WIEN. Die Lounge der Kunsthalle im Wiener MuseumsQuartier dürfte Dienstag, 25.06.2019, wohl eine der angenehmsten Räumlichkeiten der Stadt gewesen sein. Bei überraschend kühlen Temperaturen fand dort die Präsentation der Siegerfilme von „20 Seconds for Art“ statt. Das diesjährige Motto des von Infoscreen und KÖR – Kunst im öffentlichen Raum Wien ausgeschriebenen Kurzfilmwettbewerbs lautete „Kultur im Wandel“. 20-sekündige Movies über die erreichte Gleichstellung im Boxring, einen sich verformenden Schwamm, Smartphone-Fingerübungen auf menschlicher Haut, eine nutzlos agierende Roboterhand und eine Pop-up-Eckbank haben diese aus Sicht der Jury am besten umgesetzt. Die Gestalter der fünf Beiträge dürfen sich über jeweils tausend Euro Preisgeld und rund 19 Millionen Ausstrahlungen auf Infoscreen freuen, wie Peter Fässlacher, ORF-Kulturredakteur und Moderator des Abends, vorrechnete. Tatsächlich werden die fünf Beiträge von 01. Juli bis 25. August täglich rund 120 Mal auf insgesamt 2.900 Infoscreens in und um die öffentlichen Verkehrsmittel in Wien, Graz, Linz, Innsbruck, Klagenfurt und Eisenstadt ausgestrahlt.
„Kunst im öffentlichen Raum ist nicht nur die Skulptur im Kreisverkehr. Deshalb wollen wir auch dorthin vordringen, wo Kunst sonst nicht so einfach zu finden ist. Dafür ist Infoscreen ein hervorragender Partner“, erklärte KÖR-Geschäftsführerin Martina Taig. „Denn die erfolgreichen Filme werden mit einer Reichweite belohnt, die nur die allerwenigsten Kunstwerke bekommen.“ Deshalb richteten KÖR und Infoscreen heuer bereits zum vierten Mal „20 Seconds for Art“ aus. Begeistert von der Qualität der diesjährigen Beiträge zeigte sich Infoscreen-Geschäftsführer Sascha Berndl. „Alle 194 Einreichungen haben einen künstlerischen Anspruch. Die siegreichen Arbeiten unterstreichen, dass auch in 20 Sekunden und ohne Ton Filmkunst auf hohem Niveau möglich ist.“ In einer durchaus lebhaften Sitzung einigte sich die mit Gerald Bast (Rektor der Universität für angewandte Kunst), Doris Bauer (Festivalleiterin VIS Vienna Shorts Festival), Architekt Michael Obrist, ORF-Kulturchef Martin Traxl und Infoscreen-Redaktionsleiterin Stefanie Paffendorf besetzte Jury auf fünf handwerklich und inhaltlich völlig unterschiedlich gestaltete Gewinnerfilme. „Uns war wichtig, dass die Beiträge in 20 Sekunden eine Geschichte erzählen, einem Rhythmus folgen und – obwohl sie tonlos sind – eine Melodie haben“, umreißt Paffendorf die Kriterien der Jury.
Mit einer Super 8-Kamera hat Preisträger Raphael Reichl seinen Beitrag „ttt touch me“ gefilmt. Das grobkörnige Bild zeigt die typischen und allgegenwärtigen Fingerbewegungen von Smartphone-Benutzern in einem beinahe befremdlich wirkenden Zusammenhang. Auf menschlicher Haut muten diese Fingerübungen wie ungeschickte Massageversuche und verhaltene Liebkosungen an. Dass der ursprünglich viel längere Film trotz Kürzung auf 20 Sekunden dennoch funktioniert, hat Reichl selbst überrascht.
Eine Hand spielt auch in jenem Film die Hauptrolle, der den kryptischen Titel „....“ hat. Darin zeigt Paul Spendier wie sich eine Roboterhand eine ebenso typisch menschliche wie nutzlose Angewohnheit zu eigen macht. Die mechanisch betriebenen Finger dieser Hand klopfen ungeduldig auf eine Tischplatte und symbolisieren so die zunehmende Verschmelzung von Mensch und Maschine.
„Acht Wochen auf Infoscreen präsent zu sein, ist ziemlich cool“, freute sich Katharina Grafinger über die Juryentscheidung zugunsten ihres handwerklich beeindruckenden Beitrages. Dadurch könne sie ihren Film „memoria spongeae exornatus“ auch Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln zeigen, die diesen vielleicht gar nicht sehen wollen. Konfrontiert werden diese Zuseher jedenfalls mit einem sich intensiv verformenden Schwamm, der dabei immer wieder einen Stein umschließt.
Aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen thematisiert Sebastian Doringer in „The Boxer“. Mit einem gelungenen Spannungsaufbau wird darin von einem Boxhandschuh auf eine teilverschleierte Athletin gezoomt. Der ästhetisch anspruchsvoll gezeichnete Animationsfilm verbildlicht einen wichtigen Etappensieg auf dem Weg zur Gleichstellung. Die Ideenfindung sei das schwierigste an seinem Film gewesen, erzählte Doringer.
Mit einer zutiefst österreichischen Tradition setzen sich Armin Wagner und Liddy Scheffknecht auseinander. In „pop up (Eckbank)“ inszenieren sie das Standardmöbel der Alpenrepublik als funktionsuntüchtige Attrappe, die sich jederzeit und überall ausklappen lässt. Die Pop-up-Skulptur einer Eckbank wurde von den beiden Künstlern selbst aus Karton und Klebeband gefertigt und wird im Film von diesen auch persönlich präsentiert. (red)