Vertrieb im Wandel
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Der klassische Fahrzeugverkauf wird in den kommenden Jahren für die Hersteller an Umsatzbedeutung verlieren.
MOBILITY BUSINESS 18.09.2015

Vertrieb im Wandel

Oliver Wyman-Studie: Der weltweite Automobilvertrieb steht in den kommenden Jahren vor strukturellen Veränderungen.

••• Von Moritz Kolar

MÜNCHEN. Klassischer Fahrzeugverkauf, After Sales und Finanzdienstleistungen sind die Haupt­umsatz- und -gewinntreiber der Autoindustrie. Noch, denn laut der aktuellen Oliver Wyman-Studie „Systemprofit 2035: Strukturwandel Automobilindustrie” werden bis 2035 zunehmend ganzheitliche, intermodale Mobilitätslösungen im Mittelpunkt stehen. Auch wenn der fundamentale Strukturwandel laut Ansicht der Experten erst nach 2025 voll eintritt, wird die Veränderungsdynamik im Systemprofit bereits in den nächsten Jahren sichtbar werden. Hersteller müssen deshalb mit strategisch gezielten Investitionen die Weichen für den Vertrieb der Zukunft stellen. Wer zögert, laufe Gefahr, bis 2035 weite Teile der neuen Umsatz- und Ertragsquellen an Wettbewerber wie Google, Uber oder Intermediäre wie Auxmoney und Beepi zu verlieren.

Umsatz- und Strukturwandel

Schon in den nächsten zehn Jahren werden sich der Studie zufolge strukturelle Veränderungen in der Verteilungsstruktur abzeichnen. Die Hersteller müssen sich neuer Konkurrenten stellen, die Multikanalnutzung durch den Kunden, die zunehmende Preistransparenz und die Digitalisierung der Kundenschnittstelle machen etablierte Ertragsquellen angreifbar.

Laut Ansicht von Oliver Wyman beginnt sich der Strukturwandel bis 2025 auf der Umsatz- und Profitseite zu materialisieren. Die Bedeutung von Mobilitätsdiensten wird zunehmen und zwischen 13 und 18% zum Systemprofit beisteuern (aktuell 12 Prozent). Der Gewinn aus dem Verkauf von Neu- und Gebrauchtwagen wird inflationsbereinigt nur minimal steigen und 4 bis 11 Prozent ausmachen. After Sales und Finanzdienstleistungen dürften das System mit einem Anteil von 61 bis 71% weiterhin tragen. Trotz zusätzlicher Profitgenerierung von etwa 70 Mrd. € verlieren die fahrzeugbezogenen Dienstleistungen aber an Bedeutung, da neben dem Wachstum bei Mobilitätsdienstleistungen auch neue Umsatz- und Ertragsquellen wie Werbeerlöse und Umsatzanteile am e- und mCommerce-Geschäft erschlossen werden.

Neue Umsatzquellen

Die Veränderungen bis 2025 sind laut den Oliver Wyman-Experten aber lediglich Vorboten des bisher größten Strukturwandels im Automobilvertrieb. „Das gesamte System Automobilvertrieb steht zur Disposition”, erklärt Fabian Brandt, Partner bei Oliver Wyman und Experte für After Sales. „Alle etablierten Ertragsquellen werden langfristig neu verteilt.” Bis 2035 kann in Folge der fortschreitenden Digitalisierung und der Etablierung des autonomen Fahrens der Anteil von mobilitätsbezogenen Dienstleistungen und Lösungsangeboten sowie neuen Umsatzquellen auf bis zu 50% des Branchenumsatzes steigen. Darunter dürfte vor allem der Fahrzeugverkauf, aber auch After Sales und Finanzdienstleistungen leiden.

Strategische Investments

Um in diesem Spiel erfolgreich mitzuwirken, müssen die Hersteller sich und ihr Markensystem neu erfinden und dafür strategisch gezielt investieren. Vor allem umfassende integrierte Lösungsangebote zur Erfüllung unterschiedlichster Mobilitätsansprüche werden gefragt sein. Zugleich werden neue Geschäftsmodelle erforderlich, beispielsweise Direktvertrieb oder spezielle Nutzungs- und Gebührenmodelle, sowie die Antwort auf die Frage, wie die Wettbewerbsfähigkeit angesichts der Dynamik der Onlineriesen und der Silicon-Valley-Start-ups sichergestellt wird.

Unverzichtbar ist auch die Digitalisierung der Unternehmen und eines Teils ihrer Kultur, um beispielsweise neue Geschäftsmodelle schnell entwickeln und testen zu können. Und schließlich muss die Kundenschnittstelle gesichert werden, die gesamte Kundenbeziehung professionell genutzt, die bestehenden Daten konsequent ausgewertetund Lösungen geboten werden, die alle Geschäftsfelder der Automobilhersteller im Mobilitätsumfeld sinnvoll integrieren.

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