Jugendliche: lieber Katzenvideos als Informationsmedien
panthermedia / Alexey Romanov
MARKETING & MEDIA Redaktion 27.10.2015

Jugendliche: lieber Katzenvideos als Informationsmedien

Schweizer Jahrbuch zur Qualität der Medien präsentiert; "Aus staatspolitischer Sicht alarmierend, dass Jungen fast keine Informationsmedien mehr konsultieren"

Bern. Die jungen Erwachsenen lesen immer weniger Zeitungen, auch ihr Radio- und TV-Konsum nimmt ab. Gleichzeitig bevorzugen die Jugendlichen weniger anspruchsvolle Inhalte in sozialen Medien. Die Branche sieht diese Entwicklung mit Sorge - und sucht nach Lösungen, um den Trend aufzuhalten. Dieses düstere Bild zeichnet das aktuelle "Jahrbuch 2015 Qualität der Medien" in der Schweiz. Mark Eisenegger, Präsident der "Kurt Imhof Stiftung für Medienqualität", sprach bei der Präsentation des Werks in Bern von einer "Strukturkrise des Informationsjournalismus". Das Vertrauen in die traditionellen Medien sinke weiter. Dass dieser Trend ausgerechnet bei den jungen Leuten am stärksten zu beobachten sei, bereite ihm Sorgen. "Aus staatspolitischer Sicht ist es alarmierend, dass die Jungen fast keine Informationsmedien mehr konsultieren."

Die Zahlen sprechen für sich: Abo-Zeitungen erreichen über die Hälfte der jungen Erwachsenen nicht mehr. Im Jahr 2015 gaben 56 Prozent der Befragten zwischen 16 und 29 Jahren an, nie eine Abo-Zeitung zu nutzen. 2009 lag der Wert noch bei 35 Prozent. Auch das Radio, Gratiszeitungen, Boulevardzeitungen und das Fernsehen, die auf Hard-News setzen, verloren in der gleichen Periode an Resonanz. Einzig Online-Inhalte wurden mehr beachtet - die Zunahme von plus zwei Prozent ist aber gering.

Die Jungen informierten sich stattdessen zunehmend über Social-Media-Kanäle oder gingen als Informationsnutzer ganz verloren, weil sie ihre Zeit in Unterhaltungsangebote investierten, sagte Eisenegger. "Viele Junge suchen das Alltägliche, seichtere Geschichten, Soft-News." Gemeint sind etwa Beiträge oder Artikel über Hollywoodstars, über Unfälle und Verbrechen oder die lustigsten Katzenvideos. Von den 200 Beiträgen, die im vergangenen Jahr am meisten verlinkt, getwittert oder auf den News-Sites kommentiert wurden, waren rund 60 Prozent Soft-News.

Dass die politischen Nachrichten bei jungen Mediennutzern an Wichtigkeit verlieren, bereitet den Medienwissenschaftern Sorgen. "Es ist an der Zeit, dass Medienhäuser und Journalisten diese Entwicklung kritischer reflektieren", sagte Eisenegger. Gerade Jugendliche seien darauf angewiesen, dass komplexe Sachverhalte eingeordnet würden. Die Studienautoren fordern deshalb dringend, dass an den Schulen mehr Wert auf Medienkompetenz gelegt werde. Die Jungen müssten lernen, qualitativ gute von weniger guten Medien zu unterscheiden. Das sei heute zu wenig der Fall.

Sorge bereitet den Studienautoren auch die finanzielle Situation der Informationsmedien. Die Zahlungsbereitschaft für Online-Inhalte sei weiterhin gering, die Werbeeinnahmen blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Das führe unter anderem zu mehr Konzentration und weniger Vielfalt in der Medienlandschaft. Insgesamt sei die Qualität der Schweizer Medien gesunken, lautet das Fazit des Jahrbuchs. Die höchste Qualität attestieren die Medienwissenschafter noch dem öffentlichen Radio, gefolgt vom öffentlichen Fernsehen und den Sonntagszeitungen.

Das Schweizer Jahrbuch zur Qualität der Medien wird vom Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich verfasst und erschien dieses Jahr zum sechsten Mal. Ins Leben gerufen hatte es der Zürcher Soziologieprofessor Kurt Imhof, der im Frühjahr im Alter von 59 Jahren starb. (APA/sda)

 

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL