Kein Virusproblem, sondern eins der Ressourcen
© APA/AFP/Ina Fassbender
HEALTH ECONOMY Redaktion 13.03.2020

Kein Virusproblem, sondern eins der Ressourcen

Jetzt rächen sich Effizienzsteigerung und Ressourcenoptimierung: Für die Versorgung ungeplanter Corona-Fälle ist das Gesundheitssystem nur bedingt gerüstet.

••• Von Martin Rümmele

Abgesperrte Städte und ganze Regionen, rund um die Uhr tagende Einsatzstäbe, fallende Börsenkur­se, abgesagte Veranstaltungen, geschlossene Schulen und Universitäten, Hamsterkäufe: Das Coronavirus – SARS-Cov-2 – versetzt derzeit Medien, Wirtschaft und Politik weltweit in Panik. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass es nicht um die Gefahr der durch das Virus ausgelösten Erkrankung Covid-19 geht, die nicht problematischer ist als eine Grippe, sondern um die fehlenden Ressourcen, um damit umzugehen.

Zum ersten Mal spürbar wurden die Folgen, als das Virus in China ausgebrochen war und die Chinesen mit der Abschottung ganzer Provinzen und der Stilllegung der dortigen Produktionen reagierten. Wie eine Schockwelle verbreitete sich die Nachricht rund um die Welt. Denn China ist nicht nur ein großer Absatzmarkt, sondern vor allem ein wichtiger Produzent. Stehen dort die Maschinen, wirkt sich das nicht nur mit fehlenden Produkten im Westen aus, sondern auch mit fehlenden Zulieferteilen. SARS-Cov-2 hat das Potenzial, das bisherige Denken über globale Wertschöpfungsketten nachhaltig zu verändern.

Von China abhängig

Denn die Entwicklungen zeigen die Schwächen der bestehenden Systeme auf: die Abhängigkeit vor allem von China. Das gilt auch für den Arzneimittelbereich. Noch habe sich die Epidemie in China nicht auf die Medikamentenversorgung ausgewirkt, sagt Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der Ages Medizinmarktaufsicht und Vorsitzende des Managementboards der Europäischen Arzneimittelagentur EMA. Es zeige aber, wie abhängig Europa von Medikamentenlieferungen aus China ist, sagt sie. Wirkstoffe für Schmerzmittel, Antibiotika, Blutdruck- oder Cholesterinsenker werden fast nur noch in China hergestellt (siehe Seite 64). Europa sei bis zu 80% abhängig von der Wirkstoffproduktion in Asien, sagt Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).

Kapazitäten fehlen

Es geht aber längst nicht mehr um China, wo die Zahl der Neu-Infektionen bereits wieder sinkt. Das Virus zeigt auch, wie sensibel das bestehende Wirtschaftsgefüge global ist und wie eng bemessen auch die Gesundheitssysteme sind. Just-in-time wird zum Problem, wenn plötzlich nichts oder wenig geliefert wird. Ressourcenoptimierung und Effizienzsteigerungen im Gesundheitswesen und vor allem bei Spitälern lassen nur wenig Spielräume für unvorhersehbare Großereignisse wie eine Epidemie. Zwar müssen nur wenige Covid-19-Erkrankte in ein Krankenhaus, doch dort liegen auf Intensivstationen bereits schwere Grippefälle und andere schwer Erkrankte; und Intensivstationen und das dafür nötige Personal sind teuer. Also wurden sie in den vergangenen Jahren auf Vorschlag von meist externen Unternehmensberatern ­reduziert. Und werden jetzt knapp.

„Ausbreitung verhindern”

Nicht zuletzt deshalb versuchen Regierungen, die Verbreitung des Virus zu verhindern. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) brachte es in der ORF-„Pressestunde” am Sonntag auf den Punkt: Man müsse alles tun, um die Ausbreitung der neuen Krankheit bis nach Ende der aktuellen Grippewelle zu verzögern. „Was wir verhindern müssen, ist, dass es eine rasche Ausbreitung des Virus gleichzeitig mit der Grippewelle gibt”, sagte Kurz. Andernfalls würde das Gesundheitssystem an seine Kapazitätsgrenzen stoßen. Auch Italien strenge sich an, „weil ihnen sonst das Gesundheits­system zusammenbricht”.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass Covid-19-Erkrankte länger in Spitälern liegen, wofür diese nicht ausgerichtet sind; liegt doch für gewöhnlich die durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei unter fünf Tagen. „Es kommt auf die Geschwindigkeit an, mit der das Krankenversorgungssystem und vor allem die Intensivversorgung belastet wird”, erklärt Martin Sprenger, Leiter des Universitätslehrgangs Public Health an der Med Uni Graz und Allgemeinmediziner.

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