Großer Rückschlag
© APA/AFP Pierre Philippe Marcou
Die Zulassung eines neuen Alzheimer-Mittels wurde wegen des hohen Risikos schwerer Nebenwirkungen abgelehnt.
HEALTH ECONOMY Redaktion 23.08.2024

Großer Rückschlag

Ein vielversprechendes Alzheimer-Mittel kommt in Europa nun doch nicht auf den Markt. Experten sind enttäuscht.

••• Von Katrin Grabner

BRÜSSEL/WIEN. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hat eine Empfehlung des Alzheimer-Wirkstoffs Lecanemab abgelehnt. Das Mittel galt als große Hoffnung, da es bereits in den frühen Phasen der Erkrankung wirkt und den Krankheitsverlauf um etwa 30% abbremsen kann. Fachleute sprechen von einem „Rückschlag für Europa“.

Überraschende Entscheidung
In den USA wurde ein auf Lecanemab basierendes Medikament schon Anfang 2023 über ein beschleunigtes Verfahren zugelassen, in der EU rechnete man deshalb mit einer Zulassung im ersten Halbjahr 2024. Die Entscheidung der EMA kam überraschend – und führte zu Enttäuschungen. Der Grund für die Ablehnung der EMA liegt laut Bernhard Iglseder, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie (ÖGGG), in der Bewertung des Verhältnisses von Nutzen und Nebenwirkungen: Hirn-Ödeme und -Blutungen traten relativ häufig, bei etwa zwölf bis 13% beziehungsweise 17%, auf – verglichen mit der beobachteten Wirksamkeit, also der Verzögerung des kognitiven Abbaus, laut EMA zu häufig. „Die Entscheidung ist also durchaus rational begründet“, meint Iglseder, der gleichzeitig darauf hinweist, dass der Wirkstoff deshalb als „bahnbrechend“ gehandelt wurde, weil er in einem frühen Stadium ansetzt. In Fachkreisen hat man gehofft, dass dies zusätzlich mehr Bewusstsein für die Wichtigkeit der Früherkennung schaffen würde.

Schwierige Umsetzung
Berichte aus den USA zeigen allerdings auch, dass sich die Umsetzung der Therapie als schwierig gestaltet – von der Diagnose, über die Verabreichung der Infusion alle zwei Wochen bis hin zum Monitoring über regelmäßige MRI-Untersuchungen. Laut Iglseder wäre es einerseits hilfreich, ein Medikament zu haben, das früh ansetzt, andererseits gäbe es in Österreich derzeit nicht genügend Personal, um die Therapie den Betroffenen schnell zugänglich zu machen. Der Experte hofft, dass sich hier etwas ändert, und erwartet, dass es „in zwei, drei Jahren“ neue Studienergebnisse zu Lecanemab gibt, die eine Neubewertung der EMA ermöglichen.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL