WIEN. „Es stellt sich die Frage, ob es noch sachgerecht ist, den Nutzern der älteren Technologie, den Betreibern der „Rundfunkempfangseinrichtungen“, allein die Finanzierung des Programmangebots aufzubürden. Diese Gebührenfinanzierung war adäquat, solange der Programmkonsum über lineares Radio und Fernsehen erfolgte, auch noch zu Beginn des Online-Zeitalters, wo Online als „Zubehör“ gesehen wurde“.
Diese Frage stellte Thomas Prantner im Jahr 2021 als Kandidat für die Wahl des ORF-Generaldirektors in seinem Konzept „ORF neu: Für Österreich und seine Menschen“.
ORF Chef geworden ist dann letztendlich Roland Weißmann, aber zumindest die Frage nach einer Gebühr auch für jene, die ORF Programme nur via Stream empfangen bleib virulent und wurden nun vor wenigen Tagen vom Höchstgericht zugunsten des ORF entscheiden und der Gesetzgeber muss nun die so genannte Streaming-Lücke schließen und auch all jene, die den ORF quasi über moderne Wege empfangen müssen für das ORF-Programm künftig zahlen.
Begrüßt wird das nicht nur vom ORF sondern auch von den Neos, die das Urteil dazu nutzten, gleich eine Neuaufstellung der Finanzierung des ORF in Richtung Haushaltsabgabe zu verlangen.
medianet bat Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter diesbezüglich um ein paar Antworten.
medianet: Frau Brandstötter, nach dem VfGH-Urteil zur so genannten Streaminglücke haben sie nun für eine Änderung der ORF-Finanzierung und für die Einführung der sg. Haushaltsabgabe plädiert. Ihr Argument u.a. Es würde für die Konsumentinnen und Konsumente, da diverse andere Abgabe, die mit der Gebühr ebenfalls eingehoben, wegfallen, billiger. Dazu zwei Fragen. Erstens: Warum glauben Sie, werden Bund und Länder auf diese Mehreinnahmen einfach so verzichten und was spricht aus ihrer Sicht generell für diese Form der Finanzierung?
Henrike Brandstötter, Mediensprecherin News: Die GIS hat letztes Jahr etwas über 933 Millionen Euro an Rundfunkgebühren verrechnet. Zwei Drittel davon wurde als Programmentgelte an den ORF weitergeleitet. Der Bund hat davon 140 Millionen Euro in Form von Steuern, Gebühren und dem Kunstförderungsbeitrag erhalten. Weitere 148 Millionen Euro gingen als Länderangabe an die Bundesländer – außer Oberösterreich und Vorarlberg, die beide keine Abgaben einheben. Die sieben anderen Länder sollten schon längst auf dieses Körberlgeld verzichten. Eine Haushaltsabgabe wäre fairer und günstiger für alle.
medianet: Wie hoch soll die Haushaltsabgabe Ihrer Meinung nach sein und wie soll deren Höhe künftig evaluiert und angepasst werden?
Brandstötter: Mit der Neugestaltung der ORF-Finanzierung über eine Haushaltsabgabe wird nicht nur die Streaminglücke geschlossen, sondern zugleich auch die Abgabe günstiger als bisher die GIS-Gebühren – unter anderem fällt ja die teure GIS-Organisation weg. Die Haushaltsabgabe soll von allen Haushalten und Unternehmen geleistet werden und jedenfalls sozial gestaffelt sein. Wenn dann die Länderabgabe fällt, die zwischen 3 und 5 Euro pro Kopf ausmacht, und zugleich die Gebühren auf mehr Zahler aufgeteilt werden, wird es deutlich günstiger für jeden Haushalt. Die Höhe der Haushaltsabgabe selbst soll von einer unabhängigen Stelle alle fünf Jahre überprüft und angepasst werden. Außerdem muss sich der ORF verpflichten, endlich jedes Jahr eine ordentliche Bilanz und einen ausführlichen Geschäftsbericht vorzulegen.
medianet: Wie wollen sie verhindern, dass die Politik via Festlegung der jeweiligen Höhe der Abgabe den ORF nicht politisch gängelt bzw. erpresst?
Brandstötter: Es wird gerade an einem neuen ORF-Gesetz gearbeitet. Und in diesem muss der Prozess festgelegt werden, der solche Szenarien verhindert.
medianet: Befürchten Sie nicht, dass durch die nun neu entstehende Diskussion auch Forderungen nach einer generellen Abschaffung der Gebühr – die FPÖ tut dies bereits - wieder Fahrt aufnimmt?
Brandstötter: Die Debatte kommt regelmäßig und ist ein gutes Indiz dafür, dass der ORF seine Hausaufgaben nicht macht. Wenn ich es nicht schaffe, meinen gesellschaftlichen Mehrwert zu kommunizieren, bekomme ich natürlich auch ein Legitimationsproblem. Der ORF hat sich in vielen Bereichen verzettelt, aufgeblasen und seinen Auftrag sehr weit ausgedehnt. Selbstverständlich fragen sich Bürgerinnen und Bürger zurecht, weshalb sie verpflichtet werden, für amerikanische Serienmarathons aus den frühen 2000er-Jahren zu bezahlen. Ich fordere daher auch im Zuge der Neugestaltung des ORF-Gesetzes endlich Debatten über den Auftrag des Öffentlich-rechtlichen und seine Grenzen.
medianet: Das neue ORF-Gesetz ist gerade in Erarbeitung und es ist offensichtlich, dass man ihm künftig digital – auch im Sinne einer modernen Mediennutzung – digital etwas mehr Möglichkeiten einräumen wird müssen. Wie ist hier ihre Position und wo sind für sie – in Trennung zu den Privatsendern – die Roten Linien?
Brandstötter: Der ORF braucht rechtliche Grundlagen, die sicherstellen, dass er aktuelle und zukünftige Herausforderungen auch meistern kann. Vorweg muss deshalb der öffentlich-rechtliche Kernauftrag geschärft und mit einer nachvollziehbaren Programmstruktur hinterlegt werden. Wenn der ORF neue Möglichkeiten erhält, wie etwa online first und online only zu produzieren, muss er auf der anderen Seite auch Möglichkeiten abgeben, um die ohnehin vorhandene Schieflage zwischen ihm und den Privatsendern sowie dem Print nicht noch mehr zu strapazieren. Dazu gehört unter anderem eine Reduktion der Werbezeiten und ernsthafte Gespräche über Rolle und Funktion der „blauen Seite“, die mittlerweile in einem Umfang und einer Tiefe berichtet, die Printmedien große Konkurrenz macht – und das gebührenfinanziert. (red)