••• Von Martin Rümmele
Lieferengpässe bei Medikamenten, fehlende Schutzausrüstung und Qualitätsprobleme: Die Coronakrise hat allen sehr deutlich vor Augen geführt, wie abhängig die Versorgung mit wichtigen Gütern im Gesundheitsbereich und auch anderswo von Asien und vor allem China und Indien ist. Seit Wochen werden deshalb Politiker nicht müde, zu betonen, dass man die Produktion wieder nach Europa und nach Österreich zurückholen muss, um für Krisen gewappnet zu sein. Das klingt gut, doch mit der langsamen Beruhigung der Coronakrise zeigt sich, dass eine Unabhängigkeit von China nicht so einfach machbar ist.
„Kostet Geld”
Die Verlagerung von Produktionen zurück nach Europa und die Sicherung von Notkapazitäten werde mehr Geld kosten, sagen Ökonomen. „Die Länge der Krise wird bestimmen, ob der Schock so groß ist, dass man darüber nachdenkt, in Europa die Produktion wieder großflächig aufzubauen. Das wird aber Geld kosten. Mit unseren Lebens- und Lohnstandards werden wir nicht so billig produzieren können wie China”, bringt es der aus Österreich stammende Wirtschaftsforscher Matthias Sutter auf den Punkt. (Sutter ist Direktor des Max Planck Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn und Professor für Experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Köln und Universität Innsbruck.)
„Es bedarf massiver Anstrengungen diesen Trend umzukehren”, sagt Philipp von Lattorff, Geschäftsführer von Boehringer Ingelheim in Österreich und Präsident des Pharmaverbands Pharmig. Boehringer Ingelheim RCV gehört zu den größten Pharmaherstellern in Österreich und baut derzeit die Produktion um Hunderte Mio. € aus. Die Industrie müsste in Europa und Österreich nachhaltig gestärkt und eine Re-Industrialisierung erreicht werden, sagt er. „Insbesondere die Unternehmen des pharmazeutischen Sektors waren in der Vergangenheit gezwungen, Teile der Produktion ins Ausland auszulagern, um ihre Konkurrenzfähigkeit zu erhalten und damit Tausende Jobs in Österreich zu sichern.”
Was es dafür brauche? „Dafür ist die Teilnahme Österreichs an bestehenden und Aufbau & Gestaltung neuer sogenannter Important Projects of Common European Interest zur Stärkung des Produktionsstandorts Europa und zur Etablierung einer Wirkstoffproduktion nötig. Es sind Allianzen mit anderen Staaten einzugehen und nationale Budgets durch zusätzliche Mittel sicherzustellen; Stichwort: Fresh money”, sagt Lattorff.
Preisdruck wieder da
Am Ende geht es aber immer um den Preis. Das spürt derzeit auch ein Konsortium von Vorarlberger Textil- und Technologieunternehmen, die zu Beginn der Krise die Produktion von Schutzmasken gestartet und gemeinsam hochgefahren haben. Nach Koordination durch die Wirtschafts-Standort GmbH und die „Smart Textiles-Plattform” haben der Textilveredler Grabher Group, der Bandhersteller Bandex, Getzner Textil, die Stickerei Hämmerle, das Unternehmen tecnoplast und der Strumpfhersteller Wolford mit der Produktion von Atemschutzmasken begonnen. Rund 1,2 Mio. Masken habe man in acht Wochen hergestellt – Mund-Nasen-Schutz und FFP2-gleichwertige Masken, sagt Firmenchef Günter Grabher, der das Netz koordiniert. Probleme hätte zu Beginn die Zulassung gemacht, weil in Österreich die entsprechenden Prüfinstitute dafür fehlen. Nun habe man eine Sonderzulassung, die mit der FFP2-Prüfung identisch sei, aber auch nur in Österreich gelte. Mittlerweile könne China wieder liefern und da stehe bei allen Auftraggebern der Preis wieder im Zentrum. Mittels Aufarbeitung von getragenen Masken schaffe man zwar eine 20-fache Wiederverwertung und sei damit nicht nur nachhaltiger, sondern könne auch preislich über den Lebenszyklus mithalten, „es gibt aber eine starke Fraktion, die weiter in China einkaufen will”, sagt Grabher. Zwar bemühe sich das Wirtschaftsministerium, der Weg sei aber lang.