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Herbert Wiedermann: „Inhalte der Fahrausbildung müssen an aktuelle Entwicklungen angepasst werden!“

Redaktion 07.07.2016

Brauchen wir in Zukunft noch einen Führerschein?

Mit der zunehmenden Automatisierung des Verkehrs könnten Führerscheine schon bald der Vergangenheit angehören. Oder doch nicht? Ein Gastkommentar von Herbert Wiedermann, Obmann des Fachverbands der Fahrschulen und des Allgemeinen Verkehrs.

Gastkommentar ••• Von Herbert Wiedermann

WIEN. Automatisiertes Fahren ersetzt nicht den Führerschein, zumindest nicht in den kommenden 20 bis 30 Jahren. Die Technikentwicklung unterstützt derzeit die Lenker, ersetzt aber die Person am Steuer noch nicht. Assistenzsysteme dienen gegenwärtig vor allem der Erhöhung des Komforts der Lenker. Sie sollen diese beispielsweise entlasten, wenn die Konzentration auf langen Autobahnfahrten nachlässt oder bei Stop-and-Go-Verkehren in der Stadt das Vorwärtskommen mühselig ist. Ohne auf das Lenkrad greifen zu müssen, ermöglichen Anhänger-Rangierassistenten bereits ein automatisiertes Einparken von Pkw und Anhänger per Bedienknopf.

Beim teilautomatisierten Fahren mit Assistenzsystemen gibt der Lenker keine Verantwortung an die Technik ab, er trägt stets hundert Prozent der Verantwortung und kein einziges Prozent weniger; allein deswegen ist eine gesetzliche Führerscheinausbildung essenziell.

Im Gegenteil! Erschwerend kommt sogar das psychologische Phänomen der 'Risikokompensation' hinzu. Wenn ein technischer Assistent eine Risikominimierung verspricht, neigt der Mensch (meist unbewusst) dazu, diese Risikominimierung durch riskanteres Verhalten zu kompensieren. Wenn etwa der Abstandsregeltempomat samt Kollisionswarnung und Spurhalteassistent übernimmt, wird der Fahrer zu mehr Unaufmerksamkeit verleitet. Nun könnte zum Beispiel auf schneeglatter Fahrbahn ein bereits etwas heruntergebremster Abstandsregeltempomat in einer Kurve das vorausfahrende Fahrzeug verlieren und folglich beschleunigen, was auf schneeglatter Fahrbahn zum Schleudern führt.

Somit ist das teilautomatisierte Fahren zunächst mehr ein 'Großauftrag' an die Führerscheinausbildung, um den Lenker gegen die negativen Begleiterscheinungen der Fahrerassistenzsysteme zu immunisieren. Das heißt, die Inhalte der Fahrausbildung müssten schon heute um diese Unfallgefahren erweitert werden und Lösungsstrategien anbieten.

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