Superpille: Gilead überholt Pfizer, und ein Vorarlberger kassiert mit
PRIMENEWS Martin Rümmele 24.04.2015

Superpille: Gilead überholt Pfizer, und ein Vorarlberger kassiert mit

Hintergrund Dank Hepatitis C-Medikament Sovaldi ist Gilead Sciences an der Börse mehr als 160 Mrd. USD wert – und Nr. 3 der PharmabrancheInterview Norbert Bischofberger auf Kurzbesuch in Wien

Norbert Bischofberger ist Forschungschef der Biotechfirma Gilead und hat zuletzt laut US-Medien 14 Mio. USD mit Aktiendeals verdient.

Wien. Spricht man mit Pharmaunternehmen, hört man derzeit nicht selten Unmut über die Entwicklung im Fall des Hepatitis-C-Medikamentes Sovaldi und sogar die Bezeichnung „Sündenfall”. Allerdings nicht, weil die Krankenkassen hier zu sparen versuchen, sondern weil die Unternehmen ob der Preispolitik des Konkurrenten Gilead Sciences sauer sind. Andere vermuten dahinter einfach Neid: Denn die einzelne Tablette kostet rund 1.000 USD (930 €). Das sei sie wert, sagen die einen – immerhin heile das Medikament Hepatitis C binnen drei Monaten und spare damit auch teure Operationen bis hin zu Lebertransplantationen. Doch so eine Drei-Monats-Therapie kostet bis zu 140.000 € und das ist für nahezu alle Krankenversicherungen der Welt kaum zu finanzieren. Allein die Wiener Gebietskrankenkasse kostete die Therapie im Vorjahr 50 Mio. €. Anders formuliert: 16.000 € für eine Packung zu verlangen, das hat sich bisher noch kein Pharmaunternehmen getraut. Die Preispolitik ist derzeit auch Thema des aktuellen Kongresses der internationalen Lebermediziner in Wien.

Mit dabei – und von der Öffentlichkeit kaum bemerkt – ist der gebürtige Vorarlberger Norbert Bischofberger. Der Mann ist Forschungschef von Gilead Sciences, Miteigentümer des Konzerns und hat vor einigen Jahren bereits mit einem anderen Mittel für Aufsehen gesorgt: Er ist Erfinder des Grippemittels Tamiflu, das – nachdem es an Konkurrenten Roche verkauft worden ist – als Allheilmittel gegen eine damals drohende Vorgelgrippe gehandelt wurde.

Bischofberger will helfen

Im Interview mit medianet versteht Bischofberger die Aufregung um die hohen Preise nicht. Das Medikament heile in kürzester Zeit Menschen, die bisher unheilbar krank waren. Und die Therapie sei deutlich billiger als die bisherigen Behandlungen, die oft bis zu Lebertransplantation führten, mit enor-mem Leid und schweren Nebenwirkungen verbunden waren und dennoch wenig brachten. Er finde die Reaktion der Öffentlichkeit und von Politikern zu einem derartigen medizinischen Erfolg „frustrierend und traurig”, sagt Bischofberger. Würde man hier bremsen, sei künftig private Pharmaforschung kaum noch denkbar, warnt er. Ihm gehe es bei seiner Arbeit gar nicht um Geld oder Ruhm, sondern darum, Menschen zu helfen, sagt er (siehe Interview li.).

Satte Gewinne im Vorjahr

Tatsächlich profitiert Bischofberger aber aktuell kräftig mit vom Boom. Die Biotechfirma Gilead Sciences, an der auch Bischofberger beteiligt ist, hat einen kometenhaften Aufstieg hinter sich – nicht zuletzt dank Sovaldi, das dem Unternehmen im Vorjahr Zusatzeinnahmen von mehr als elf Mrd. USD (10,2 Mrd. €) gebracht hat. Damit habe das Unternehmen in nur einem Jahr die gesamten Kosten für das Medikament hereinge-spielt, wetterte zuletzt Hauptverbandsgeneraldirektor Josef Probst. Gilead hatt das Mittel von einem kleineren Unternehmen eingekauft und weiterentwickelt.Wie sich nun zeigt, war das ein Volltreffer: Die Aktie ist zuletzt kräftig gestiegen, und das Unternehmen ist am Markt laut Ernst & Young mit mehr als 160 Mrd. USD (149 Mrd. €) mehr wert als der eins-tige Branchenführer Pfizer. Nur Novartis und Roche sind derzeit noch besser bewertet als Gilead. Zum Vergleich: Laut EY liegt Apple mit einem Marktwert von knapp 400 Mrd. USD (370 Mrd. €) an der Spitze. Gilead ist wiederum mehr wert als etwa Samsung, Coca-Cola oder Facebook.Das dürfte auch Bischofberger genutzt haben. Laut US-Medienberichten hat er zuletzt zweimal jeweils 70.000 Aktien verkauft und damit mehr als 14 Mio. USD (13 Mio €) verdient.

„Geld ist nicht wichtig”

Wien/Los Angeles. Der gebürtige Vorarlberger Norbert Bischofberger ist Forschungschef von Gilead Science. Im medianet-Interview spricht er über seinen Forschungsantrieb und seine wirtschaft-lichen Aktivitäten in Österreich.Norbert Bischofberger: Ich finde die Reaktion der Öffentlichkeit und von Politikern frustrierend und traurig. Das Medikament ist eine unglaubliche Verbesserung für Patienten. Meine Hauptmotivation in der Forschung ist, Fortschritte für die Menschen und ihre Gesundheit zu schaffen. Gesundheit ist das Wichtigste und Kostbarste, das wir haben – wichtiger als Besitz, Geld und Ruhm. medianet: Wie kamen Sie dazu, in die Pharmaforschung zu gehen und was hat Sie da in die USA geführt?Bischofberger: Ich habe meinen Doktor an der ETH-Zürich gemacht und es war immer mein Plan, einige Jahre in den USA zu arbeiten und meinen Beruf auszuüben. Ursprünglich dachte ich daran, universitär zu arbeiten, weil ich davon überzeugt war, dass dort das beste Umfeld für Forschung besteht. Nach Zürich ging ich für ein Jahr zu Syntex in Palo Alto in Kalifornien und arbeitete dann eineinhalb Jahre an der Universität Harvard. Danach entschied ich mich, in die Industrie zu wechseln. Das universitäre Umfeld erschien mir beengt und borniert. Universitätsprofessoren fördern Ideen, die es ihnen ermöglichen, in renommierten Magazinen zu veröffentlichen. Ich suchte eine wissenschaftliche Herausforderung, um die Welt besser zu machen, und so nahm ich einen Job bei Genentech in Süd-San Francisco an.medianet: Sie haben in Vorarlberg ein Hotel gekauft und umgebaut – was sind Ihre Pläne?Bischofberger: Ich habe momentan keine weiteren Pläne mit dem Hotel. Ich habe das Management getauscht und hoffe, dass sich das Hotel selbstständig trägt. Österreich ist ein Tourismusland mit vielen schönen Plätzen, und der Bregenzerwald und Mellau im speziellen sind im Sommer wie im Winter attraktiv. Ich denke, das sind Dinge, die Menschen und Gäste immer schätzen.medianet: Ist eine Rückkehr nach Österreich irgendwann einmal denkbar? Bischofberger: Eine Rückkehr ist eine Möglichkeit irgendwann in der Zukunft. Das hängt sehr stark davon ab, was der Grund dafür sein wird. Es muss in jedem Fall ein Möglichkeit sein, die ich so in den USA nicht habe. Derzeit gibt es diesbezüglich aber keine Pläne.

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