Vorsorge ausbauen
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Diskutierten über Prävention: Karin Pollak, Christian Müller-Uri, Pamela Rendi-Wagner, Karl Forstner, Ulrike Rabmer-Koller und Franz Kolland. (v.li.)
HEALTH ECONOMY Ina Karin Schriebl 15.04.2016

Vorsorge ausbauen

Umfrage: Der Gesundheitszustand der Österreicher verschlechtert sich. Hauptverbandsvorsitzende Rabmer-Koller will nun Prävention stärken.

WIEN. Nur acht Prozent der Österreicher fühlen sich frei von gesundheitlichen Problemen. 92% klagen einer aktuellen Umfrage zufolge zumindest über gelegentliche Beschwerden. Dabei geht es laut der Umfrage des Linzer market-Instituts nicht nur um körperliche Beschwerden, sondern zunehmend auch um Psychische. Vor diesem Hintergrund und anlässlich des von der WHO ausgerufenen Weltgesundheitstages diskutierte vergangene Woche ein renommiert besetztes Podium über Prävention als „Chance und Dilemma”. Ulrike Rabmer-Koller, Vorsitzende im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und Gastgeberin der Abendveranstaltung, bat Sektionschefin Pamela Rendi-Wagner, Vize-Ärztekammerpräsident Karl Forstner, den Vizepräsidenten der Apothekerkammer, Christian Müller-Uri, sowie den Soziologen Franz Kolland zur Diskussion.

Günstiger als Reparaturmedizin

Rabmer-Koller hielt fest, dass Gesundheitsförderung und Prävention in erster Linie als große Chance zu begreifen ist: „Zahlreiche Studien belegen, dass es langfristig günstiger kommt, Krankheiten zu vermeiden anstatt sie zu heilen. Aber neben den nackten Zahlen geht es vor allem um ein Mehr an Lebensqualität und ein Mehr Lebensjahren bei guter Gesundheit.”

„Ein Präventionsbereich, der mir als Mutter besonders am Herzen liegt, ist die bestmögliche Begleitung unserer Kinder ins Erwachsenenalter. Im Teenageralter werden wichtige Entscheidungen getroffen über Ernährungsgewohnheiten, den Raucheinstieg oder das Bewegungsverhalten. Suchtrisiken müssen beachtet werden und auch die psychische Gesundheit der jungen Generation”, sagte die Hauptverbands-Chefin. „Derzeit endet mit dem Mutter-Kind-Pass beim sechsten Lebensjahr die Gesundheitsbegleitung, und die kostenlose Vorsorgeuntersuchung setzt erst wieder ab dem 18. Lebensjahr ein. Wir müssen hier mehr als zehn Lebensjahre erschließen, Risikofaktoren im Auge behalten, Angebote machen und aktive Prävention betreiben. Wir brauchen daher ein maßgeschneidertes Vorsorgeprogramm für Kinder und Jugendliche.”
Einer Studie des IHS zufolge liege das Einsparungspotenzial durch den forcierten Einsatz gesundheitsfördernder und präventiver Maßnahmen bei 3,6 Mrd. € oder 1,7% des BIP. Die Gesundheits­reform sieht jährlich bis zu 3,5 Mio. € für Vorsorgemaßnahmen vor –angesichts von 27,1 Mrd. € (2014) jährlichen öffentlichen Ausgaben für Gesundheit ein geringer Beitrag. Rabmer-Koller: „Es geht auch um Bewusstseinsbildung, die Stärkung der Gesundheitskompetenz und Eigenverantwortung in allen Altersgruppen.” Dass dabei bereits im Kindesalter begonnen werden muss, darin waren sich alle einig.
Pamela Rendi-Wagner: „Vor allem bei den schulpflichtigen Kindern müssen wir den schulärztlichen Dienst viel mehr als bisher in die Pflicht nehmen.” Generell seien Investitionen im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention sehr langfristig zu sehen und meist erst in 20 bis 30 Jahren wirksam, so Rendi-Wagner. Risikofaktoren und gesundheitsschädliches Verhalten wie Rauchen, schlechte Ernährung oder Bewegungsmangel könnten jedenfalls nur gemeinsam mit den Versicherten und entsprechenden begleitenden gesellschaftspolitischen Strategien und Maßnahmen reduziert werden.

Verschlechterung festgestellt

Das Linzer market-Institut hat für seine „Gesundheitsstudie 2016” im März 1.004 Personen, die über 16 Jahre alt sind, online interviewt. Frauen und Männer klagen demnach annähernd gleich stark über Beschwerden. Jüngere, besser Gebildete fühlen sich deutlich gesünder als Ältere und Leute ohne Matura. Teilweise wurden die Zahlen mit früheren Jahren verglichen, wobei sich eine Verschlechterung zeigte. So hatten 2013 noch 14% angegeben, keine gesundheitlichen Probleme zu haben. Dieser Anteil hat sich seither fast halbiert. Umgekehrt haben die Gesundheitsprobleme offenbar zugenommen: Hatten 2013 noch 20% gesagt, dass ihnen solche zu schaffen machen, waren es heuer bereits 27%.

Häufigster Grund zur Klage sind Rücken- bzw. Wirbelsäulenprobleme; darunter leiden 47% der Befragten, die zumindest ab und zu Beschwerden haben. Übergewicht macht 41% zu schaffen, der Bewegungsapparat 38%. Allergien (18%), Verdauungsprobleme (17%) oder Migräne (11%) liegen im Mittelfeld, und neun Prozent leiden unter chronischen Schmerzen. Erstmals hat market auch psychische Leiden abgetestet: Von jenen, die zumindest gelegentlich Probleme verspüren, klagten die meisten über Energielosigkeit (29%) und Schlafstörungen (27%); Burnout plagen 9 %. Als stärkste psychische Belastung gaben die Befragten Mobbing (78%) und Arbeitslosigkeit (76%) an.

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