••• Von Dinko Fejzuli
Das Handy von Thomas Schmid hat viele Missstände in der Republik schwarz auf weiß öffentlich einsehbar gemacht. Unter anderem sind auch der ORF-Chefredakteur Matthias Schrom und Presse-Chefredakteur Rainer Nowak über ihre Chats mit Schmid & Co gestolpert und haben ein Bild gezeigt, in dem Journalisten mit Politikern u.a. auch einen Blick auf den Einfluss der Politik auf den ORF gewähren.
Die Folge ist eine breite Diskussion auch über eine Neuvermessung der Distanz zwischen dem ORF und der Politik und der Reform des ORF-Stiftungsrats, dem Aufsichtsorgan des ORF.
Zum Thema bat medianet die Vertreterin der Neos im Aufsichtsgremium, Anita Zielina, um einige Antworten.
medianet: Frau Zielina, diverse Chats zwischen Politikern und Journalisten – auch aus dem ORF – erschüttern gerade die Glaubwürdigkeit der Medien. Sie haben nun kürzlich in einem Tweet eine Forderung zur Reform des ORF-Aufsichtsorgans aufgestellt und quasi die Devise ‚Maximale Politikferne, maximale Transparenz, maximale Kompetenz' ausgegeben. Wie sollen diese drei Dinge sichergestellt werden?
Anita Zielina: Als Medienkonsumentin, aber auch als ORF-Stiftungsrätin, finde ich es unterirdisch, mit welcher Dreistigkeit Medien ungeniert zum Spielball der Politik gemacht werden – die publizierten Chats zeigen das sehr konkret. Österreich verdient sich eine weitreichende Medienförderungsreform, der ORF verdient sich ein adaptiertes ORF-Gesetz und eine Gremienreform – mit einem via professionellem Besetzungsverfahren bestellten Aufsichtsorgan werden versuchte politische Einflussnahmen zwar nicht unmöglich, aber schwieriger.
Wie das gehen kann, sieht man an anderen öffentlich-rechtlichen Medienaufsichtsräten, auch etwa in Deutschland: erstens, mit einem mit weitreichenderen Kompetenzen zum Rundfunkrat aufgewerteten Publikumsrat, der das Mitspracherecht der Bevölkerung sicherstellt. Zweitens: strengere Transparenz- und Complianceregelungen für Mitglieder der Gremien. Drittens: die Wiedereinführung geheimer Abstimmungen im Stiftungsrat; viertens, eine deutliche Verkleinerung und Aufwertung des Gremiums zu einem echten Aufsichtsrat, inklusive entsprechender Bezahlung der Mitglieder.
Und, fünftens, eine Neuregelung des Bestellungsmodus des Stiftungsrats und der geschäftsführenden Organe, mit transparenten Ausschreibungen und Besetzungsverfahren.
medianet: Haben Sie dazu schon Kontakt mit anderen Stiftungsratsmitgliedern gehabt und wie ist hier die Stimmung?
Zielina: Ich habe mit einigen Kollegen dazu gesprochen, ja. Viele sind ebenso wütend über die Chats, genauso wie viele ORF-Mitarbeiter. Die Meinungen darüber, wie weitreichend eine Reform sein sollte, gehen naturgemäß auseinander.
medianet: Aus Ihrer Sicht – wie groß sollte der neue Aufsichtsrat sein und wie soll er bestellt sein?
Zielina: Im internationalen Vergleich sieht man, dass zehn bis 15 Mitglieder eine übliche Größe für einen Aufsichtsrat im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist – groß genug, um Fachwissen, Medienexpertise, Arbeitnehmervertretung und Publikumsbeteiligung zu ermöglichen; klein genug, um effiziente Entscheidungsprozesse zu garantieren.
Zum Bestellmodus hielte ich eine starke Orientierung am Aktiengesetz für sinnvoll: Ein erweiterter Rundfunkrat, der die Zivilbevölkerung und geselllschaftliche Einrichtungen bestmöglich repräsentiert, agiert als Generalversammlung und wählt den Aufsichtsrat in einem transparenten Prozess. Der Aufsichtsrat, das eigentliche Aufsichtsgremium, bestellt und kontrolliert den Vorstand des ORF.
medianet: Stichwort Kontrolle – manche finden es falsch, dass auch Betriebsräte, die im Aufsichtstrat sitzen, die Geschäftsführung mitwählen dürfen. Soll das künftig auch der Fall sein?
Zielina: Selbstverständlich gehören Arbeitnehmervertreter, wie bei jedem börsennotierten Unternehmen, in den Aufsichtsrat. Die Geschäftsführung bzw. der Vorstand kann dann mit doppelter Mehrheit bestimmt werden.
medianet: Apropos Geschäftsführung: Soll weiterhin eine Person ganz an der Spitze stehen?
Zielina: Mit gutem Grund werden Vorstände heute oft als Kollektivorgane verstanden und besetzt – damit ermöglicht man einerseits eine größere Breite und Diversität an Expertise an der Spitze des Unternehmens, baut aber andererseits auch einen weiteren ‚Schutzwall' gegen versuchte politische Einflussnahmen.
medianet: Kommen wir zur aktuellen Causa zurück: Der ORF-Redakteursrat fordert, dass die drei CR-Posten nun neu ausgeschrieben werden sollen. Sind sie auch dafür?
Zielina: Ich habe volles Vertrauen in die ORF-Geschäftsführung, die mit Sicherheit in intensivem Austausch mit dem Redakteursrat steht. Ich bin zuversichtlich, dass im Zuge von Neubesetzungen – gerade nach den aktuellen Ereignissen – auf maximale Transparenz geachtet wird. In welcher Form das umgesetzt wird, ist eine Entscheidung der Geschäftsführung, der ich nicht vorgreifen möchte. Ich werde aber natürlich ein Auge darauf haben.
medianet: Aber blickt man zurück auf die letzten Jahrzehnte, etwa das Stichwort ‚Moltofon' – ist die Überraschung, die vielerorts nun über den Einfluss der Politik auf den ORF ausgedrückt wird, nicht auch etwas gespielt? Dass es Einfluss gab, war doch bekannt – egal, welche Regierungskonstellation am Ruder war.
Zielina: Als Österreicher ist man ja tatsächlich leider einiges gewohnt, was Einflussnahme, Korruption und ‚Freunderlwirtschaft' angeht. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, besser zu werden und Missstände zu kritisieren. Ich hoffe sehr, dass die aktuellen Ereignisse der Tropfen sind, der das Fass zum Überlaufen bringt. Ich vertraue darauf, dass eine breite politische und gesellschaftliche Allianz erkennt, dass wir uns mit der Duldung und Verharmlosung von Medienkorruption unsere eigene Zukunft zerstören und demokratische Grundwerte unwiederbringlich beschädigt werden.
medianet: Abseits der medialen causa prima: Kürzlich hat die Bundesregierung eine neue Medienförderung beschlossen, dabei aber reine Online-Medien vom Fördertopf ausgeschlossen, was Kritik hervorgerufen hat, da es gerade hier ja etliche durchaus zu begrüßende Initiativen gibt, zuletzt etwa ‚tageins'. Teilen Sie diese Kritik?
Zielina: Das Medienförderungsgesetz ist eine Geschichte versäumter Gelegenheiten und feiger Kompromisse. Dass es erneuert wird, ist richtig und wichtig, aber die Details sind leider im Lobbyismusprozess verwaschen und verschlimmbessert worden. Dass reine Onlinemedien und Start-ups nicht gefördert werden, ist im Jahr 2022 ein schwerer Fehler, ebenso wie die Tatsache, dass die Förderung für Medienforschung quasi nicht vorhanden ist. Dafür werden aber sechs Millionen Euro jährlich freihändig an einen vom Bundeskanzleramt unmittelbar kontrollierten Media Hub für Journalismusaus- und -weiterbildung verteilt … Dass versäumt wurde, eine Inseratenobergrenze einzuziehen, um dem verharmlosend ‚indirekte Medienförderung' genannten Missstand Einhalt zu gebieten, ist ebenso problematisch.
medianet: Persönliche Frage zum Schluss: Gerade am kleinen österreichischen Medienmarkt scheint die Nähe zwischen Politik und Journalisten sehr eng zu sein. Wie halten Sie es mit diesem Thema? Etwas beim Du-Wort und ähnlichen Dingen – wie hält man hier einen gewissen ‚Hygienestandard' ein?
Zielina: Ich habe zwölf Jahre nicht in Österreich gelebt und auch davor schon bewusst Abstand zu den Reichen und gefühlt Mächtigen gehalten. Persönlich habe ich an einer ‚Verhaberung' oder gesponserten Bubenurlauben oder Abendessen also sowieso keinerlei Interesse. Was das Du-Wort angeht, glaube ich nicht, dass man daran per se Korruptionsneigung festmachen kann oder sollte – das ist nur ein kleiner Puzzleteil.