WIEN. Risikokapitalgeber und Private Equity-Firmen haben die Klimatechnologien für sich entdeckt und investieren massiv. Im zweiten Halbjahr 2020 und im ersten Halbjahr 2021 erreichten die Investitionen ein Volumen von 87,5 Mrd. USD, wobei der Großteil (60 Mrd.) im ersten Halbjahr 2021 mobilisiert wurde – ein Anstieg von 210% gegenüber den 28 Mrd. USD, die in den zwölf Monaten zuvor aufgebracht wurden. Von jedem Dollar an Risikokapitalinvestitionen fließen lediglich 14 Cent in Klimatechnologien.
Laut dem State of Climate Tech Report von PwC reichen diese Investitionen nicht aus und fließen zudem großteils in ineffiziente Klimalösungen: Die Top 5 der wirksamsten Technologien, die mehr als 80% des Emissionseinsparungspotenzials bis 2050 ausmachen, erhielten im Zeitraum von 2013 bis zum ersten Halbjahr 2021 nur 25% der Klimatechnologie-Investitionen.
Kluges Investieren täte not
Klimatechnologien sind auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen (THG) ausgerichtet. Nach einem Anstieg der Investitionen in Klimatechnologien zwischen 2013 und 2018 stagnierten diese bis 2020 aufgrund makroökonomischer Trends sowie der Coronapandemie. Im ersten Halbjahr 2021 erholten sich die Investitionen jedoch deutlich, da ESG-Faktoren in der Privatwirtschaft stärker in den Mittelpunkt rückten, neue Vorschriften eingeführt wurden (Stichwort: EU-Taxonomie) und sich zahlreiche Unternehmen zu Netto-Null-Strategien verpflichteten.
„Die Welt hat zehn Jahre Zeit, um die globalen Treibhausgasemissionen zu halbieren und bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Ohne Innovationen werden wir dieses Ziel nicht schaffen. Die gute Nachricht ist, dass Investitionen in Klimatechnologien in allen Bereichen deutlich gestiegen sind”, resümiert Thomas Steinbauer, Partner und Net Zero Leader bei PwC Österreich. „Unsere Untersuchungen zeigen jedoch, dass Investitionen noch besser gelenkt werden könnten, um Anreize für jene Technologien zu schaffen, die das größte Einsparungspotenzial bei CO2 haben.”
Der Report im Überblick
Zu den fünf wichtigsten Technologien, auf die mehr als 80% des künftigen Emissionsminderungspotenzials entfallen, gehören, so PwC, Solarenergie, Windenergie, Technologien für Lebensmittelabfälle, Produktion von grünem Wasserstoff und alternative Lebensmittel/THG-arme Proteine.
Was das durchschnittliche Volumen von Klimatechnologie-Deals angeht, so hat sich dieses im ersten Halbjahr 2021 fast vervierfacht und lag bei 96 Mio. USD, gegenüber 27 Mio. im Jahr davor.
Zudem machen sich Investoren vermehrt mit Klimatechnologien als Anlageklasse vertraut. Im ersten Halbjahr 2021 waren etwa 1.600 Investoren aktiv; zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2020 waren es weniger als 900.
Der Löwenanteil der Finanzmittel im Klimatechnologiebereich entfällt weiterhin auf den Mobilitäts- und Verkehrssektor. Besonders Elektrofahrzeuge, Mikromobilität und andere innovative Verkehrsmodelle ziehen die Aufmerksamkeit von Investoren auf sich. Der Sektor hat zwischen dem zweiten Halbjahr 2020 und dem ersten Halbjahr 2021 fast 58 Mrd. USD mobilisiert, was zwei Drittel der gesamten Finanzmittel für Klimatechnologien in diesem Zeitraum ausmacht.
Die drei großen Bereiche Mobilität und Verkehr, Industrie, Fertigung und Ressourcenmanagement (IM&R) sowie Finanzdienstleistungen verzeichneten zwischen dem zweiten Halbjahr 2019 und dem ersten Halbjahr 2021 mit jeweils mehr als 260% das stärkste Investitionswachstum im Jahresvergleich und erreichten 58 Mrd., 6,9 Mrd. resp. 1,2 Mrd. USD.
Lenkungsmöglichkeit
„Klimatechnologien sind kein Allheilmittel. Sie können jedoch einen entscheidenden Beitrag leisten, um die Emissionskurve zu senken und das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Eine gezielte Investition in neu entstehende Technologiebereiche kann genau jene Innovationen hervorbringen, die wir für eine schnellere Dekarbonisierung brauchen”, meint Agatha Kalandra, Partnerin und Head of Management Consulting & ESG, und betont: „Die essenzielle Frage lautet, wie schnell und in welchem Umfang dies geschieht. Zudem benötigt es das Zusammenspiel von politischen Entscheidungsträgern sowie von Investoren, um das gesamte Potenzial von Klimatechnologien zu nutzen.”
CO2-Einsparungspotenzial
Investitionen in Klimatechnologien werden derzeit von einer Handvoll Lösungen dominiert. Diese haben jedoch nicht unbedingt die größten Auswirkungen auf die Emissionsreduktion. Batteriebetriebene Elektrofahrzeuge machen beispielsweise nur drei Prozent des gesamten Einsparpotenzials bis 2050 aus, erhielten aber 60% der gesamten Finanzmittel zwischen 2013 und dem ersten Halbjahr 2021.
Nennenswert sei laut PwC auch, dass trotz wachsender Gesamtinvestitionen die Zahl der Seed- und Early Stage-Finanzierungen für Klimatechnologie-Start-ups seit 2018 stagniere. Dies spiegele zum Teil die Reife von Klimatechnologien als Anlageklasse wider, verdeutliche aber auch die Notwendigkeit, vermehrt in Start-ups zu investieren.
USA vor Europa vor China
Die USA sind führend bei Investitionen in Klimatechnologien und ziehen fast 65% der Risikokapital-Investitionen an (56,6 Mrd. USD vom zweiten Halbjahr 2020 bis zum ersten Halbjahr 2021). In China wurden im gleichen Zeitraum schätzungsweise 9 Mrd. USD in Klimatechnologien investiert, in Europa insgesamt 18,3 Mrd. USD. Die Investitionen sind getrieben vom sprunghaften Anstieg im Mobilitäts- und Verkehrssektor (plus 494% im zweiten Halbjahr 2020 und ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zu den vorherigen zwölf Monaten).
„Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass weltweit die klare Absicht besteht, auf die Klimakrise zu reagieren und den Netto-Nullpunkt zu erreichen. Jetzt bietet sich für Risikokapitalanleger die entscheidende Gelegenheit, die Richtung für Investitionen vorzugeben und sich stärker auf Kerntechnologien zu konzentrieren, die die größten Fortschritte bei der Dekarbonisierung ermöglichen werden”, schließt Experte Steinbauer. (hk)