WIEN. Nein, die lang anhaltende Trockenheit der vergangenen Wochen könne an sich noch nicht als weiteres Indiz für den Klimawandel genommen werden, sagt Marcus Wadsak. "Dieser März ist außergewöhnlich trocken. Für sich genommen, ist das ein verrücktes Wetter. Der Sprung vom Wetter zum Klima funktioniert nur, wenn man sich mindestens die letzten 30 Märze ansieht." Genau deshalb macht sich der Leiter der ORF-Wetterredaktion um das Klima Sorgen. Morgen erscheint sein "Klimamanifest".
Denn der Blick in die Aufzeichnungen macht sicher: "Wir erleben Dinge, die es noch nie gab. Wir alle haben die acht wärmsten Jahre der Welt erlebt. 2013 haben wir in Österreich 40,5 Grad gemessen. Wir hatten seither so viele Hitzetage wie noch nie. Wir hatten so viele Hitzetote wie noch nie. Das ist für viele Menschen schwer zu akzeptieren." Wie man im täglichen Wetterbericht den Zusammenhang zur Klimakrise herstellt, sei eine Herausforderung, der sich die von ihm seit 2012 geleitete ORF-Wetterredaktion immer wieder neu stelle, versichert Wadsak im APA-Gespräch. "Ich sehe den öffentlich-rechtlichen Rundfunk da sehr in der Verantwortung. Der Wetterbericht nach der Einser-ZiB erreicht täglich an die 1,5 Millionen Menschen. Wenn wir nicht schaffen, den Menschen die Problematik zu vermitteln, wer dann?"
Dennoch scheint den Menschen die Dramatik der Lage viel zu langsam bewusst zu werden - eine Zeit, die man nicht mehr hat. Vor zwei Jahren hat der Meteorologe sein erstes Buch darüber veröffentlicht ("Klimawandel: Fakten gegen Fake & Fiction"). Passiert ist seither viel zu wenig: kleine Schritte statt radikaler Kurswechsel. Jüngst verkündete die Grüne Umweltministerin sogar eine deutliche Erhöhung der Pendlerpauschale anstatt den hohen Benzinpreis als Rückenwind für dringend notwendige verkehrspolitische Maßnahmen zu nutzen. "Wie oft ich am Verzweifeln bin, will ich gar nicht sagen", stöhnt Wadsak. "Es gibt eben noch immer große Interessensgruppen, die sich dagegenstemmen."
Dabei besteht gerade noch die Chance, rechtzeitig zu handeln. "Letzte Generation" hat der 51-Jährige daher sein neues Buch genannt - und eine 16-jährige Co-Autorin beigezogen. Die "Fridays for Future"-Aktivistin Paula Dorten liefert die Wut und die Emotionen zu den gesicherten wissenschaftlichen Fakten, die Wadsak noch einmal in aller Ruhe aufzählt. "Es sind zwei Generationen, eine Stimme, ein Inhalt, ein Ziel. Ich finde es toll, wie Paula das macht. Diese jungen Leute faszinieren mich, die sind wirklich lästig! Die lassen sich nicht so leicht abwimmeln. Die Energie, die Sprache und der Mut von Paula haben auch mir sehr gut getan. Ihre Beiträge sind ein wesentlicher Teil des Buches", sagt der Meteorologe, der 2017 die NGO "Climate without Borders" mitbegründet hat, in der über 140 Wettermoderatoren aus 110 Ländern zusammenarbeiten. Ein Euro pro verkauftem Exemplar geht an "Fridays for Future".
In den meisten Kapiteln des Buches, von der Dekarbonisierung, über die Abholzung der Wälder bis zur Ernährungsumstellung, gibt Wadsak vor, und Dorten legt nach. Bei der Argumentation der Thesen, dass es nicht um punktuelle Veränderungen, sondern um nichts weniger als um einen radikalen Systemwechsel geht, der in alle Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche eingreifen muss ("Nichts kann so weitergehen wie bisher, wenn wir die Welt in 50 Jahren noch wiedererkennen wollen."), bleibt die junge Aktivistin alleine. Ist Wadsak in diesen Punkten weniger radikal? "Nein, Paula hat das schon so gut formuliert, dass ich nicht wusste, was ich dazu noch ergänzen hätte können", meint er. Den öffentlich-rechtlichen Wettermann hat da also nicht der Mut verlassen? "Ich finde, ich bin in dem Buch sehr deutlich geworden. Vor zwei Jahren habe ich vergleichsweise hoffnungsfroh und gemütlich geschrieben. Diesmal mache ich immer wieder klar: Was muss noch alles passieren, damit wir handeln?"
Sehr deutlich werden beide Autoren im Kapitel Mobilität. Dorten beschreibt tagebuchartig und in allen Etappen ihren Kampf gegen Lobautunnel und Stadtstraße ("Wir wurden angeklagt, angezündet und schließlich geräumt"), Wadsak macht klar, dass es nicht um bloßen Ersatz von Verbrennungsmotoren geht, sondern es eine Mobilitätswende brauche, die auch Probleme wie Flächen- und Ressourcenverbrauch, Bodenversiegelung und überhitzte Städte löse. Moment, wohnt der ORF-Moderator nicht am Neusiedlersee und pendelt also auch selbst an seinen Arbeitsplatz? Diese Frage kostet Wadsak nur ein Schmunzeln. "Ich besitze kein Auto, aber ein Klimaticket. Zum ORF fahre ich nur öffentlich", versichert er. Auch zu den über 30 Klimawandel-Vorträgen, die er alleine im vergangenen Jahr gehalten hat, sei er fast immer öffentlich angereist. "Ich glaube, ich hab mir ein einziges Mal ein Auto ausgeborgt, weil die Verbindung so schlecht war - und das war von Neusiedl nach Güssing." (APA)