenig Erfahrungswerte, was die Dosierung dieser unkonventionellen Mittel angeht”, meint Bawag PSK-Volkswirt Ingo Jungwirth.

Damit verbunden wären zudem große Unsicherheiten hinsichtlich der Effizienz der Maßnahmen und auf der anderen Seite deren Auswirkungen auf die Realwirtschaft, sagt der Experte.

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