Gegen Wissenschaftsskepsis und Fake News: ÖAW vergibt sechs neue Journalismus-Stipendien
© ÖAW/Peter Rigaud
Heinz Faßmann
MARKETING & MEDIA Redaktion 10.05.2023

Gegen Wissenschaftsskepsis und Fake News: ÖAW vergibt sechs neue Journalismus-Stipendien

Klima, Digitalisierung, Integration und Ukraine im Fokus der mit 24.000 Euro geförderten Projekte. Faßmann: „Journalismus wichtiger Partner im Kampf gegen Wissenschaftsskepsis".

WIEN. Forschung macht es Journalisten nicht immer leicht: Sie ist zumeist hochgradig spezialisiert, äußerst komplex und setzt viel an Fachwissen voraus. „Wissenschaftsjournalismus vollbringt eine große Leistung für die Gesellschaft. Er schafft es, Forschung so zu vermitteln, dass sie verständlich wird und obendrein spannend erzählt ist“, sagt Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), und macht deutlich, warum das heute wichtiger denn je ist: „Wissenschaftsskepsis und Fake News sind leider zum Alltag geworden. Der Wissenschaftsjournalismus ist ein wichtiger Partner der Wissenschaft, um dagegen anzukämpfen“, so Faßmann weiter.

Mit ihrem Stipendium „Forschung & Journalismus“ will die ÖAW Wissenschaftsjournalisten bei ihrer Arbeit unterstützen. Sie können sich durch die Finanzierung in völliger redaktioneller Freiheit ihren Projekten widmen. Bereits sechzehn Journalisten konnten seit 2019 von einem Stipendium profitierten. Dank einer Förderung durch den Wiener Journalisten und Autor Stefan M. Gergely konnten statt wie bisher vier heuer erstmals insgesamt sechs neue journalistische Vorhaben durch die ÖAW unterstützt werden.

„Heute droht die Vermittlung von seriösem Wissen durch ein Gebräu aus Lügenpostings und Hetztiraden in sozialen Netzwerken kontaminiert zu werden“, kritisiert Stefan M. Gergely. Darum sei die Initiative der ÖAW sehr zu begrüßen. Gergely: „Die öffentliche Meinungsbildung darf nicht zum Online-Klatsch an einer virtuellen Bassena verkommen!“

Eine Förderung von jeweils 4.000 Euro für eine Laufzeit von bis zu zwei Monaten erhalten die Journalist Michaela Ortis, Wolfgang Machreich, Denise Hruby, Klaus Höfler sowie die Redaktionen der Tiroler Straßenzeitung 20er und des multimedialen Reportage-Podcasts Inselmilieu – sie konnten die Auswahljury aus Vertreter der ÖAW, vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), dem Presseclub Concordia sowie den Wissenschaftsredaktionen von APA und Ö1 mit ihren Einreichungen überzeugen.

Das Leben in den Alpen in Zeiten des Klimawandels
Denise Hruby setzt sich in ihrem Projekt „Keinschneehasen“ mit den Auswirkungen des Klimawandels im alpinen Raum auseinander und zeigt diese speziell am Beispiel des Schneehasen auf. „In den Alpen kann ein Grad mehr oder weniger entscheiden, ob die Berglandschaft grau bleibt oder mit weißem Schnee bedeckt ist. Für kaum ein anderes Tier mag dieser Unterschied überlebenswichtiger sein als für den Schneehasen“, erklärt sie. Sie will herausfinden, wie sich dieser und die Welt der alpinen Flora und Fauna allgemein an den Klimawandel anpassen und was wir von den Überlebensstrategien einzelner Arten lernen können.

Klimawandel passiert hier und jetzt
Mit den Folgen der Klimakrise beschäftigt sich auch ein weiteres gefördertes Projekt. Das Redaktionsteam der Tiroler Straßenzeitung 20er aus Innsbruck will erarbeiten, was die Auswirkungen direkt vor der Haustür sind und in einer multimedialen Serie die messbaren Folgen der fortschreitenden globalen Erwärmung im Alpenraum aufzeigen. Dabei soll dokumentiert werden, wie sich diese auf Wetter, Böden, Wasserkreisläufe und Schutzwälder auswirkt, aber auch was die Erwärmung für den Tourismus bedeutet oder wie sie die Gesundheit von Stadtbewohner beeinflusst.
Veränderung der Sprache durch digitale Technologie

Aus dem digitalen Themenfeld hat sich Journalistin Michaela Ortis das Thema Algorithmen beziehungsweise automatisierte Entscheidungsfindungen im Sozialbereich für ihr Projekt ausgesucht. Sie stellt unter anderem die Frage, ob der Umgang mit Bürger technischer wird, da Algorithmen die Sprache technischer machen und ob das im Sozialbereich wünschenswert ist. „Mit meiner Reportage möchte ich zeigen, dass Technik den Menschen dienen muss, nicht umgekehrt und welche Rolle es spielt, was und wie kommuniziert wird“, erzählt sie.

Der Einfluss der Klangkulisse auf das Heimatgefühl
Wie klingt der öffentliche Raum und welche Rolle spielen am Beispiel von Muezzin-Ruf und Glockengeläut unterschiedliche Klangteppiche für Heimatgefühl, Integration oder das Gefühl von Fremdsein in einem Land? Diesen Fragen will der Wissenschaftsjournalist Wolfgang Machreich in seinem Artikel-, Podcast- und Rundfunk-Feature-Projekt nachgehen. Weitere Fragestellungen sind: „Wie groß ist der Wunsch von Moschee-Gemeinden nach allgemein hörbarer Anwesenheit im öffentlichen Raum?“ Und: „Wie groß ist das politisch-populistische Eskalationspotenzial, das mit der zunehmenden Vielfalt des öffentlichen Klangteppichs einhergeht?“

Die Vielfalt jüdischen Lebens in Wien
Zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg lebten in Wien fast 200.000 Jüdinnen und Juden. Heute leben aufgrund der Verfolgung und Ermordung im Nationalsozialismus weniger als 10.000 in der Stadt. Und obwohl kaum eine europäische Stadt historisch so eng mit der jüdischen Geschichte verbunden ist, gibt es im Alltag oft wenige Berührungspunkte. Die multimediale Podcastserie von Inselmilieu hat es sich zum Ziel gesetzt, Berührungsängste und Vorurteile abzubauen, Interesse aneinander zu wecken und Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten miteinander ins Gespräch zu bringen.

Ukrainische Forschung auf der Flucht
Als am 24. Februar 2022 der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine begann, bedeutete das auch für viele das (vorläufige) Ende des wissenschaftlichen Lebens in der Ukraine. Forscher, denen es möglich war, flüchteten - auch nach Österreich. Klaus Höfler will anhand von Interviews mit Betroffenen deren persönliche Fluchtgeschichten für die Nachwelt festhalten und dabei auch die wissenschaftliche Arbeit der Geflüchteten sowie die sozialen Folgen dieses Brain Drains für die Ukraine nachzeichnen.

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