FINANCENET
© APA/AFP/Ronny Hartmann

05.02.2016

Nachhaltig geht anders: VW bei „Ethischen” ungeliebt

Vertrauen erschüttert: Auch die Steyler Ethik Bank hat die VW-Aktie im Zuge des Skandals aus ihren Veranlagungen entfernt.

••• Von Thomas Müller

MARIA ENZERSDORF. 1964 hat der Steyler Missionarsorden die Steyler Ethik Bank in Deutschland gegründet, seit 2002 gibt es auch eine Niederlassung in Österreich. Andreas Kolde hat von Anfang an das Geschäft in Österreich aufgebaut und erklärt im Interview, wo er hierzulande noch Potenziale für die Bank sieht.
medianet: In Österreich gibt es noch keine weitere echte Ethikbank. Dabei müssten Sie sich ja über mehr Konkurrenz freuen, die sich denselben Prinzipien verpflichtet.
Andreas Kolde:
In Österreich haben wir keine Mitstreiter in diesem Bereich, die ein ganzheitliches Konzept verfolgen, das stimmt. In Deutschland haben wir etwa die GLS Bank, die Pax-Bank oder die Umweltbank. Natürlich wäre es gut für den Markt und um das Thema voranzubringen, wenn es mehrere Anbieter gäbe.

In Gründung befindet sich ja die Bank für Gemeinwohl, die das Thema Ethik und Nachhaltigkeit in ihrem gesamten Geschäftsmodell implementieren will. Aber es steht noch in den Sternen, ob sie das schaffen. Es ist gerade eine ungünstige Zeit, um eine Bank zu gründen.


medianet: Im Gegensatz zu Deutschland ist die Steyler Bank in Österreich keine Vollbank mit allen Dienstleistungen. Wäre es nicht interessant, das hier auch anzubieten?
Kolde: Vor dem Hintergrund strategischer Überlegungen zur zukünftigen Ausrichtung der gesamten Bank in Deutschland und in Österreich prüfen wir derzeit verschiedene Optionen. Prioritär ist aktuell vor allem das Wertpapiergeschäft. Da wir das Depotgeschäft derzeit in Österreich noch nicht anbieten, kann man unsere Fonds zwar bei österreichischen Depotbanken kaufen, aber nicht über unsere österreichische Niederlassung. Grundsätzlich wäre es aber natürlich möglich, ein Depot bei der Steyler Ethik Bank in Deutschland zu führen. Girokonten werden auch immer wieder nachgefragt.

medianet: Das Retail-Geschäft macht den Banken derzeit eher Sorgen. Würde man sich da nicht neue Probleme einhandeln?
Kolde: Nein, das Geschäftsmodell in Deutschland beruht nicht auf einem dichten Filialnetz, sondern war immer schon ein Fernkundengeschäft, also eigentlich eine Direktbank. Wir betreuen auch von Maria Enzersdorf aus alle Kunden in Österreich. Dass die Situation für alle Banken nicht einfach ist, ist auch klar.

medianet: Im Ethikbereich haben wir es hierzulande eher mit kleinen Volumina zu tun. Woran liegt es, dass die Nachfrage offenbar recht gering ist?
Kolde: Ich glaube, dass Nachfrage grundsätzlich da ist in Österreich. Es wird allerdings über das Thema Geld nicht so gern offen geredet. Interessanterweise haben wir aber z.B. relativ viele Kunden in Vorarlberg, wo man es möglicherweise, geprägt durch die Nähe zur Schweiz, gewohnt ist, sich mehr mit Finanzthemen auseinanderzusetzen. Insgesamt aber sehe ich schon, dass das Thema Ethik im Kommen ist, auch wenn es noch nicht so selbstverständlich ist, nachhaltig zu investieren, wie Bio-Lebensmittel zu kaufen.

medianet: Wie hat sich der VW-Skandal in Ihrem Asset Management ausgewirkt? Ist das Misstrauen bei Anlegern und Fondsmanagern größer geworden?
Kolde: Wir hatten die Aktie in unseren Fonds, und der Skandal hat dazu geführt, dass der Ethik-Anlagerat VW-Titel ausgeschlossen hat. Das haben viele andere ethische Investoren auch so gehandhabt. Natürlich hat das das Vertrauen der Anleger erschüttert, aber es war auch ein Impuls, um genauer hinzuschauen. Gleichzeitig wird allen bewusst, dass man so ein Fehlverhalten nie gänzlich ausschließen kann; man kann nur die Wahrscheinlichkeit minimieren.

medianet: Was könnte man da noch tun?
Kolde: Darauf müssen vor allem die einschlägigen Ratingagenturen reagieren, die die Beurteilungen vornehmen. Wir sind aber auch selbst aktiv und bauen unser Ethik-Scouting aus. Wir haben nämlich ein eigenes Netzwerk aus Mitgliedern der Steyler Ordens­familie, die auf der ganzen Welt tätig sind. Sie berichten uns bei Bedarf aus erster Hand über die Aktivitäten von globalen Unternehmen. Dieses Netzwerk ist unser Alleinstellungsmerkmal und hat bereits einiges bewirkt. Im vergangenen Jahr haben wir aufgrund der Informationen aus unserem Netzwerk das Bergbau-Unternehmen Anglo American aus unserem Anlageuniversum ausgeschlossen. Wir verlassen uns also nicht ausschließlich auf Ratings. Und wir belassen es nicht beim Ausschluss, sondern teilen dem Unternehmen die Gründe für das Divestment mit. Mit unserer Steyler Art des direkten Dialogs mit Unternehmen haben wir schon viele gute Erfahrungen gesammelt.

medianet: Gab es da schon Erfolge?
Kolde: Wir sehen es als Erfolg an, wenn uns das Unternehmen antwortet und in einen Dialog einsteigt. Außerdem arbeiten wir über das Netzwerk CRIC mit anderen institutionellen Investoren zusammen und kommen so gemeinsam auf rund 7 Mrd. Euro Anlagekapital. Somit setzen wir den Hebel an mehreren Stellen an.

medianet: Erinnert der VW-Skandal nicht auch daran, dass unser Konsumverhalten in Europa viele Ressourcen verbraucht und zwangsläufig Schadstoffe verursacht?
Kolde: Da sind wir dann schon mitten in einer Ethikdiskussion. Natürlich kann ich auf dem Standpunkt stehen, dass die Automobilindustrie der Umwelt und der Gesellschaft schadet, und dass mein Geld dort nicht hinfließen soll. Es gibt auch Fonds, die so agieren. Auf der anderen Seite liegt ja gerade in diesen Branchen das größte Verbesserungspotenzial. Wir suchen uns daher Unternehmen aus, die sich von ihren Mitbewerbern hinsichtlich der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit positiv unterscheiden; das erzeugt ja auch einen gewissen Wettbewerbsdruck.

medianet: Werden die Kriterien wie soziale Standards und CO2-Bilanz unterschiedlich gewichtet?
Kolde: Es ist üblich, dass Rating­agenturen Unternehmen branchenbezogen prüfen, damit sie nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Innerhalb der Branche gehen wir da zunächst nach dem Best-in-Class-Ansatz mit Positivkriterien vor. Hierbei werden Sozial- und Umweltkriterien branchenspezifisch unterschiedlich gewichtet. In einem zweiten Schritt arbeiten wir mit Ausschlusskriterien. Wir schließen zum Beispiel Unternehmen der Rüstungs- und Atomindus­trie aus, egal welche Nachhaltigkeitsanstrengungen sie ansonsten unternehmen. Zum Teil gelten bei kontroversen Geschäftsfeldern allerdings Umsatzgrenzen für Konzerne, die nur einen sehr geringen Anteil ihres Umsatzes mit solchen Aktivitäten erzielen.

medianet: Wie sehen die Geistlichen des Steyler Ordens die ­Finanzgeschäfte der Bank?
Kolde: Natürlich gab es in der ersten Zeit nach der Gründung gewisse Vorbehalte gegenüber der Finanzbranche. Aber das hat sich inzwischen schon sehr verändert, und wir erfahren als Teil der Steyler-Familie in unserer Arbeit große Unterstützung und Rückhalt seitens der Ordensleute. Ich sehe vor allem bei den weiblichen Ordensangehörigen gegenüber dem Thema ethische Geldanlage eine sehr große Aufgeschlossenheit; das bestätigt den Eindruck, dass gerade Frauen sich sehr für das Anliegen einer ethischen Wirtschaftswelt engagieren.

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