Verhaltenskodex soll in EU Falschinformationen im Internet eindämmen
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MARKETING & MEDIA Redaktion 27.09.2018

Verhaltenskodex soll in EU Falschinformationen im Internet eindämmen

EU fürchtet Desinformation bei Europawahl - Kritik an fehlenden Verpflichtungen.

BRÜSSEL. Sieben Monate vor der Europawahl haben Unternehmen der Internet- und Werbewirtschaft einen Verhaltenskodex vereinbart, um in der EU gegen Falschinformation in ihren Angeboten vorzugehen. Das am Mittwoch von der EU-Kommission veröffentlichte Dokument fordert insbesondere, Verbreiten von Falschinformationen in Online-Angeboten Werbeeinnahmen zu entziehen.

Darüber hinaus soll Werbung klar gekennzeichnet und gegen den Missbrauch automatisierter Bots zur Verbreitung von Fake News vorgegangen werden; Beschwerdemöglichkeiten für Nutzer sollen ausgeweitet werden.

Die zuständige EU-Kommissarin Mariya Gabriel sprach von "einem Schritt in die richtige Richtung", verlangte aber weiter gehende Anstrengungen. Sie drohte erneut mit gesetzlichen Regelungen, sollte die nun eingegangene Selbstverpflichtung nicht schnell zu greifbaren Ergebnissen im Kampf gegen Fake News und Online-Desinformation führen.

Nach Angaben aus EU-Kreisen tragen unter den großen Anbietern bisher Facebook und Google einschließlich der Video-Tochter Youtube den Verhaltenskodex mit. Auch der Internet-Branchenverband Edima gehöre zu den Unterzeichnern. Der Kurzbotschaftendienst Twitter hat sich demnach "noch nicht" angeschlossen. Der Prozess der Unterzeichnung laufe aber noch.

Der Verhaltenskodex solle "zu einer transparenten, fairen und vertrauenswürdigen Online-Kampagne im Vorfeld der Europawahlen im Frühjahr 2019 beitragen", erklärte Gabriel. Gleichzeitig sollten "die Grundprinzipien Europas der freien Meinungsäußerung, der freien Presse und des Pluralismus voll respektiert" werden.

Kritik kam von einem beratenden Gremium aus Medienvertretern, Verbänden und Wissenschaftern, das an einem von der Kommission einberufenen Forum mit der Internet- und Werbewirtschaft beteiligt ist. Der Kodex enthalte "keinen gemeinsamen Ansatz, keine klaren und aussagekräftigen Verpflichtungen, keine messbaren Ziele" und keine Sanktionen zur Durchsetzung, hieß es in einer Stellungnahme. Deshalb könne von einer "Selbstregulierung" nicht die Rede sein.

Der europäische Verbraucherverband Beuc hielt die Selbstregulierung auch für ungeeignet. "Die Online-Plattformen, auf denen gefälschte Nachrichten verbreitet werden, sind dieser Aufgabe bisher nicht gerecht geworden", erklärte Beuc-Generaldirektorin Monique Goyens. "Seien wir ehrlich. Plattformen, die Geld mit Werbung verdienen, die neben gefälschten Nachrichtenartikeln und Beiträgen angezeigt wird, sind einfach nicht gut positioniert, um dieses Problem zu lösen."

Die Kommission will nun bis Ende des Jahres eine Bewertung des Kodex und erster Ergebnisse vornehmen. Die Unterzeichner des Verhaltenskodex haben ihrerseits angekündigt, nach einem Jahr einen Bericht über ihre Arbeit gegen Falschinformation zu veröffentlichen.

In Deutschland ist seit Anfang des Jahres das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft, das Betreiber sozialer Netzwerke zur Löschung von Falschnachrichten und Hass-Posts verpflichtet. Das Gesetz ist umstritten. Kritiker bemängeln eine zu umfangreiche Löschung und befürchten Zensur. (APA/AFP)

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