Was darf alles drin sein im Einkaufswagerl?
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RETAIL Redaktion 03.04.2020

Was darf alles drin sein im Einkaufswagerl?

Im Handel geht die Kluft auf: Branchen, die dicht machen mussten, reagieren auf den Allesverkäufer LEH.

••• Von Christian Novacek

Bereits 73% aller Verkaufsflächen in Österreich sind ungenutzt. Laut Berater RegioPlan sind das von 14,2 Mio. m² Verkaufsfläche etwa 10,3 Mio. m². Der Stillstand hat einen handfesten Grund: Die Flächen dürfen nicht betreten werden!

Den täglichen Umsatzentgang im stationären Handel beziffert RegioPlan auf 130 Mio. € (brutto). Zum Rückgang aufgrund geschlossener Geschäfte kommt noch jener, den der lahmgelegte Tourismus verursacht. Errechnet aus den branchenrelevanten Konsumausgaben pro Nächtigung und der durchschnittlichen Nächtigungszahl im März, ergibt sich ein zusätzlicher Umsatzentgang von täglich 9,5 Mio. €.

Shutdown kocht hoch

Die Last des Shutdowns für den Handel ist dabei nicht gleichmäßig verteilt. Denn während der Lebensmittelhandel in seiner Versorgungsrolle reüssieren kann, kämpfen 40.000 Betriebe um ihre Existenz. Gräben, die bis dato achselzuckend zur Kenntnis genommen waren, vertiefen sich jetzt. Speziell der Fachhandel fühlt sich gedisst.

So meint etwa Holger Schwarting, Vorstand von Sport 2000: „Betriebsschließungen sind in Anbetracht der aktuellen Situation verständlich und umzusetzen. Nicht verständlich ist, warum Handelsbetriebe, die von den Schließungen ausgenommen sind, um Lebensmittel zu verkaufen, aktiv Non-Food-Warengruppen anbieten und sogar bewerben. Dies schädigt und gefährdet österreichische Klein- und Mittelbetriebe in ihrem Kerngeschäft, die momentan aufgrund der Verordnung geschlossen haben müssen. Hier fordern wir Klarheit durch die Politik und eine entsprechende Umsetzung.”
Gerade diese Umsetzung dürfte jedoch schwer sein. Denn erstens wird die Politik nicht ernsthaft Druck gegenüber dem LEH aufbauen – nicht zuletzt ist sie auf die Kooperationsbereitschaft der Lebensmittelketten angewiesen. Hinzu kommt, dass gerade der LEH flott und konstruktiv agiert hat. Schutzwände aus Plexiglas, Abstandsmarkierungen und zuletzt die Ausgabe der Schutzmasken – von mangelnder Kooperationsgemeinschaft keine Spur. Ergo wird man auf jemanden, der sowieso „am längeren Ast” sitzt, kaum hinprügeln.

Non-Food im Visier

Zweitens ist es eine Frage der Machbarkeit. Zwar gestalten Großhändler wie Metro derzeit die Non-Food-Abteilungen eher unzugänglich, andererseits machen sie mehr Geschäft dadurch, dass sie für den Endverbraucher geöffnet haben.

Befremdlich wäre das Szenario versiegelter Non-Food-Abteilungen im Verbrauchermarkt: Das Abriegeln von Sortimentsteilen, die nicht der Grundversorgung dienen, würde ggf. sogar zur Verunsicherung der Konsumenten beitragen – sind sie doch sonst jedenfalls verfügbar. Entsprechend argumentiert Spar-Sprecherin Nicole Berkmann, wenn sie auf die Unmöglichkeit verweist, „Mauern in den Filialen” zu errichten.
Dazu kommt, dass der stets bereite Helfer in Sachen Non-Food ausgerechnet Amazon wäre. Und gerade diesem Onlineriesen, der hierzulande nicht zu den sprudelnden Steuerquellen zählt, will man es halt auch nicht in den Rachen werfen. Ergo: Die Zeiten bleiben hart, die Gräben offen und viele Blumen werden wahrscheinlich ohne allzuviel Freude zu spenden verwelken.
Trost spendet die Prognose lt. RegioPlan. Demnach sei nicht der gesamte entgangene Umsatz verloren; es darf angenommen werden, dass etwa ein Drittel der Ausgaben der Wohnbevölkerung auf die Zeit nach dem Ausnahmezustand aufgeschoben wird. Verwelkte Blumen wird man dann allerdings nicht kaufen.

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