••• Von Paul Hafner
Nach einem erfolgreichen 2021 wurde es lange still um das im Herbst 2020 gestartete SB-Nahversorgungskonzept KastlGreissler – heuer stehen die Zeichen aber schon wieder auf Expansion. medianet sprach mit Gründer und Geschäftsführer Christoph Mayer über die Rentabilität von SB-Nahversorgern, Sortimentsvorgaben und vieles mehr.
medianet: Nach längerer Pause ließ KastlGreissler im Herbst mit Neueröffnungen in Payerbach, Hornstein und Lienz aufhorchen. Wie hat KastlGreissler die zwischenzeitliche Konsolidierungsphase übertaucht?
Christoph Mayer: Wir hatten mit unserem innovativen Nahversorgungsprojekt einen tollen Start. Aufgrund der zahlreichen äußeren Krisen und der einhergehenden wirtschaftlichen Unsicherheiten – die neue Franchisenehmerinnen und Franchisenehmer zweifellos vorsichtiger gemacht haben – hat sich unser Expansionstempo aber leider tatsächlich verringert. Gleichzeitig muss man sagen, dass unsere bestehenden Franchisenehmer gut durch diese Zeit gekommen sind, wenn man sich die großteils konstant guten und teilweise auch wachsenden Umsatzzahlen der einzelnen Standorte ansieht. Für 2023 und auch die Folgejahre sind wir äußerst optimistisch, dass wir viele weitere Kastl eröffnen werden – nicht zuletzt auch deshalb, weil wir aus Gemeinden, die eben keinen Nahversorger mehr haben, viel positives Feedback und auch Unterstützung bei der Suche nach Franchisenehmern bekommen.
medianet: Lassen sich diese Expansionspläne für 2023 schon konkretisieren?
Mayer: Auch wenn wir jetzt noch keine Neueröffnungen ankündigen können, gehen wir über das Jahr gesehen von rund 20 neuen Standorten aus. Wir beobachten seit Anfang des Jahres wieder ein verstärktes Interesse von potenziellen Franchisenehmern. Man merkt, dass die Unsicherheit von auflebender Zuversicht verdrängt wird.
medianet: Im Zuge der KastlGreissler-Eröffnung in Payerbach wurde erstmals ein Leerstand revitalisiert, in Lienz setzt man auf Vollholz statt Stahl. Hat sich das KastlGreissler-Konzept weiterentwickelt oder waren das nur Ausnahmen?
Mayer: Unser Konzept wird laufend im Kleinen wie im Großen weiterentwickelt. Das beginnt bei der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Kassensystems mit unserem Partner und im Inneren beim Ladenbau, der heute sowohl für unsere Kundinnen und Kunden wie auch unsere Lieferantinnen und Lieferanten noch ausgeklügelter und praktikabler ist als zu Beginn. Wir sehen aber auch in größeren Veränderungen wie der Vollholz-Variante eine Chance. Diese passt hervorragend zu unserer Philosophie und unterstreicht durch die Kooperation mit einem burgenländischen Holzbauunternehmen natürlich den regionalen Ansatz. Unsere Franchisenehmer haben dadurch die Möglichkeit, das im Hinblick auf den Standort – zum Beispiel Wettereinflüsse – für sie besser geeignete Kastl auszuwählen. Als Unternehmen, dessen Philosophie neben einer dezentralen Nahversorgung auf Umweltschutz und möglichst geringem Ressourcenverbrauch fußt, war es nur eine Frage der Zeit, auch Leerstände zu revitalisieren. Unser Antrieb ist es, regionale Lebensmittel in die Einkaufskörbe der Menschen bringen. Und dafür werden wir immer die individuell beste Lösung finden und uns nicht nur mit bestehenden Optionen zufriedengeben.
medianet: Welche Anforderungen muss im Gegenzug ein potenzieller Franchisenehmer erfüllen?
Mayer: Bei der Sortimentsgestaltung gibt es die Vorgabe, dass mindestens 50 Prozent mit regionalen Produkten – aus einem Umkreis von 40 Kilometer – abgedeckt werden. Dabei müssen neun Warengruppen bedient werden, sodass im Kastl der tägliche Einkauf erfolgen kann, getreu unserem Motto: ‚Gutes aus deiner Umgebung und alles, was du täglich brauchst'. Dazu ist außerdem zu sagen, dass wir gerne Franchisenehmer suchen, die den laufenden Ausbau des regionalen Angebots forcieren, denn regionale Lebensmittel im Vollsortiment sind ein echtes Alleinstellungsmerkmal vom KastlGreissler. Die wichtigsten Anforderungen sind somit Interesse und Leidenschaft für Produkte aus der Region, Freude an der Zusammenarbeit mit lokalen Lieferanten sowie Talent und Engagement, auch andere für authentische, regionale Lebensmittel zu begeistern.
medianet: Muss ein Franchisenehmer dabei zwingend als ‚KastlGreissler' firmieren?
Mayer: Wer sich dem Franchise-System anschließt, profitiert vom Gesamtpaket und tritt als KastlGreissler bzw. KastlGreisslerin auf. Da es unser vorrangiges Ziel ist, die Nahversorgung in ländlichen Gebieten zu sichern und regionale Produkte zu stärken, bieten wir aber gerne auch White-Label-Lösungen an. Auch in diesem Fall kann das Kastl samt kompletter Ausstattung wie Ladenbau, Kassen-, Warenwirtschafts- und Sicherheitssystem erworben und bei Bedarf adaptiert werden. Dank unserer Erfahrungen stehen wir genauso auch für umfangreiche Beratung beim Start oder im laufenden Betrieb zur Verfügung.
medianet: Während etwa die UniGruppe ihr UniBox-Modell auf Selbstbedienungstankstellen ausweitete, hat die Rewe die ‚Billa Box' letzten April nach nur einjähriger Testphase wieder eingestellt. Wie steht es um die Zukunft von SB-Nahversorgern in der postpandemischen Welt, in der ‚kontaktlos' kein relevantes Gesundheitsmotiv mehr ist?
Mayer: Das kontaktlose Einkaufen war zu Beginn sicherlich ein Booster. Es sind jedoch andere Motive, die unser Konzept sicher auch in Zukunft bestärken. Das übergreifende Stichwort dabei heißt ‚Nähe'. Durch die Nähe zu den Produzenten schaffen wir Transparenz, die sonst oftmals im Lebensmittelhandel schlichtweg nicht möglich ist. Wer den Landwirt, die Landwirtin ums Eck kennt, kann sich ein Bild von den Betrieben machen, weiß, wo nachgefragt werden kann. Nähe bedeutet auch, Menschen zu verbinden. Und zwar die Konsumentinnen und Konsumenten mit den Produzentinnen und Produzenten ihrer Lebensmittel.
medianet: Der ‚reguläre' LEH ist für seine niedrigen Margen bekannt. Wie profitabel sind SB-Lebensmittelhändler?
Mayer: Der wirtschaftliche Erfolg eines KastlGreisslers hängt neben dem Engagement und der Kommmunikationsfreudigkeit der Kaufleute von vielen individuell zu beurteilenden Rahmenbedingungen ab; pauschale Aussagen sind hier schwierig. Klar ist jedoch, dass ein herkömmlicher, personalbetriebener Supermarkt mehr als fünf Mal so viel Jahresumsatz benötigt wie ein KastlGreissler, um rentabel zu sein. Das Konzept des KastlGreissler ist demnach die Antwort auf steigende Personal- und Energiekosten.
medianet: Gleichzeitig ist man durch die Absenz von Personal auch viel eher Diebstählen und Vandalismus ausgeliefert. Wirkt sich das nicht auf die Rentabilität aus – und wie wird dem vorgebeugt?
Mayer: Der Warenschwund liegt in der Regel bei ein bis zwei Prozent – eine Größenordnung, die einkalkuliert ist. Unser Konzept basiert auf Vertrauen, und das funktioniert bei einem überwiegenden Teil unserer Standorte. Selbstverständlich ist Diebstahl immer ärgerlich und mit hohem Aufwand in der Aufklärung verbunden – auch beim KastlGreissler. Einbruch, etwa eine aufgebrochene Tür, ist versicherbar; Diebstahl, also gestohlene Ware, jedoch nicht. Wenn es zu einem Diebstahl kommt, wird mit der örtlichen Polizei zusammengearbeitet, um diesen aufzuklären. Primär setzen wir beim KastlGreissler jedoch auf die Kombination von Überwachungstechnik und Prävention: Die Kastln sind alle mit Kamerasystemen ausgestattet, was unehrliche Menschen abschreckt. Besonders effektiv gegen Diebstahl ist jedoch Vernetzung im Ort und intensiver Austausch mit der Dorfgemeinschaft. Je höher das Bewusstsein im Dorf, dass der KastlGreissler kein anonymer SB-Automat ist, sondern eine geschätzte Person dahintersteht, die mit ihrem Angebot Nahversorgung sichert sowie regionalen Produzentinnen und Produzenten einen Vertriebsweg bietet, desto weniger ist Diebstahl ein Thema.
medianet: Neben aktuell 20 Kastl-Greisslern in Österreich hat man – unter dem Namen ‚KistenKrämer' – auch in Bayern Fuß gefasst und hält dort, nach der jüngsten Eröffnung im Dezember in Hagelstadt, bei drei Standorten. Wie steht es um die mittelfristigen Expansionspläne in den beiden Ländern?
Mayer: Für 2025 planen wir in Österreich mit 77 Kastln, dementsprechend wird unsere KastlGreissler-Familie auf 35 KastlGreisslerinnen und KastlGreissler gewachsen sein. Auch in Deutschland haben wir große Pläne: 2025 soll es hier bereits 95 KistenKrämer-Shops und über 50 KistenKrämer geben.