WIEN. Während in den USA – und bekanntlich insbesondere im Silicon Valley – das unternehmerische Scheitern auch als Quell für Erfahrungszuwachs gesehen wird, gilt es in Österreich als Makel. Ein Umstand, der alles andere als innovationsfreundlich ist, wie Start-up-Investor und Business Angel Michael Altrichter am Montagabend anlässlich des ExpertenClubs des BFI Wien (Motto: „Hinfallen, aufstehen, Krone richten – Scheitern als Chance?!“) klarstellte: „Das fängt schon in der Volksschule an: Auch wenn 98 Prozent richtig sind, wird primär auf die Fehler hingewiesen." Und: "Das kann schon passieren, dass man etwas in den Sand setzt.“ Es brauche auch etwas Übermut als Unternehmer, es brauche den Spirit „Wir wollen die Welt erobern!“
Vor die Wahl gestellt, ob er eher einen Gründer unterstützt, der schon einmal mit einem Unternehmen gescheitert ist, oder jenen ohne diese Erfahrung, würde er, so Altrichter, für den votieren, der diese Erfahrung schon gemacht und bewältigt hat. Diesbezüglich sieht er auch die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens als gute Basis: „Dann gehen vielleicht viel mehr Menschen das Risiko einer Unternehmensgründung überhaupt ein.“
"Beharrlichkeit und Mut"
Gastgeber und BFI Wien-Geschäftsführer Franz-Josef Lackinger strich in seinem Eingangsstatement hervor, dass selbst die Lebensläufe historischer Größen, geschildert am Beispiel von Abraham Lincoln, nicht makellos seien. Es seien aber eben diese Beharrlichkeit, die Freude am Lernen und Weiterentwickeln sowie der Mut, Risiken einzugehen, essenziell für einen innovativen Wirtschaftsstandort.
Kontinuierliche Karrieren werden seltener
Aber nicht nur im Unternehmerumfeld sollte man den Begriff Scheitern neu denken, ist AMS Wien-Chefin Petra Draxl überzeugt: „Wir müssen auch in unserer Beurteilung von Arbeitslosigkeit zurückhaltender sein. Natürlich hätte jeder gern die kontinuierliche Karriere. Manchmal lassen das die Umstände aber nicht zu.“ Vor allem aber sollte man den Menschen den Wiedereinstieg nach einer vermeintlichen Niederlage erleichtern. Draxl: "Warum nicht diese Zeit einer Unterbrechung für Bildung und Höherqualifizierung nutzen? Gerade jene Karrieren, die auf dem zweiten Bildungsweg erst möglich wurden, zeigen deutlich, wie wichtig es ist, eine zweite Chance zu haben.“
In eine ähnliche Kerbe schlug Toni Mörwald, Haubenkoch, Unternehmer und Kochbuchautor: Man sollte jedenfalls die Schadenfreude hintanhalten, wenn jemand scheitert. Niemand mache absichtlich Fehler. Doch es seien genau diese Erfahrungen, die die Menschen, egal ob Unternehmer oder Arbeitnehmer, reifen und neue Perspektiven finden lassen. "Kochen sollen nur jene, die auch gern essen", so Mörwald, "und Unternehmer sollen nur das tun, was sie selbst begeistert." Wenn die Angst größer sei als der Mut, "dann ist es schwierig". Allerdings behindere die Bürokratie in Österreich oft Gründungen aus Begeisterung und Leidenschaft - und auch die Banken agierten diesbezüglich oft zu vorsichtig. "Eine Unternehmensgründung dauert in Österreich heute 21 Tage", bestätigte Altrichter. "Das könnte man online in einer Viertelstunde machen."
Moderiert wurde die Diskussion von Thomas Teufl, Bereichsleiter für Privat- und Firmenkunden sowie Marketing am BFI Wien. (sb)
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