Wiesbauer: Stabilität in schlechteren Zeiten
© Wiesbauer/Philipp Lipiarski
Thomas Schmiedbauer
RETAIL Redaktion 31.10.2024

Wiesbauer: Stabilität in schlechteren Zeiten

Thomas Schmiedbauer im großen medianet-Interview über Strategien gegen Krisen und Volatilität.

••• Von Chris Radda

Wiesbauer ist seit seiner Gründung im Jahr 1931 in Wien eine feste Größe in der österreichischen Lebensmittelbranche. Was als kleine Fleischerei begann, hat sich über die Jahrzehnte zu einem der führenden Produzenten von Wurst- und Schinkenwaren in Österreich entwickelt. Heute beschäftigt Wiesbauer als Familienbetrieb über 850 Mitarbeiter und betreibt mehrere Produktionsstandorte.

Die Produktpalette umfasst neben der klassischen Dauerwurst auch hochwertige Braten-, Schinken- und Frischwurstprodukte. Mit Betrieben in Saalbach-Hinterglemm, Ungarn und einem festen Gastronomiestandbein in Niederösterreich ist Wiesbauer breit aufgestellt und hat sich so auch in zuletzt wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie während der Coronapandemie und den heftigen Inflationsschwankungen behauptet.
medianet-Herausgeber Chris Radda hat im Gespräch mit Firmenchef Thomas Schmiedbauer die Gründe dafür herausgearbeitet. Deren wichtigster: Die Philosophie des Unternehmens bleibt stets glasklar – Geschmack, Qualität und Kontinuität. Mit diesen Werten hat sich Wiesbauer nicht nur in Österreich, sondern auch international, vor allem in Deutschland, einen Namen gemacht. Dank dieser Ausrichtung konnte das Unternehmen über die Jahre hinweg ein stetiges Wachstum verzeichnen.

medianet: Herr Schmiedbauer, wie sieht die aktuelle Lage in Ihrer Branche aus?
Schmiedbauer: Die Rahmenbedingungen waren definitiv schon besser. Aber wir haben das Privileg, breit aufgestellt zu sein – mit fünf Produktionsbetrieben, darunter unser größter in Wien Liesing, der für die Wurstproduktion für Österreich, Deutschland und andere Länder zuständig ist. Dann gibt es den Wiesbauer-Gourmet-Betrieb für die Gastronomie sowie den Betrieb in Ungarn, der für den ungarischen Markt produziert. Nicht zu vergessen unser Würsteljuwel, die Metzgerei Senninger in Saalbach-Hinterglemm. Ganz neu in unserer Gruppe ist der kürzlich übernommene Spezialitätenproduzent Kabinger in Payerbach (NÖ). Dadurch können wir verschiedene Vertriebskanäle bedienen. In Krisenzeiten, seien es nun Lockdowns, Energiekrise oder Inflation, gleicht sich das dann aus. Wenn die Gastronomie schwächelt, läuft die Wurst­produktion besser und umgekehrt.

medianet:
Ihr Vater meinte, die Branche sei nie extrem profitabel, aber auch nicht verlustreich. Wie sehen Sie das?
Schmiedbauer: Genau so! Wir haben nie riesige Gewinne gemacht, aber auch nie die ganz großen, existenziellen Verluste. Jedoch sind die letzten Jahre eher die schlechtesten, die unsere Branche jemals erlebt hat. Unsere Stabilität hat Wiesbauer geholfen. Seit fast 30 Jahren bin ich Teil des Unternehmens und kann mit gutem Gewissen sagen: Wir sind ein gesundes Unternehmen. Umsatz um jeden Preis ist nicht unsere Philosophie. Der Fokus liegt auf Geschmack, Qualität und Kontinuität. Natürlich sind Themen wie Energiekosten, Löhne und Mitarbeiter­entwicklung heute drängender, aber das treibt mich an, vor allem junge Leute weiterzuentwickeln. Da gilt einfach dieser Spruch: ‚Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.'

medianet:
Wie sieht es aktuell mit der Umsatzentwicklung aus?
Schmiedbauer: Unser Betrieb in Wien liegt seit Jahren über der 100 Millionen Euro-Marke. Insgesamt kommen wir auf etwa 230 Millionen Euro Umsatz. Der Absatz ist für uns wichtiger als der Umsatz, da der durch Preisschwankungen verzerrt wird. In den letzten Jahren haben wir den Absatz konstant gehalten und sogar leicht gesteigert, trotz der Herausforderungen. Das zeigt, dass unsere Strategie aufgeht, auch in Zeiten, in denen die Leute bei Lebensmitteln sparen.

medianet:
Wie reagieren die Konsumenten auf teurere Produkte, zum Beispiel eine Bergsteigerwurst?
Schmiedbauer: Die Leute gönnen sich auch mal was, und das ist unser Ansatz. Wir produzieren keine Massenware, sondern hochwertige, veredelte Lebensmittel. Zum Glück leben wir in Ländern, wo der Genuss gewünscht und auch leistbar ist. Es geht darum, sich vielleicht einmal pro Woche etwas Besonderes zu gönnen, nicht darum, jeden Tag Wurst oder Fleisch zu essen.

medianet
: In reichen Ländern wie Österreich gibt es aber auch einen verstärkten Trend zu weniger Fleischkonsum. Wie spüren Sie das?
Schmiedbauer: Es war nie wirklich ein riesiger Hype um extremen Verzicht gegeben, dieser war eher medial gepusht. Die Zahlen zeigen, dass der Fleischkonsum nur leicht zurückgeht, aber das ist aufgrund der Nachhaltigkeit auch verständlich und nach meinen Empfindungen auch okay. Der Konsument isst heute bewusster und kauft gezielter ein. Für uns als Unternehmen ist das in Ordnung. Wir müssen nicht unendlich wachsen. Wir setzen auf Qualität und guten Geschmack statt auf Quantität. Der Trend zu bewusster Ernährung, Tierwohl und sogar der vegane Trend – das sind Themen, die wir aufmerksam verfolgen, aber unser Fokus bleibt auf Qualität und Geschmack.

medianet:
Haben Sie den veganen Trend in Österreich stärker wahrgenommen?
Schmiedbauer: In Österreich haben wir wirklich großartige Wurstproduzenten. Die Qualität der Produkte spricht für sich. Während in Deutschland der vegane Trend intensiver war und eine Flut von Fleisch­ersatzprodukten den Markt überschwemmt hat, hat dieser Hype uns in Österreich nicht ganz so stark getroffen. Mehr auf Nachhaltigkeit zu setzen, ist eher unser österreichischer Weg.

medianet: Sie haben keine vegane Linie eingeführt. Warum?
Schmiedbauer: Wir haben uns mit der Technologie beschäftigt, aber das Ergebnis hat uns geschmacklich nicht wirklich überzeugt. Unsere Marke steht für guten Geschmack. Wie unsere Firmenchefin KommRat. Maria Wiesbauer einst sagte: ‚Eine Wurst muss schmecken wie ein Zuckerl … Du musst immer wieder hingreifen.' Wir haben den Anspruch, dass jedes Produkt ein Erlebnis ist. Wenn wir das nicht erreichen, dann stehen wir nicht dahinter. Deshalb haben wir die Entwicklung in diesem Bereich gestoppt und konzentrieren uns auf unsere Stärken.

medianet:
Wie stehen Sie zum Thema Tierwohl?
Schmiedbauer: Natürlich ist das Töten von Tieren keine schöne Sache. Aber wir nehmen unsere Verantwortung ernst. Wir arbeiten kontinuierlich daran, unsere Prozesse nachhaltiger zu gestalten, etwa bei Verpackungen und Rohstoffen. Wir deklarieren nun auch offiziell, dass unser Fleisch aus Österreich stammt. In Zukunft möchten wir noch enger mit Bauern zusammenarbeiten, um langfristige Verträge abzuschließen und die Qualität sowie Mengenverfügbarkeit weiter zu sichern.

medianet:
Sie haben in der Vergangenheit neue Produkte auf den Markt gebracht. Wie wichtig ist das für Sie?
Schmiedbauer: Sehr wichtig. Stillstand bedeutet Rückschritt. Aber in den letzten Jahren haben wir uns, auch wegen der Rahmenbedingungen (Corona, Energiekrise, etc.) mit der Markteinführung neuer Produkte zurückgehalten. Aktuell haben wir mit Schärdinger (Berglandmilch) eine extrem starke Markenkooperation – die zwei stärksten Marken der jeweiligen Gattungen, vereint in einem sensationellen Produkt. Wichtig ist, mit Innovationen den richtigen Zeitpunkt zu wählen. Es geht nicht darum, ständig neue Produkte zu bringen, sondern darum, die bestehenden besser zu machen und Mehrwert zu schaffen.

medianet:
Wie sieht Ihre Strategie für die Zukunft aus?
Schmiedbauer: Wir werden sicher weiterhin neue Produkte entwickeln, aber das eben sehr bewusst. Es ist schwer, das Rad der Wurst neu zu erfinden. Der Markt ist gesättigt mit tollen Produkten, sowohl von uns als auch von Branchenkollegen. Es geht daher oftmals mehr darum, bestehende Produkte zu verbessern und sie noch attraktiver zu machen – unsere Zusammenarbeit mit Berglandmilch liefert dafür ein gutes Beispiel: Zwei bekannte Marken wie Bergsteiger und Bergbaron zusammenzubringen, das bietet Mehrwert für alle, also nicht nur für den Konsumenten, auch für den Händler.

medianet:
Wie viele Mitarbeiter haben Sie aktuell in der Unternehmensgruppe?
Schmiedbauer: Die Wiesbauer Familien Holding beschäftigt aktuell mehr als 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

medianet:
Wie sieht es mit den Exportmärkten aus?
Schmiedbauer: Deutschland sehen wir als zweiten Heimmarkt. Wir sind seit über 25 Jahren dort aktiv und liefern von Norden bis Süden. Andere Märkte, wie Südtirol, Slowenien und Ungarn, bedienen wir durch Kooperationen mit österreichischen Handelsketten.

medianet:
Planen Sie, in Zukunft weiter zu expandieren?
Schmiedbauer: Unser Fokus liegt auf Märkten rund um Österreich. Es ist realistischer, sich auf Länder zu konzentrieren, die geografisch und kulturell näher sind. Südamerika mag spannend klingen, aber der logistische Aufwand und die Marktkenntnisse, die nötig sind, machen es schwer, dort Fuß zu fassen. Daher bleibt Deutschland unser Hauptmarkt, und alles rund um Österreich ist unser realistischer Expansionsbereich.

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