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Redaktion 11.02.2022

So bleiben Sie auf den Miesen nicht sitzen

Tipps des Kreditversicherungsexperten Peter Androsch für Gläubiger, wenn der Schuldner „wackelt”.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Die Pleitewelle könnte bald heftig zurückkommen. Denn nach dem Auslaufen von staatlich verordneten Stundungen und Hilfsmaßnahmen gab es bereits im 4. Quartal 2021 einen spürbaren Anstieg der Unternehmensinsolvenzen.

Wer die Insolvenz beantragt

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit kam es zuletzt aber noch zu einem anderen Phänomen: „Während sich früher Eigen- und Gläubigeranträge noch weitgehend die Waage gehalten haben, gehen heute bereits fast 70 Prozent aller Insolvenzanträge auf die Gläubiger zurück”, sagt Peter Androsch, Geschäftsführender Gesellschafter der österreichischen Kreditversicherungsmaklergesellschaft A.C.I.C.

„Wir raten den Unternehmen schon seit Längerem zu einem straffen Forderungsmanagement in Kombination mit weiteren Präventivmaßnahmen”, so der Experte. Denn die Hoffnung auf ein späteres Sanierungsverfahren sei in rund 95% der Fälle vergebens: „Unseren Beobachtungen nach werden nur rund fünf Prozent aller Insolvenzen in Österreich als Sanierungsverfahren eröffnet, 95 Prozent enden hingegen mit der Liquidation”, so Androsch.

Forderungsmanagement

Niemand ist gerne „lästig”. Besonders heikel wird die Sache aber dann, wenn ein wichtiger Kunde in Zahlungsverzug gerät und man insistieren muss.

„Wenn umsichtige Zahlungserinnerungen oder gar eindringliche Mahnschreiben nicht mehr fruchten, sollten die Gläubiger nicht zu lange damit warten”, sagt Androsch. „Schrecken Sie angesichts des Rückstaus bei den Insolvenzanträgen nicht vor einem strengen Mahnwesen zurück.” Je nach „Eskalationsstufe” sei das die Beauftragung eines Inkassobüros bis hin zum Gang vor die zuständigen Landes- beziehungsweise Handelsgerichte, um dort Exekutions- oder Insolvenzanträge gegen die Kunden einzubringen.
Viele Unternehmen würden nur die Gefahr sehen, einen wichtigen Kunden zu verprellen, übersehen aber das enorme Risiko, dass gerade dort ihre offenen Forderungen besonders groß sein dürften.

Wissen ist Macht

Je nach Branche und Betriebsgröße haben Unternehmen oft unzählige Neu- und Bestandskunden, über deren Bonität und vergangene Zahlungsverhalten sie manchmal nur unzureichend Bescheid wissen. Eine Möglichkeit, um Abhilfe zu schaffen, ist die Einholung von Informationen über Kredit­auskunfteien. Die andere Option ist der Abschluss einer Kreditversicherung, weil im Zuge dessen die Kunden einem umfangreichen Screening unterzogen werden.

Unangenehme Überraschung

„Die Kreditversicherer wollen natürlich auf Nummer sicher gehen, weil sie im Insolvenzfall die offenen Forderungen an die Lieferanten begleichen müssten. So mancher Lieferant ist im Zuge dieser Screenings dann sehr überrascht, wenn er beiläufig erfährt, dass einer oder mehrere seiner Geschäftskunden bzw. die handelnden Personen dahinter bereits in der Vergangenheit mit anderen Gesellschaften in die Insolvenz geschlittert sind”, schildert Androsch.

Die staatlichen Hilfsmaßnahmen für die Unternehmen haben noch zu einem anderen interessanten Phänomen geführt: „Durch die künstlich niedrig gehaltenen Insolvenzquoten hatten die Kreditversicherer bzw. in weiterer Folge auch die Rückversicherer in den vergangenen eineinhalb Jahren nur sehr geringe Schadensverläufe zu verzeichnen”, erläutert der Kreditversicherungsexperte.

Günstiges Zeitfenster nutzen

Dadurch sind diese derzeit noch kulant bei der Vergabe von Kreditlimiten, und die Prämien sind relativ niedrig. „Es ist ein Zeitfenster, das findige Lieferanten derzeit noch nützen können, um ihre Forderungen für mindestens ein Jahr zu relativ guten Konditionen abzusichern”, so Androsch. Viel Zeit bleibe allerdings nicht mehr.

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