Wien. ORF-Stiftungsratsvorsitzender Dietmar Hoscher rechnet bei der Wahl der neuen ORF-Führung im Sommer 2016 nicht mit politischen Einflüssen. "Der Stiftungsrat ist keine Bühne für politisches Hickhack. Dass in diesem Land jede Funktion politisch zugeordnet wird, dürfte in der österreichischen Seele begründet sein", sagte der von der SPÖ ins Gremium entsandte Hoscher im Interview mit dem "Kurier".
"Die ORF-Wahlen sehe ich nicht als eine politische Entscheidung. Die Bewerberinnen und Bewerber werden sich dort mit ihren Konzepten struktureller wie personeller Natur präsentieren. Dann wird der Stiftungsrat seine Wahl treffen", so Hoscher. Der aktuellen ORF-Geschäftsführung um den von der SPÖ unterstützten Generaldirektor Alexander Wrabetz stellt der Casinos Austria-Vorstand im "Kurier" ein positives Zeugnis aus. "Die letzten Jahre stellen eine Erfolgsgeschichte dar. Da wurde schon sehr effektiv, effizient und auch kooperativ gearbeitet. Einzelkritik-Punkte gibt es immer wieder. Das betrifft etwa die Quote österreichischer Musik, wo ich noch deutlichen Nachholbedarf sehe. Aber auch diese Frage wurde angegangen. Ähnlich ist es bei der heimischen Filmwirtschaft."
In den Hearings zur Wahl des ORF-Generaldirektors werde laut Hoscher "nicht nur Programmliches und Vorhaben darzustellen sein. Es wird zweifelsfrei auch ein Entscheidungskriterium sein, wer mit welchem Team in die Wahl geht. Da wird mit Sicherheit auch der Frauenanteil relevant werden." Hier sei der ORF insgesamt gut unterwegs - "der Weg stimmt, das Ziel ist diesbezüglich noch nicht erreicht". Sollte es bei der Wahl einen Stimmengleichstand geben, dann werde er jedenfalls sein Dirimierungsrecht einsetzen. Hoscher: "Das kann ich mir gar nicht aussuchen. Laut Gesetz entscheidet bei Stimmengleichheit automatisch die Stimme des Vorsitzenden."
Die Kritik am geplanten Verkauf des ORF-Funkhauses und der Übersiedelung der Radiosender kann Hoscher nicht nachvollziehen, Ängste, Bedenken und Verunsicherung - etwa beim Kulturradio Ö1 - seien aber "ernst zu nehmen. Hier gibt es auch das mehrfache Bekenntnis von ORF-Führung und Stiftungsrat, dass an der Sender-Identität von Ö1 nicht gerüttelt wird, im Gegenteil, diese weiter gestärkt werden soll. Wogegen ich mich wehre, ist die Behauptung, dass das Programm leide, weil es von einem anderen Ort gesendet wird."
Von der Medienpolitik fordert Hoscher im "Kurier" faire Rahmenbedingungen für den ORF. Man müsse dem öffentlich-rechtlichen Sender "alle Möglichkeiten einräumen, damit er seine Kunden auf allen medialen Kanälen, die ein modernes Rundfunk-Unternehmen heute bedienen muss, auch bedienen kann". Die Schranken im Bereich Apps, mobile Plattformen und am Second Screen sollten fallen. "Hier sehe ich für den ORF einen Wettbewerbsnachteil und das schädigt den Medienstandort Österreich insgesamt. Google, Netflix, Amazon sind nämlich die wahren Gegner. Die kommen mit dem Medien-Bulldozer, während wir noch unsere regulatorischen Schrebergärten pflegen." (APA)