Medienexperte: Sorgen wegen staatlicher Medienförderung unberechtigt
© Johannes Zinner
Josef Trappel.
MARKETING & MEDIA Redaktion 17.02.2022

Medienexperte: Sorgen wegen staatlicher Medienförderung unberechtigt

Trappel zu Schweizer Volksabstimmung: Medienvielfalt ohne öffentlichen Beitrag immer schwieriger zu erhalten; Neuordnung der Medienförderung in Österreich "absolut begrüßenswert".

BERN / SALZBURG / WIEN. Am Sonntag, 13. Februar 2022, hat sich die Schweizer Bevölkerung gegen ein staatliches Medienförderungspaket von jährlich 151 Mio. CHF (ca. 144 Mio. €) entschieden. Zu groß war die Sorge um die Unabhängigkeit der Medien. Die Bedenken seien aber "unberechtigt", meinte Josef Trappel, Leiter des Fachbereichs Kommunikationswissenschaft an der Uni Salzburg, im APA-Gespräch. Ohne öffentlichen Beitrag sei die Medienvielfalt immer schwieriger aufrechtzuerhalten und leide letztlich die Qualität.

"Schweizer Verleger haben traditionell eine größere Distanz zum Staat, als es bei österreichischen Medien der Fall ist", erklärte Trappel, der an der Universität Zürich habilitierte und früher den Bereich Medien und Kommunikation der Prognos AG in Basel leitete. Daher seien die Bedenken gegen staatliche Förderungen größer als hierzulande. Das von vielen Wählerinnen und Wählern vorgebrachte Argument, dass mit den Subventionen nun eine zu große Nähe zum Staat aufgebaut worden wäre, sei aber "schlicht und einfach falsch". Anhand von Österreich, Frankreich, Italien oder auch skandinavischen Ländern sehe man, dass "Medienförderung nicht damit einhergeht, dass Medien sich dem Staat andienen".

Eine reine Finanzierung über Leserinnen und Leser würde die Preise so in die Höhe treiben, dass zu wenige kaufbereite Personen übrig blieben. Wichtig sei es daher, Abhängigkeiten zu streuen. "Ein Mosaik aus Werbung, Sponsoring, öffentlichen Quellen und ein paar Nebengeschäften stärkt die Unabhängigkeit der Medien", sagte der Medienwissenschafter.

Problematisch sei, dass mittlerweile ein großer Teil der Werbegelder bei internationalen Plattformen landet. "Es gibt immer weniger Medien, die sich alleine mit Gegengeschäften und Nebengeschäften finanzieren können", so Trappel. Als Folgeerscheinung werden häufig Journalistinnen und Journalisten abgebaut, da Personalkosten einen großen Brocken der Fixkosten ausmachen. "Damit nimmt man schlechtere Qualität in Kauf und irgendwann stellt sich die Frage: Ist die Lage noch angemessen für eine Demokratie?" Wie weit man bereits auf diesem Weg fortgeschritten ist, sei schwierig einzuschätzen. Auf längere Sicht wäre es jedenfalls gut, wenn die öffentliche Hand einen Anteil an der Finanzierung übernimmt - für Medien, die Qualität in den öffentlichen Diskurs bringen.

"Die letzten fünf bis zehn Jahre und ökonomische Krisen haben auch in der Schweiz zu einem Umdenken geführt. Der Großteil der Verleger - vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen - sagt, ihnen stehe das Wasser bis zum Hals und sie bräuchten staatliche Unterstützung, um überleben zu können", so Trappel. Das hänge auch damit zusammen, dass in der Schweiz noch rund 70 Tageszeitungen existieren. In Österreich sind es gerade mal 14. "Es gibt dort sehr viel mehr kleine Zeitungen - so wie in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese verspüren jetzt viel stärker den Medienkonzentrationsdruck. Was wir hier schon in den 60er- und 70er-Jahren hatten, spielt sich jetzt in der Schweiz ab", so Trappel.

"Fatal" für den Medienstandort wäre eine Halbierung der Haushaltsabgabe zur Finanzierung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG), wie es eine Initiative zum Ziel hat. Nicht nur geht davon ein Teil der Gelder an private regionale Radio- und Fernsehsender, auch bliebe eine "nicht mehr zu bewältigende Leerstelle an öffentlicher Kommunikation und journalistischer Leistung". Die Chancen auf einen Erfolg der Initiative seien laut Trappel aber eher klein: "Die SRG hat einen starken Rückhalt."

In der Schweiz von der Bevölkerung abgelehnt, wird in Österreich demnächst auf mehreren Medienkonferenzen über eine Aufstockung der staatlichen Medienförderung diskutiert. Auch Trappel nimmt an einer davon teil. In einem zu diskutierenden Maßnahmenkatalog sind die Vereinheitlichung und Erhöhung der diversen Medienförderungen wie auch der Einbezug von Onlinemedien vorgesehen. Auch die stärkere Verankerung von Qualitätskriterien steht zur Diskussion. Im Gegenzug sind strengere Regeln und mehr Transparenz in Hinblick auf die Inseratenausgaben der öffentlichen Hand angedacht.

"Das ist absolut begrüßenswert", meinte der Medienwissenschafter. Wichtig sei, von einem "Gießkannenprinzip" - der Vertriebsförderung - wegzukommen und gezielt jene Medien zu fördern, die "am meisten für die öffentliche Meinungsbildung leisten". "Es ist ein großes Rad, das hier gedreht werden muss. Es ist immer größer geworden, weil Medienpolitik in den vergangenen Jahren abseits von Konferenzen und Ankündigungen nicht stattgefunden hat", so Trappel. Gut sei, dass die neue Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) nun das Gespräch suche. "Noch wichtiger wäre, dass man relativ schnell ins Handeln kommt." (red)

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