Die Masse und der Strommix machens
© ÖAMTC
Der ÖAMTC hat zahlreiche Autos wie den Ford Mustang Mach-E auf ihre Treibhausgas-Bilanz untersucht.
MOBILITY BUSINESS Jürgen Zacharias 29.04.2022

Die Masse und der Strommix machens

ÖAMTC-Lebenszyklusanalyse zeigt vollständige Treibhausgas-Bilanz von Pkw – das Gewicht und der Strommix entscheiden über die Emissionen eines Fahrzeugs.

WIEN. Im Jahr 2019 haben der ÖAMTC und seine Partnerclubs begonnen, im Rahmen des Green NCAP die Umweltfreundlichkeit aktueller Fahrzeuge zu untersuchen. Seither haben mehr als 60 Autos die Messungen auf dem Rollenprüfstand und auf der Straße durchlaufen und wurden hinsichtlich Emission von Treibhausgasen (THG) in CO2-Äquivalent (CO2, N2O, CH4), Schadstoffausstoß und Energieverbrauch des Antriebs bewertet. „Bisher haben wir die Fahrzeuge im Fahrbetrieb untersucht. Das ändert sich ab sofort, denn nun wird jedes Auto, das die Green NCAP-Messungen durchläuft, zusätzlich einer Lebenszyklusanalyse unterzogen“, erklärt Max Lang, Fahrzeug- und Umweltexperte beim ÖAMTC. „Das ist ein wichtiger Schritt, um die tatsächlichen THG-Emissionen darzustellen, indem beispielsweise auch die Erzeugung der Batterie beim E-Auto und die Bereitstellung von Kraftstoff beziehungsweise Energie berücksichtigt werden.“
 
Wie gewohnt umfassen die Untersuchungen die jeweils neuesten Modelle auf dem Markt. Für einen Gesamtüberblick wurden jedoch alle 61 Fahrzeuge, die Green NCAP im Zeitraum 2019 bis 2021 durchlaufen haben, rückwirkend der Lebenszyklusanalyse unterzogen. Dabei wurde eine Laufleistung von 15.000 km pro Jahr und 16 Jahre Lebensdauer für jedes Auto (beziehungsweise des Akkus im Falle von E-Fahrzeugen) angenommen. Laut ÖAMTC-Experte Lang lassen sich darauf basierend mehrere Schlussfolgerungen ziehen; die wohl wichtigste: Die Emissionen, die ein Fahrzeug – egal, welcher Antriebsart – bei der Herstellung und im Fahrbetrieb verursacht, hängen stark von der Masse ab. In der Kompaktklasse bedeutet das beispielsweise, dass der rein elektrische VW ID.3 im gesamten Lebenszyklus einen Durchschnittswert von 35 t CO2-Äquivalent an Treibhausgasen verursacht, nimmt man den Strommix der EU als Basis. Die Plätze dahinter belegen in dieser Klasse der Plug-in Hybrid (Toyota Prius 1.8, rund 40 t) sowie der mit Erdgas betriebene Seat Ibiza 1.0 TGI und der Diesel (Skoda Octavia 2.0 TDI), jeweils mit einem CO2-Äquivalent von zirka 42 t. Beide liegen aufgrund des geringeren Verbrauchs noch deutlich vor dem Benziner (BMW 118i, rund 53 t).
 
Innerhalb der Antriebsarten können die Unterschiede ebenfalls groß sein. So verursachen Elektro-Schwergewichte wie der Ford Mustang Mach-E im Laufe des Auto-Lebens mehr CO2-Äquivalent als mancher Diesel der Kompaktklasse. Das gelte laut Lang für alle Antriebe: Je weniger Masse, desto weniger Treibhausgase. Besonders schlecht für die Bilanz sind demnach große Verbrenner wie beispielsweise der Land Rover Discovery Sport D180, der den Mustang Mach-E trotz etwas geringere Masse beim THG-Ausstoß deutlich in den Schatten stellt. 

Die THG-Emissionen, die ein E-Auto im Laufe seines Daseins verursacht, hängen auch davon ab, wie der Strom, der zur Ladung genutzt wird, erzeugt wird. Das Beispiel des VW ID.3 zeigt, dass dieses Fahrzeug im derzeitigen EU-Strommix rund 35 t CO2-Äquivalent verursacht – davon entfallen rund 15 t auf das Aufladen. Könnte man für die Ladung allein auf österreichischen Strom zurückgreifen, würde sich der THG-Ausstoß zur Bereitstellung der Energie auf rund zehn Tonnen reduzieren. Auch äußere Faktoren wie der Fahrstil und Witterungsbedingungen haben mitunter starken Einfluss auf die THG-Emissionen. Doch auch hier gibt es Unterschiede zwischen den Antriebsarten: Während es beim Verbrennungsmotor einen vergleichsweise geringen Unterschied macht, wie kalt oder warm die Umgebungstemperatur ist, kann ein Elektro-Auto doppelt so viel Energie brauchen, wenn die Temperatur unter den Gefrierpunkt fällt. Besonders signifikant sind die Unterschiede beim Plug-in Hybrid: Beim VW Golf GTE verachtfachen sich beispielsweise die Emissionen im Fahrbetrieb bei kalter Witterung und mit leerem Akku im Vergleich zu sparsamer Fahrt bei angenehmen Außentemperaturen und voll geladener Hybrid-Batterie. 
 
Für den ÖAMTC-Experten ist klar, dass die E-Mobilität ein wichtiger Puzzlestein ist, um die THG-Emissionen des Straßenverkehrs zu reduzieren. „Die Lebenszyklusanalyse bestätigt auch, dass E-Autos sehr umweltfreundlich betrieben werden können. Das ist positiv – man darf aber nicht unter den Tisch kehren, dass ein komplett CO2-neutraler Betrieb unter den aktuellen Voraussetzungen nicht so leicht möglich ist, wie man es sich wünschen würde“, stellt Lang klar. „Aus unserer Sicht müssen im Hinblick auf den Fahrbetrieb von
E-Autos zwei Dinge passieren: Der Strom muss grüner werden, allerdings nicht nur in Österreich, sondern EU-weit. Und es muss klar sein, dass auch E-Fahrzeuge einen massiven Umweltnachteil haben, je größer sie sind.“ (red)

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