Wien. Trends beginnen in sehr vielen Fällen „ganz oben” und mäandern dann nach unten durch. War vor einigen Jahren das sichtbare Tragen von Logos wie Gucci und Louis Vuitton noch den oberen Zehntausend vorbehalten, haben sich inzwischen Fakes a la „Prada della Strada” breitgemacht – und ein Logowahnsinn auf Taschen von Menschen, die nicht über ausufernden Reichtum verfügen.
Der Grund ist ein einfacher: Zugehörigkeit. Zuerst vermitteln Luxuskonzerne, wie man sich mit ihren Produkten als reich identifizierbar machen kann, und dann wird diese Identifikation auch von anderen Gesellschaftsschichten angestrebt.
Glaubwürdigkeit statt …
So gesehen ist es wirklich gut und lobenswert, dass Luxuskonzerne nun Nachhaltigkeit als wichtiges Distinktionsmerkmal identifizieren. Denn damit tragen sie dazu bei, dass das Thema auch Breitenwirkung bei Kundenschichten bekommt, die von aggressiven NGO-Kampagnen eher abgestoßen als motiviert werden (diese Kampagnen sind jedoch immens wichtig, um sicherzustellen, dass das Ziel – wo der Fokus auf Nachhaltigkeit hinführen muss –, für eine breite Masse klar wird und bleibt). Und die Hoffnung besteht, dass irgendwann auch die Nachhaltigkeit ihr Ökoschlapfenvorwurf-Mäntelchen endgültig ablegen kann.
Doch die Sache hat einen nicht zu übersehenden Haken: Es ist verdammt wichtig, den Luxusunternehmen genau auf die Finger zu schauen: Agieren sie wirklich sinnvoll-nachhaltig oder nutzen sie kleine Schlupflöcher für erfolgreiches Marketing aus? Wie breitenwirksam sind die von ihnen präsentierten nachhaltigen Innovationen – und vor allem: Wie nachhaltig sind sie wirklich?
… Greenwashing
Wer als Unternehmen nachhaltig agieren möchte, sollte sich primär an eine sehr einfache Regel halten: Konzentriere dich auf das, was dir das Geld bringt, und stelle da um. Noch vor wenigen Jahren warb Louis Vuitton damit, Bienenstöcke auf der Avenue des Champs-Élysées aufgestellt zu haben; das hatte nur leider nichts damit zu tun, dass die Nobelmarke nicht nur Unmengen an Leder nutzt, sondern seine Baumwolltaschen mit giftigem PVC überzieht. Da gälte es anzusetzen: chromfreies Leder, neue marktreife Lederalternativen, die nicht gleich Plastik sind, eine neue, umweltfreundlichere Form der Beschichtung der Taschen beispielsweise … Die Bienenstöcke, die waren reines Greenwashing.
Außerdem geht es auch um Grundsatzfragen: Wie viele tierische Produkte sollen eingesetzt werden? Braucht es Pelz und damit tierquälerische Nerzfarmen als Luxusmerkmal eigentlich? Kann man alternative Materialien wie beispielsweise Pilz- oder Ananasleder nicht nur in der notwendigen Menge produzieren, sondern auch mit dem Luxusaspekt aufladen?
Wenn eine Jeans nicht in reiner Handarbeit vom letzten Mitglied einer alteingesessenen Jeansdynastie auf einer einsamen Berghütte im Naturschutzgebiet aus regengenährter und bei Vollmond geernteter Biobaumwolle, die den kürzesten aller möglichen Transportwege hat, maßgeschneidert wurde, kann mir niemand einen Preis jenseits von 300 oder 400 Euro erklären – selbst wenn diese komplett fair und ökologisch produziert wurde. Eine wirklich gute, nachhaltig ökologisch und fair produzierte Jeans bekommt man bereits ab rund 150 Euro. Jeder höhere Preis ist lediglich Imageaufladung.
Was das für Nachhaltigkeit bedeutet? Wenn Konzerne genau diese Imageaufladung so gut beherrschen, dann muss man ihnen unfassbar genau auf die Finger schauen und fragen, wie stark sie die Nachhaltigkeit in der Kommunikation im Vergleich zu ihren Produkten einsetzen. Wer sich nachhaltig gibt, obwohl er vielleicht nur fünf Prozent der Produktlinie umstellt, begibt sich ebenfalls gefährlich in Greenwashingnähe. Kommunikation und Marketing muss verhältnismäßig bleiben.
Wenn Luxuskonzerne nun in Richtung Nachhaltigkeit gehen, werden sie weiterhin mit Kritik rechnen müssen. Und das ist auch gut so, denn das treibt sie weiter an, noch besser zu werden.