Wien (APA) - Performances, Polka und jede Menge österreichische Kulturprominenz boten am Montagabend das Rahmenprogramm für 200 bis 300 Menschen, die sich vor dem ORF-Funkhaus versammelt hatten, um gegen den Verkauf des Gebäudes zu protestieren. Mit einem "Radiomeer" wollte man ein erneutes Zeichen für den Erhalt des Standorts und der Sendervielfalt setzen, wie unter anderem Initiator Gerhard Ruiss betonte.
Eine Reihe von Kulturschaffenden, darunter etwa Sänger Willi Resetarits oder Schriftstellerin Lydia Mischkulnig, wurden vor das bunte Funkhaus-Ohr und damit vor das Mikrofon gebeten. "Ich bin emotional stark betroffen", schilderte Kabarettist Erwin Steinhauer. Neben seiner Bindung an den Standort könne er sich nicht vorstellen, "dass bei einer Übersiedelung auf den Küniglberg die Senderidentität von Ö1 gewahrt bleibt", warnte er. Der "Goldstaub der Kreativität", der in den Gängen dieses Hauses wehe, sei nicht zu transferieren.
Schriftsteller Robert Menasse beließ es dann - mit musikalischer Unterstützung von Ernst Molden - nicht nur bei Worten, sondern schritt auch gleich zur Tat: Er kettete sich an das Funkhaus. Zunächst sei das noch ein symbolischer Akt, erklärte er. "Aber ich verspreche der ORF-Geschäftsführung, wenn sie diese geistesgestörte Entscheidung nicht zurücknehmen, dann werde ich mich wirklich auf Dauer anketten." Dabei zähle er auch auf die Unterstützung anderer Kulturschaffender - man werde abwechselnd in Ketten dafür sorgen, dass kein Investor das Haus betrete.
Die Geschäftsführung des ORF, Generaldirektor Alexander Wrabetz und auch der Stiftungsrat, der den Verkauf der Liegenschaft abgesegnet hat, wurden von den Protestierenden bei jeder Erwähnung mit Buh-Rufen und Pfiffen bedacht. Autorin Marlene Streeruwitz lud die versammelte Demonstrantengemeinde gar zur "politischen Performance" mit "katholischem Charakter". Sie verlas die Namen der Mitglieder des Stiftungsrats einzeln - die Menge antwortete mit "Hallo, hast du dir dabei was gedacht?" Überhaupt war der Mitmach-Faktor für eine Demonstration relativ hoch: Auf einen Bericht über den gerade stattfindenden Protest aus den Studios folgte großer Jubel, danach wurden auf Aufforderung von Moderatorin Maxi Blaha alle mitgebrachten Radios aufgedreht und eine Protest-Polka getanzt.
Viennale-Direktor Hans Hurch, der auch an den Kampf um das Gartenbaukino erinnerte, wollte dagegen lieber die Politik in die Pflicht nehmen. "Ich fordere Bundesminister Josef Ostermayer (SPÖ) auf, seine Verantwortung zu übernehmen", so Hurch. Bei der geplanten Übersiedelung handle es sich nicht um eine ökonomische, sondern vielmehr um eine kultur- und medienpolitische Entscheidung und um eine "Form des Disziplinierung", betonte er. Auch die Redakteure und Mitarbeiter des Hauses kamen zu Wort: In einer Satzkette sprachen sie sich für den Verbleib in der Argentinierstraße aus. "Kein Bestbieter kann zahlen, was das Haus mit seinen Sendern wert ist", hieß es da etwa.
Hintergrund des bunten Protests: Der ORF plant eine Zusammenlegung aller seiner Sender und Standorte im um- und ausgebauten ORF-Zentrum am Küniglberg. Die derzeit im Funkhaus untergebrachten Sender Ö1 und FM4 sowie das Landesstudio Wien sollen ebenfalls übersiedeln. Die Liegenschaft selbst soll verkauft werden, bis 11. November können Anbote gelegt werden. Schon seit Monaten protestieren u.a. österreichische Kulturschaffende gegen den Verkauf und die Verlegung der Sender. Der ORF verteidigt sein Vorgehen regelmäßig als wirtschaftlichste Variante.
"Sie haben vor, das Funkhaus aufzugeben, Herr Wrabetz. Wir nicht", trat am Ende Initiator und Geschäftsführer der IG Autoren, Gerhard Ruiss, mit einem "persönlichen Brief an den Generaldirektor" vor die Protestierenden. "Wir haben gerade erst angefangen", versprach er. Nächster Tagesordnungspunkt: Eine Pressekonferenz am morgigen Dienstag, bei der den Forderungen der Künstler noch einmal Nachdruck verliehen werden soll. (APA)